In Europa fand er Antworten auf alle Zweifel
Ich bin im Jemen aufgewachsen, meine Familie gehörte einer schiitischen Islamsekte (Ismaili) an. Ich wünschte mir immer eine geistliche Beziehung zum Gott des Islam, damit ich mich nicht allein fühle und damit Allah mir bei meinen inneren Kämpfen hilft. Ich wollte dem Gott des Islam gefallen, also versuchte ich, fünfmal am Tag zu beten wie es ein guter Muslim tun sollte. Es fiel mir sehr schwer, besonders in den Wintermonaten, weil es nur ein Ritual war, morgens aufzuwachen und lustlos die vorgeschriebenen Gebete aufzusagen. Aber wenn ich nicht betete, hatte ich ständig diese Angst im Herzen – Angst, dass Allah mich nicht akzeptieren würde. Es war eine Erleichterung, als ich 2011 Betriebswirtschaft an einer Universität studierte und Abstand von meiner Familie bekam, denn mein Vater war die ganze Zeit wütend auf mich…
Die Pilgerreise
2014 überraschte mein Vater meine Mutter mit einer Reise nach Saudi-Arabien – nach Mekka und Medina, die heiligsten Orte des Islam. Und ich sollte sie dabei begleiten. Ich war sehr aufgeregt, weil ich die Kaaba in Mekka, das Haus Allahs, besuchen durfte und hoffte, dort eine spirituelle Begegnung mit Allah zu haben.
In Mekka angekommen, zogen wir uns weisse Kleidung an, gingen sieben Mal um das Haus Allahs herum und tranken das heilige Wasser Zamzam. Während wir das schwarze Haus des islamischen Gottes sieben Mal umliefen, beobachtete ich einen faszinierenden Hotelturm in der Nähe, der aussah wie der Big Ben – aber mein Onkel, ein Imam, fuhr mich an, ich solle dieses Gebäude nicht ansehen, weil es den Teufel darstelle; ich sollte mich nur auf das schwarze Gebäude konzentrieren, in welchem Allah lebt. In dem Moment begann ich zu überlegen: Wenn Allah ein Haus hat, warum ist er dann nur in diesem schwarzen Gebäude, der Kaaba verfügbar? Warum ist er nur hier und ich darf noch nicht einmal hineingehen? In diesem Moment kamen mir viele Fragen in den Sinn. Gleichzeitig hatte ich grosse Angst, weil im Koran steht, dass man keine Fragen zu diesen Dingen stellen soll. Äusserlich betete ich weiter, aber mit dem Herzen war ich nicht mehr dabei.
Nach einem Monat kehrten wir nach Jemen zurück. Ich erzählte den Leuten stolz von der Reise, aber innerlich hatte ich viele Zweifel. Wenn ich betete war es, als ob die Gebete nur bis an die Decke gingen und wieder zurückkamen. Bald wurde ich Atheist, aber ich erzählte niemandem davon, denn ich war dadurch ein Abtrünniger und das wird im Jemen mit dem Tod bestraft.
Ein Schatz im Flüchtlingslager
Im Februar 2017 kaufte ich einem Mann auf der Strasse einige gebrauchte Bücher ab – darunter war ein Neues Testament. Doch ich las es nicht, weil ich viel zu beschäftigt damit war, meine Ausreise aus Jemen zu organisieren. Über Malaysia, Singapur, Iran und die Türkei gelangte ich auf illegalem Weg über das ägäische Meer endlich nach Chios, Griechenland. Die Polizei brachte uns in das überfüllte Flüchtlingslager Vial. Drei Monate lang schlief ich auf der Strasse in einem Zelt, das ich aus einer Decke gemacht hatte.
Dort begegnete ich einem Syrer, der ein Kreuz tätowiert hatte. Ich sprach ihn darauf an und er erzählte mir von Jesus und lud mich zu einem Bibelstudium bei einem deutschen Missionar ein. Dort folgte ich einer Einladung in eine griechisch-apostolische Kirche, wo die Leute auch Arabisch sprachen. Ich war immer noch Atheist – aber mich beeindruckte, wie glücklich diese Menschen waren, so friedlich und fröhlich; sie sangen und lobten Gott. Ein Mann aus Norwegen schenkte mir hinterher ein Neues Testament. Zurück im Flüchtlingslager begann ich, es zu lesen.
Sofort zog mich der Charakter von Jesus an. Ich las die Bergpredigt und war völlig überrascht von den Lehren Jesu – ich las diese Kapitel gleich mehrmals hintereinander. Als Muslim im Jemen hatte ich noch nie eine Lehre wie diese gehört. In diesem Moment sagte ich mir: «Das sind die Worte Gottes!» Gespannt ging ich am nächsten Sonntag wieder in die Kirche. Nach der Predigt fragte der Pastor: «Wer möchte Jesus als seinen Herrn und Retter annehmen?» Ich hob vor Glück die Hände und er fing an, für mich zu beten. Es war ein wunderschönes Gefühl! Ich war so glücklich und voller Freude! Selbst als ich zu den schlechten Bedingungen und der schwierigen Situation zurück ins Camp ging, störte mich das nicht mehr, weil ich einen neuen Schatz gefunden hatte: die Bibel und Jesus Christus.
Neue Aufgabe, neue Bedrohung
Bald begann ich, anderen Menschen im Lager von Jesus zu erzählen. Ich wurde zum offiziellen Übersetzer verschiedener Missionsteams aus den USA und Kanada, die den Flüchtlingen Lebensmittel und Hilfsmittel verteilten, und veröffentlichte auch in den Sozialen Medien Videos über meinen neuen Glauben. Das gefiel meinen Freunden im Lager überhaupt nicht. Zunächst wollten sie mich überzeugen, zum Islam zurückzukehren. Dann bekam ich Morddrohungen. Und sogar Youtuber aus dem Jemen und anderen Ländern veröffentlichten Hassvideos gegen mich. Nach der Veröffentlichung meines Taufvideos ein Jahr später wurde sogar meine Familie im Jemen – die meine Bekehrung ebenfalls ablehnte – in ihrem Dorf verfolgt. Als ich in Griechenland auf offener Strasse von jemenitischen Flüchtlingen angegriffen wurde, kaufte mir das Missionsteam im Juni 2019 ein Flugticket und ich gelangte über Umwege nach England, wo ich jetzt lebe.
Auch heute bekomme ich noch Morddrohungen und weiss nicht, wie lange ich noch leben werde. Aber ich möchte die Zeit nutzen, um Muslimen und Nicht-Muslimen die gute Nachricht von Jesus Christus weiterzugeben. Ich will ein Jünger von Jesus sein, möchte wachsen, lernen und versuchen, so viele Menschen wie möglich auf der ganzen Welt zu erreichen.
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Datum: 21.06.2022
Autor: John Ghanim / Martina Köninger / Rebekka Schmidt
Quelle: Jesus.ch