«Ich behauptete immer, frei zu sein»
«Mein Vater war nicht so viel zu Hause, wie ich es mir gewünscht hätte und irgendwann wünschte ich mir, mein Vater wäre etwas mehr Winnetou oder Old Shatterhand gewesen als ein langweiliger Pfarrer.» Trotzdem blickt der Pfarrerssohn Micha Bös (*1971) auf eine gutes Elternhaus zurück. Und doch wurde schon sehr früh der Rebell in ihm geweckt.
«Ich bin dagegen, egal worum es geht»
Die Jugendjahre von Micha standen voll unter dem Motto, den auch «Die Ärzte» in ihrem Song «Rebell» ausdrückten: «Ich bin dagegen, egal worum es geht.» Dem schloss sich der Deutsche an und war schlicht gegen alles, wofür «die anderen» standen. Und wie auch «Die Ärzte» nannte er diese Haltung «Freiheit». Lange Zeit glaubte er sogar, in seinem Lebensstil tatsächlich Freiheit zu finden.
Früh begann Micha, sich auf Baustellen etwas Geld zu verdienen. «So kam ich in Kontakt mit Alkohol und merkte, dass die Jungs es cool fanden, wenn ich soff.» In dieser Zeit war Jesus für Micha so etwas wie ein friedlicher «Revoluzzer» und Gott gehörte auch irgendwie dazu. «Im kleinen Dorf, wo ich aufwuchs, ging jeder in die Kirche. Das war einfach normal.» Das war Grund genug, der Kirche nach der Konfirmation fern zu bleiben. Er wollte ja nicht sein wie die andern. «Ich wollte etwas Besonderes sein und hängte den harten Typen raus.»
Punk, Berlin und Weltenbummler
Von den Indianern fasziniert, ging Micha in die Punkszene – natürlich mit Irokesenfrisur. Er liebte es zu rebellieren, konsumierte bald grosse Mengen Alkohol und rutschte in die harten Drogen. «Ich wollte immer ganze Sache machen.» Als sich seine Freunde wegen Drogenverkauf und -beschaffung zu bewaffnen begannen, wurde es ihm dann aber doch zu viel. Er haute ab nach Spanien und machte einen eigenen Drogenentzug, doch das Leben schien danach noch genauso öde wie zuvor.
Auf der Suche nach dem Abenteuer zog er nach Berlin und lebte in besetzten Häuser, war in der Punkszene unterwegs unter dem Motto: «Mach kaputt, was dich kaputt macht». Er verkaufte Autos in Afrika und konsumierte bald wieder Drogen. Nach einem Zivildiensteinsatz – Micha machte diesen, um etwas zu tun, was Punks sonst nicht tun – reiste er nach Südamerika. «Ich wollte vom langweiligen Europa wegzukommen und plante, dass meine 6000 Franken für zwei Jahre reichen sollten.» Es waren wilde, abenteuerreiche Jahre.
Sehnsucht nach innerem Frieden
In Südamerika begann er sich vermehrt zu fragen, wer er eigentlich war. Konnte es sein, dass sein Leben nur unter Drogen erträglich schien? Auf seinen Reisen war er wiederholt in Lebensgefahr, was zusätzliche Fragen nach dem Sinn seines Lebens aufwarf. Schliesslich musste er erkennen: «So wie ich bin, finde ich keinen inneren Frieden.»
Zum 30. Geburtstag schenkte ihm sein Vater aus heiterem Himmel einen Klosteraufenthalt für ein Wochenende und irgendwann nahm er das Angebot an. «Es gab keine Drogen, kein Alkohol, keine Ablenkung.» Stattdessen traf Micha auf Menschen und stellte fest, dass diese etwas haben, was sie glücklich macht. Erstmals spürte er einen «inneren Frieden».
Keine Flucht mehr vor sich selbst
Michas Schwester und Schwager versuchten, Micha aus der Grossstadt und weg von seiner Clique zu bekommen. Sie luden ihn in die Schweiz ein, wo er trotz seiner Vergangenheit und Alkoholprobleme wie durch ein Wunder sofort Arbeit, Wohnung und einen neuen Freundeskreis fand. Kurzzeitig war er sehr glücklich und er strengte sich an. «Nach eineinhalb Jahre wurde mir aber wieder alles langweilig, ich wollte wieder weg.»
Inzwischen erkannte er aber, dass ein Weiterziehen letztlich nur eine Flucht vor sich selbst wäre. Dass dies nicht funktionierte, hatte er oft erfahren. «Mein Schwager kümmerte sich sehr um mich, ging oft mit mir etwas Trinken und erzählte von seinem Glauben.» Irgendwann lud er Micha in ein christliches Camp der FEG ein: «Mach doch mal was anderes als nur Saufen und Sport. Viele hübsche Frauen hat es da auch.» So köderte er ihn.
Ein Camp, ein Wendepunkt
«Ich merkte sofort, dass diese Leute anders waren als alle, die ich bisher kannte.» Das Motto «Immer nur ganze Sachen machen» galt für ihn auch hier. Deshalb lies er sich auch auf die Inputs ein. Irgendwann bot ihm seine Schwester an, für sich beten zu lassen. Auf unerklärliche Weise wurde Micha zutiefst bewegt. Bei einem späteren Input fühlte sich Micha angesprochen. «Das geht ja um mich», schrie es in seinem Herzen. Sein hartes, kaltes Herz wurde erwärmt und von Liebe durchströmt. Das brachte ihn durcheinander.
Als nach einem Input der Aufruf erfolgt, dass alle, die ein «Kind Gottes» werden wollten, nach vorne kommen sollen, stand Micha sofort auf. Der Prediger setzte ihm symbolisch eine Krone auf den Kopf (als Königskind) und sagt: «Willkommen zu Hause, Micha!» In diesem Moment wusste er, dass er angekommen war. «Ich konnte die Mauern meines Herzens abreissen und vor dem König der Könige sein wie ich bin: verletzlich aber geliebt.»
Echte Freiheit gefunden
«Obwohl ich immer behauptete, frei zu sein, merkte ich jetzt, wie gefangen ich die ganzen Jahre gewesen bin.» Jetzt erfuhr er echte Freiheit und Annahme bei Gott. Das war das Grösste, das er jemals erlebt hat. «Stets versuchte ich, eine Fassade aufrechtzuerhalten. Durch Gottes Liebe wurde ich frei, ich selbst zu sein. Früher nannten Bekannte mich 'Eisschrank', da ich innerlich kalt war. Doch dann bekam ich auf einmal Komplimente, dass ich ein 'warmes Herz' habe. Menschlich ist das unerklärlich.»
Die Freiheit und die Erfahrung von Gottes Liebe sind Micha seit dreizehn Jahren geblieben. Inzwischen ist er verheiratet, Vater einer Tochter und arbeitet als Ingenieur in einem Planungsbüro. Herausforderungen kennt er noch immer. «Die Verbundenheit mit Jesus hält mich aber über Wasser.» Micha liebt es, von seinem Wandel zu berichten und junge Menschen zu ermutigen, sich auf Jesus einzulassen.
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Datum: 07.06.2021
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet / prisma.tv