Michael Schophaus

«Ich wollte so schreiben wie die Jungs aus der Bibel»

Michael Schophaus
Michael Schophaus hat die Henri-Nannen-Schule besucht, war Journalist beim «Stern» und reiste als Reporter um die ganze Welt. Nun hat er ein Buch über seinen Glauben geschrieben. Die Gründe erzählt er im Interview.

Herr Schophaus, Sie sind als Journalist viel herumgekommen, warum haben Sie jetzt ein Buch über die Geschichte Ihres Glaubens geschrieben?
Michael Schophaus: Das war lange in mir. Das Buch heisst «Gott kann manchmal ganz schön blöd sein. Die Geschichte eines Zwiespalts» und ebenso ein Auf und Ab war auch der Weg dorthin. Ich bin aus der Kirche ausgetreten und glaube dennoch. Ich habe meine Kritik an der Kirche, vermisse sie, aber fühle mich auch wohl damit, dass ich sie verlassen habe. All das versuche ich, im Buch zu erklären.

Wie haben Ihre Kollegen auf Ihr Bekenntnis reagiert?
Positiv. Ich war immer schon ehrlich mit meiner Geschichte, vor allem dann, wenn ich Bücher geschrieben habe. Niemand wundert sich also darüber, dass ich meine Gefühle offenbare. Ich habe insbesondere von Menschen aus meiner Generation gehört, dass sie sich in dem, was ich über den Glauben schreibe, wiedererkennen. Wie ich wurden sie als Kinder nicht gefragt, ob sie religiös sein wollen. Wir bekamen ein Kännchen Wasser über den Kopf und dann war das klar. Ich wohnte damals gegenüber einer Kirche, mein Vater war im Kirchengemeinderat. Der Weg, die katholische Karriere, war vorbestimmt. Heute ist das anders. 

Auch wegen der Bibel in den Journalistenberuf

Sie schreiben, dass Sie einst Geistlicher werden wollten, dann wechselten Sie den Berufswunsch: «Ich wollte so schöne Geschichten wie die Jungs aus der Bibel schreiben.» Warum sind Sie Journalist und kein Pfarrer geworden?
Das mit dem Pfarrer hatte sich schnell erledigt, als die ersten Mädels in meinem Leben wichtig wurden. Das war eigentlich eher der Wunsch meiner Oma, die die grosse Heldin meiner Kindheit war. Sie hat acht Kinder grossgezogen und zwei Weltkriege durchgemacht. Sie hätte es gerne gesehen, wenn ich Pfarrer geworden wäre. Ich glaube, dass auch die Bibel und die Auseinandersetzung mit ihren Worten mich am Ende dazu gebracht haben, dass ich Journalist wurde. Die Geschichten haben mich umgehauen, allen voran die von Abraham, der mal eben seinen Sohn opfern sollte. Mir hat nie jemand erklärt, wie das zu deuten war, ich musste mir alles mit Neugier selbst zusammensuchen. Genauso wie die Frage, warum Adam als erster Mensch einen Nabel hat. Das ist doch einigermassen journalistisch, oder?

Dennoch sind Sie vor einigen Jahren aus der Kirche ausgetreten, Sie beschreiben das so: «Ich ahnte, ach, ich wusste, ohne die Kirche würde mein Glauben wie ein Haus ohne Dach sein. Ich hoffte nur, die Mauern würden halten.» Warum sind Sie denn trotz dieser Sorge ausgetreten?
Das war vor acht Jahren. Wie bei vielen anderen auch war der Hauptgrund die zahlreichen Skandale. Ich wollte keine Steuern mehr bezahlen, beendete die Geschäftsbeziehung mit Gott und spendete das Geld lieber für eine syrische Familie im Bürgerkrieg. 

Sie haben vor 25 Jahren ein Kind verloren, wurden einige Jahre später geschieden…
Ja. Aber ich bereue oft den Schritt meines Austritts. Die Kirche fehlt mir und sie fehlt mir immer mehr, je älter ich werde. Nächstes Jahr werde ich 70 und ich denke, ich werde demnächst das Gespräch mit einem Pfarrer suchen, gegenüber dessen Kirche ich wohne. Es ist eine evangelische Kirche, also werde ich vielleicht konvertieren. Ich weiss, wenn ich eines Tages auf dem Sterbebett liege, werde ich nach einem Geistlichen rufen. Ich habe auch nach wie vor eine Sehnsucht nach biblischen Werten. Respekt, Achtung, Gerechtigkeit… das alles bewegt mich, weil diese Werte der Welt gerade verdammt guttun würden. 

Also hat das Haus ohne Dach nicht gehalten? Sie schreiben doch in Ihrem Buch, für den Glauben braucht es keine Kirche…
Tja, da sehen Sie, warum im Buchtitel vom Zwiespalt die Rede ist. Ich bin da nach wie vor sehr unentschieden. Natürlich bin ich nicht wegen der Kirche Christ, sondern weil ich getauft bin. Nächstenliebe geht auch ohne Kirchensteuer. Ich glaube an die Kraft des Glaubens, und ja: Dennoch fehlt mir die Kirche.

