«Wir lassen uns stören»
Der Gründer der Heilsarmee, William Booth, schockte 1910 an einer Weihnachtsfeier in London die Teilnehmenden. Statt der Einladung zu folgen, sandte er ein Telegramm. Darauf stand ein Wort: «Others» (andere). Das wurde der Heilsarmee zum Vermächtnis. Gerechtigkeit muss den Blick auf andere haben; Barmherzigkeit will den anderen im Blick haben. «Haben wir diesen Blickwinkel?», fragte Daniel Imboden, CEO der Stiftung Heilsarmee Schweiz, in seinem Grundsatzreferat.
Ein Punkt fasste das Thema treffend zusammen: «Wir lassen uns stören. Die Heilsarmee schafft einen Platz für Menschen, die sonst stören.» Das war schon bei William Booth der Fall, denn die von ihm eingeladenen Menschen haben in der Kirche wegen ihrer Ausdünstung gestört. Daher startete Booth selber einen Gottesdienst. Daniel Imboden ermutigte dazu, dass wir uns auch heute nicht abweisen oder zurückdrängen lassen von dem, was stört: «Störungen haben Platz und sind auch Chancen.»
Es geht nur im Miteinander
Rund 100 Schlüsselpersonen aus Kirchen, christlichen Verbänden, theologischen Schulen, sozialen Werken und Organisationen nutzten das Leiterinnen- und Leiterforum im Ländli in Oberägeri, um 24 Stunden in vertrauensvolle Beziehungen zu investieren. Die Ausgangslage war klar: Barmherzigkeit und Gerechtigkeit als integralen Bestandteil der Mission stärken. Der Dienst an der Gesellschaft soll zur gemeinsamen Aufgabe werden. Sich den Ärmsten und Ausgegrenzten zuwenden und für die Veränderung von ungerechten gesellschaftlichen Strukturen einsetzen. Die Schlüsselpersonen engagieren sich bereits im In- und Ausland mit viel Leidenschaft in sozialen Institutionen, Schulen, Kliniken und in der Entwicklungszusammenarbeit. Dieses Engagement soll noch mehr verbunden werden: Es geht nur im Miteinander. Niemand ist so reich, dass er nicht etwas nötig hätte. Niemand ist so arm, dass er nichts zu geben hätte. Wir brauchen Ergänzung, wir alle haben etwas zu geben.
Thema praktisch umgesetzt
Das Thema Barmherzigkeit und Gerechtigkeit blieb am Forum nicht nur Theorie. Mit verschiedenen Aktionen wurden Akzente gesetzt. So mit einem «Weltessen», wo es verschiedene «Menüs» gab: für die Armen einen Eintopf, für die mittleren Einkommen einen Drei-Gänger und für die Reichen einen Fünf-Gänger. Damit wurden alle spielerisch für die Besitzverhältnisse auf der Welt sensibilisiert. Dann versuchte die Schauspielerin Babs Stähli, die Gäste zum Thema Barmherzigkeit hinters Licht zu führen. Sie hatte gleich beim Eingang als Bettlerin verkleidet auf einem Bänkli geschlafen und gefroren. Viele sind weitergegangen oder haben sie nicht gesehen. Sie hat aber auch Tee oder Einladungen zum Begleiten erhalten. Schliesslich konnten die Teilnehmenden auf einem «Emmausweg» jeweils zu zweit unterwegs sein, um das Herz und die Gedanken zu einem Schriftwort aus Matthäus 25 zu teilen.
Zum Thema:
Dossier: Leadership
Mission in der Schweiz: Gemeinsam das Netz auswerfen
Datum: 11.12.2024
Autor:
Markus Baumgartner
Quelle:
each.ch