Wenn die Ukraine nach Hause kommt
Samuel (9) kommt aus der Schule nach Hause. Beim Mittagstisch fragt er die Mutter beiläufig: «Was passiert eigentlich mit uns, wenn der Dritte Weltkrieg losgeht?» Die Mutter fragt zurück: «Wo hast du denn das gehört?» «Das weiss doch jeder», meint Samuel. «Alle auf dem Schulhof reden so, und die ganzen Nachrichten sind ja voll vom Krieg.»
Höchste Zeit zu reden! Aber wie? Da Kinder sehr unterschiedlich sind – ängstlich oder draufgängerisch, älter oder jünger, fragend oder still – gibt es kein Patentrezept. Aber es gibt eine Vielzahl von Tipps und Ideen, aus denen Sie als Eltern sich das Geeignete heraussuchen können. Ausserdem gibt es Hilfsangebote von Landes- und Bundesregierungen wie zum Beispiel von BAER, dem bayrischen Erziehungsratgeber, oder von Organisationen wie «Save the Children».
Schützen Sie Ihr Kind
Es ist legitim, dass Sie als erwachsener Mensch sich regelmässig informieren möchten, doch es ist nicht sinnvoll, dass Ihre fünfjährige Tochter die Tagesschau samt anschliessender Sonderberichterstattung mitschaut. Sie können die dramatischen Bilder in Ihr Weltbild einordnen – die Ukraine ist 2'000 Kilometer entfernt und nicht jeder Panzer wird demnächst durch Ihre Strasse rollen –, aber Ihr Kind kann das kaum. Entfernungen sind für Kinder abstrakt. Für sie scheint alles möglich. Und wenn es die ersten Kriegsbilder für Ihr Kind sind, und es realisiert: «Das passiert wirklich!», ist es ein Schock.
Nehmen Sie sich Zeit und fragen Sie nach
Es geht weniger darum, dass Sie Ihr Kind informieren, sondern dass Sie mit ihm im Gespräch bleiben. Egal, ob Sie selbst das Thema angestossen haben oder Ihr Kind darauf zu sprechen kommt, fragen Sie nach: «Was weisst du darüber? Hast du etwas darüber gehört? Gibt es da etwas, das dir Angst macht? Willst du etwas wissen?»
Und dann beantworten Sie die Fragen Ihres Kindes so einfach und so ehrlich wie möglich. Wenn Sie selbst etwas nicht wissen, dann geben Sie das zu. Vielleicht können Sie sich zusammen mit Ihrem Kind darüber informieren – mit etwas älteren Kindern geht das zum Beispiel auf einem Portal wie «Logo». Gehen Sie auf Ihr Kind ein. Sie informieren es damit, und gleichzeitig zeigen Sie ihm damit, dass es mit seinen Fragen nicht allein ist.
Setzen Sie Ängsten etwas entgegen
Wenn Ihr Kind Angst hat, dann können Sie ihm sagen: «Das versteh ich», «Das ist normal» oder sogar «Ich habe auch Angst!» Bei allem Ernstnehmen von Gefühlen ist es aber auch hilfreich, Ihrem Kind etwas zum Festhalten anzubieten. Da ist es gar nicht banal, einem kleinen Kind immer wieder zuzusagen, dass Sie es nicht alleinlassen werden. Da können Sie mit Ihrem Kind eine kleine Hilfsaktion starten, zum Beispiel eine Puppe für geflüchtete Kinder spenden, die denen Trost bringen soll. Da können Sie eine Friedenskerze anzünden und mit dem Kind zusammen beten. Nicht nur Kindern tut es unendlich gut, sich selbst und die eigene Unsicherheit in Gottes Hände zu legen!
Bleiben Sie bei der Wahrheit
Auf seinem jeweiligen Level weiss jedes Kind, dass die Welt um es herum nicht perfekt ist. Den ersten Streit seiner Eltern hat es vermutlich schon vorgeburtlich mitbekommen. Es geht also nicht darum, Ihr Kind von der Wirklichkeit abzuschotten. Sagen Sie ihm ehrlich, was es wissen will. Aber (siehe oben) nicht unbedingt alles, was man dazu sagen könnte.
Bei Älteren kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu: Helfen Sie Ihrem Kind, Falschnachrichten, Übertreibungen oder Verharmlosungen als solche zu erkennen. Dazu gibt es kompetente Helfer im Netz wie die Webseite «Mimikama», die Desinformationen rund um den Ukraine-Krieg erklärt.
Schaffen Sie schöne Momente
Es hilft niemandem, wenn Sie und Ihre Familie wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange erstarren. Der Krieg in der Ukraine ist entsetzlich, und es ist sinnvoll und richtig, mit Ihrem Kind darüber zu reden. Genauso wichtig ist es aber, mit Ihrem Kind zu lachen, zu spielen, zu singen und das Leben zu geniessen. Das fühlt sich nach einem einstündigen Hintergrundbericht im Fernsehen vielleicht verkehrt an, aber etwas Besseres gibt es nicht. Denn so dramatisch die Berichte aus der Ukraine sind: Es ist nicht die ganze Wahrheit. Immer noch verlieben sich Menschen. Immer noch wird es Frühling. Und immer noch zeigt uns Gott seine Liebe.
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Datum: 02.03.2022
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet