Die Neuapostolische Kirche

Entstehung und Entwicklung In den 1830ern glaubte man in den katholisch-apostolischen Gemeinden, mit der Berufung von zwölf neuen Aposteln auf die erwartete Wiederkunft Christi vorbereitet zu sein. Die Gruppe geriet aber 1855 nach dem Tod dreier Apostel in eine Krise, aus der 1863 in Hamburg zunächst die "Allgemeine christlich apostolische Mission" und später die "Neuapostolische Gemeinde" hervorging (seit 1907 offizielle Bezeichnung, seit 1930 "Neuapostolische Kirche"). Im Verlauf der weiteren Entwicklung der Neuapostoliche Kirche kam es zu wiederholten Abspaltungen. Eine tiefe Krise, aus der auch mehrere Abspaltungen hervorgingen, erlebte die Neuapostolische Kirche nach dem Tod ihres Stammapostels Johann Gottfried Bischoff (1960). Bischoff, der 1930 das Stammapostelamt antrat, verkündigte, Christus werde noch zu seinen Lebzeiten wiederkommen. Diese "Botschaft" genannte Aussage wurde zum neuapostolischen "status confessionis". Amtsträger, die diese anzweifelten, wurden ihrer Ämter enthoben. Beitrittswillige wurden vielerorts erst nach einem Bekenntnis zur "Botschaft" in die Kirche aufgenommen. Als Bischoff starb und die Wiederkunft Jesu nicht eingetreten war, wurde seitens des Apostelkollegiums behauptet, Gott habe "seinen Willen geändert" - ein Irrtum seitens des Stammapostels Bischoff wurde ausgeschlossen. Heute lautet der offizielle Standpunkt zu diesem Thema, man könne letztlich nicht feststellen, ob diese Botschaft von Gott kam oder nicht. Dem Stammapostel spricht man in der heutigen Zeit keine Unfehlbarkeit mehr zu. Organisation Die Neuapostolische Kirche kennt als kirchenleitendes Amt das Apostelamt. Die Organisation ist hierarchisch aufgebaut. Oberster Leiter und oberste geistliche Autorität der Kirche ist der "Stammapostel" (Das Stammapostelamt wird als das Petrusamt der Neuapostolischen Kirche verstanden). Gegenwärtiger Stammapostel ist der Schweizer Richard Fehr, dieser wird Pfingsten 2005 in den Ruhestand treten und es wird dann einen Nachfolger geben, welcher noch nicht bekannt gegeben ist. Der Stammapostel ernennt die "Apostel" und kann diese beurlauben bzw. abberufen. Die Neuapostolische Kirche Schweiz ist privatrechtlich organisiert und als Verein im Handelsregister des Kantons Zürich eingetragen. Der Sitz und die Verwaltung - auch der internationalen Neuapostolische Kirche, befinden sich in Zürich. Schweizer Kirchenpräsident ist Armin Studer. Er und die übrigen für die Schweiz zuständigen drei Apostel bilden den Vorstand und sind Mitglieder der Neuapostolische Kirche International, die vom Stammapostel geleitet wird. Heute hat die Neuapostolische Kirche weltweit rund 10,6 Millionen Anhänger (Stand: 31.12.2003). In der Schweiz zählt sie nach eigenen Angaben knapp 35'000 Mitglieder in 229 Gemeinden und 21 Bezirken. Die Zahl der Gemeinden wächst aufgrund der engagierten Missionstätigkeit vor allem in Afrika stetig an, wo die Neuapostolische Kirche heute einen Grossteil ihrer Mitglieder hat. Weltweit gibt es über 300 Apostel. Lehre Die Neuapostoliche Kirche sieht sich als die Fortsetzung der apostolischen Urkirche, das Erlösungswerk Christi heute, und ist auf die nahe Wiederkunft Christi, die "Erste Auferstehung" ausgerichtet. Ziel der neuapostolischen Christen ist es, an der "Ersten Auferstehung" teilzunehmen. Nach dem Verständnis der neuapostolischen Kirche ist für die Vorbereitung der Seelen auf dieses Ereignis das Apostelamt notwendig. Die Neuapostoliche Kirche kennt die "Heilige Wassertaufe", das "Heilige Abendmahl" und die "Heilige Versiegelung". Taufe und Versiegelung werden an jedem Mitglied einmal vollzogen. Durch die Taufe wird nach neuapostolischem Verständnis der "Bund eines guten Gewissens mit Gott" geschlossen. Sie bewirkt ausserdem die Befreiung von der "Erbsünde", die Versiegelung wird als Spendung des heiligen Geistes verstanden und kann nur durch Handauflegung eines lebenden Apostels durchgeführt werden. Eine besondere Rolle in der Lehre spielt das Entschlafenenwesen. Dreimal jährlich findet ein Gottesdienste für Entschlafene statt, in welchen verstorbene Menschen, die nicht neuapostolisch waren, getauft und versiegelt werden. Dazu werden stellvertretend zwei neuapostolische Amtsträger durch den Stammapostel oder durch Bezirksapostel getauft bzw. versiegelt, die den Verstorbenen als Medium dienen. In gleicher Weise wird in Gottesdiensten, die von Bezirksaposteln oder vom Stammapostel geleitet werden, jeden Sonntag den toten Neuapostolischen das Abendmahl gespendet. Praxis Die Gottesdienste der Neuapostolischen Kirche sind diszipliniert, geregelt und formell. Die Liturgie ähnelt heute der der protestantischen Kirchen. Von den in den Kirchenbüchern registrierten Mitgliedern besuchen je nach Gemeinde 20 bis 70 % regelmässig die Gottesdienste. Soweit das der Fall ist, beteiligen sie sich rege am Gemeindeleben und zeichnen sich durch ein ausgeprägtes Zusammengehörigkeitsgefühl wie in einer grossen Familie aus. Bewertung Die Neuapostolische Kirche versucht, ein an der Bibel orientiertes christliches Leben zu vermitteln. Sie ist aber sehr autoritär organisiert. Insbesondere der Stammapostel ist mit einer Aura des geistgeleiteten Übermenschen umgeben. Die Mitglieder der Neuapostolischen Kirche werden deshalb stärker an menschliche Autoritäten gebunden als zu mündigen Christen erzogen. Das Amt des Stammapostels ist ausserdem nicht in der Bibel begründet, so wenig wie das Amt des Papstes. Das Amt des Stammapostels wie auch das Apostelamt im neuapostolischen Verständnis verschaffen der Führung eine Macht über menschliche Seelen, die nicht mit einer neutestamentlich verstandenen Freiheit des Christenmenschen zu vereinbaren ist. Konsequenterweise fehlt in der Neuapostolischen Kirche denn auch weithin der Wille, die Mitglieder zur selbständigen Bibelauslegung zu führen. Vielleicht ist das eine Erklärung dafür, dass Neuapostolen oft nicht als sehr glaubwürdige Christen wahrgenommen werden. Gerade ihre Geschichte hätte die Neuapostolische Kirche dazu führen müssen, die Heilsgewissheit der Mitglieder weniger ans "Amt" zu binden. Denn Johann Gottfried Bischoff hat gezeigt, wie massiv ein Stammapostel irren kann. Nach dem Neuen Testament sind auch Apostel nicht irrtumsfrei. Ihr "Erkennen ist Stückwerk". Ohne biblische Grundlage ist auch die neuapostolische Praxis der Versiegelung und der stellvertretenden Taufe und des Abendmahls für Verstorbene. Die Praxis mag zwar einem Wunsch der Mitglieder gerecht werden. Die Bibel wendet sich jedoch gegen Absichten, die Lage von Verstorbenen durch sakrale Handlungen zu verändern. Die Versiegelung andererseits schafft eine falsche Sicherheit, den Heiligen Geist durch eine rituelle Handlung empfangen zu können. Der Empfang des Heiligen Geistes geschieht nach neutestamentlichem Verständnis im Zusammenhang Umkehr, Vergebung und Neuwerdung (Wiedergeburt). Dies schliesst besondere Erfahrungen mit dem Heiligen Geist Geist nicht aus. Das Wirken und Empfangen des Geistes ist aber an den Glauben gebunden. Wenig biblisch ist auch der exklusive Anspruch der Neuapostolischen Kirche. Sie sieht sich grundsätzlich als allein wahre Kirche, da in ihr das Apostelamt wieder lebendig wurde, auch wenn sie andern Konfessionen eine Verbindung zu Gott nicht rundweg abspricht. Sie isoliert sich damit gegenüber den Christen in Landes- und Freikirchen und verstösst damit gegen die biblische Sicht vom einen "Leib Christi". Allerdings gibt es Bestrebungen, diese Distanz zu verkleinern. So wurde Ende Januar 2006 bekannt gegeben, dass man jetzt auch Taufen anderer Kirchen anerkenne, soweit diese im Namen des dreieinigen Gottes durchgeführt worden sei. (Lesen Sie unsere Meldung auf www.livenet.ch/www/index.php/D/article/414/29319 ) Literatur
NAK
Das Verwaltungsgebäude der NAK in Zürich.

Oswald Eggenberger: Die Neuapostolische Gemeinde: Ihre Geschichte und Lehre dargestellt und bewertet, 1953
Eduard Gerber: „Sekten, Kirche und die Bibel im neuen Jahrtausend, S 45-52, 1999, ISBN 385654822X
Lothar Gassmann: „Neuapostolische Kirche: Gibt es wieder Apostel?, ISBN 3933828708

Links zum Thema:
Wollen die Neuapostolen nicht mehr alleinseligmachend sein?

Datum: 17.06.2005
Quelle: Wikipedia, Relinfo, Inforel

Verwandte News
Werbung
Werbung
Livenet Service