Sie lieben Kirchen. Sie beten dort, zünden Kerzen an, besuchen Gottesdienste. Was fasziniert Sie bis heute daran?
Ich mag es, die Stille zu hören. Man geht aus dem Trubel einer grossen Stadt, egal, in welchem Land der Welt, in eine Kirche und sofort kommt man zur Ruhe. Ich spüre dort Gott. Unbedingt. Das ist schön. 

Fühlen Sie sich als glaubender Journalist manchmal allein auf weiter Flur? So beschreibt das ja etwa Ihr Kollege Tobias Haberl in seinem Buch «Unter Heiden».
Es gab scheinbar kaum gläubige Journalisten, als ich anfing, dennoch erlebte ich Begegnungen mit dem Glauben. Ich habe bei Wolf Schneider an der Henri-Nannen-Schule gelernt, viele nennen ihn den Sprachpapst. Obwohl er sich selbst als Atheist bezeichnete, hat er mir die Bibel wieder nähergebracht. Er bewunderte die klare Sprache der Bibel, die starken Sätze, die kraftvollen, einfachen Worte. Ich werde nie vergessen, wie er den Einstieg in eine Reportage lobte: «Diesen Satz müssen Sie verinnerlichen.» Es ging um ein Passionsspiel, der Einstieg lautete: «Wir trafen Jesus in der Mittagspause, kurz vor der Kreuzigung.» Wolf Schneider stand vor der Klasse, zitierte den Satz und rief «Halleluja!». Dabei hatte er gar nichts mit der Kirche zu tun.

Danach wurden Sie zunächst Sportreporter beim «Stern» und nennen das eine «gottlose Zeit».
Nicht für mich persönlich, aber ich hatte schon den Eindruck, dass ich mein Gewissen da morgens beim Pförtner abgegeben habe, bevor ich die Redaktion betrat. Es war ein Tummelplatz der Eitelkeiten und Glaube hatte da keinen Platz. Das war ein paar Jahre nach der Zeit, als der Skandal um die erfundenen Hitler-Tagebücher den «Stern» erschüttert hatte. Man wollte unbedingt wieder Auflage machen. Ich sage immer: Man bewarf sich im Flur mit Schreibmaschinen und hätte selbst seine Mutter für eine gute Geschichte verraten. Ein Ressort nannte man spasseshalber Witwenschüttler und Sargdeckelöffner, naja, ich war als junger Journalist komplett überfordert. Habe versucht, das Spiel mitzuspielen und auch Dinge getan, die ich heute bereue. Einmal habe ich ein Porträt über einen Weitspringer geschrieben und habe mich in etwas verächtlicher Weise an seinem christlichen Glauben entlanggehangelt. «Der Gott im Weitsprung kommt aus einem Reihenhaus in Ratingen-West», hatte ich geschrieben. Oder: «Gott verleiht ihm die Kraft. Vergibt sein Körper auch die Sünden?» Das wurde gedruckt, was mich bis heute wundert. Ich wollte dabei sein, habe aber gemerkt, dass ich den Glauben nicht in dieser Weise thematisieren konnte.

Hat sich der Journalismus verändert?
Ja. Ich arbeite heute als freier Journalist. Und merke immer wieder, dass Religion im Gegensatz zu früher einen grösseren Stellenwert hat. Da ist mehr Offenheit, vielleicht auch, weil Leute wie Donald Trump Religion für ihre Zwecke vereinnahmen und die Menschen hellhörig werden. Ich glaube, heute wird der Wunsch endlich wieder stärker, sich für Werte einzusetzen.

Trotz Leid: «Ich glaube an den Glauben»

1999 starb Ihr vierjähriger Sohn Jakob an Krebs. Sie beschreiben in Ihrem Buch sehr ausführlich, wie diese Zeit Sie von Gott entfernt hat: «Der da oben hat uns im Stich gelassen.» Fühlt es sich heute immer noch so an?
Nein, da hat sich viel verändert. Ich war damals wütend und erkenne mich im Nachhinein gar nicht wieder. Das ist jetzt 25 Jahre her. Ich habe mein Tagebuch aus dieser Zeit als Buch veröffentlicht («Im Himmel warten Bäume auf dich. Die Geschichte eines viel zu kurzen Lebens.», Anm. Red.) und viele haben es gelesen. Noch heute bekomme ich Briefe von Menschen, die Ähnliches erlebt haben, oder die mein Buch derart bewegt hat, dass sie Ärzte und Krankenschwestern geworden sind. Also da ist aufgrund der Umstände auch Gutes geschehen – und das sehe ich jetzt immer mehr. Das Leben hat es mir manchmal sehr schwer gemacht, an Gott zu glauben. Aber ich habe mein Seelenheil gefunden. Mein Kind lebt in der Erinnerung weiter und dabei hat bestimmt auch Gott seine Finger im Spiel. Bei allen Zweifeln, die ich bis heute habe und mit denen ich lebe: Ich glaube an den Glauben. 

Dieser Artikel erschien auf Pro Medienmagazin.

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Datum: 26.03.2025
Autor: Anna Lutz
Quelle: Pro Medienmagazin

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