Ex-Miss America: «Nichts hält Gott davon ab, mich zu lieben»
Schon als kleines Mädchen liebt Kirsten Haglund Ballett. Mit der Musik eins zu werden ist ihre Welt, hierin geht sie auf. Ihr grösster Traum ist, professionelle Tänzerin zu werden. Doch mit 12 Jahren beginnt ihre Welt zu bröckeln: «Bei meiner Mutter wurde Brustkrebs diagnostiziert, mein Bruder entwickelte eine psychische Störung und ich selbst kam in die Pubertät… All die Dinge, die ich bisher gekannt hatte, fielen mit einem Mal in sich zusammen und ich fühlte mich sehr unsicher.»
Auf der Suche nach Erfolg
Sie sucht Zuflucht im Ballett, möchte erfolgreich sein und ist bereit, alles dafür zu tun. Doch als sie einen Ballett-Sommerkurs an einer sehr wettbewerbsorientierten Tanzschule besucht, stellt sie fest: Sie sieht nicht aus wie die anderen Mädchen. Die Mädchen, die es ernst meinen, essen weder Kekse, noch Nachtisch, noch andere Süssigkeiten. Vielleicht ist sie doch nicht fit genug, nicht dünn genug, nicht gut genug, um professionelle Tänzerin zu werden? Alle anderen Mädchen trainieren hart und achten darauf, was sie essen, verzichten auf Fast Food, fettiges Essen, Kohlenhydrate. Und so beginnt auch Kirsten damit. Sie verbringt Stunden um Stunden im Fitnessstudio – und lässt zunächst Fast Food, dann jegliches Fett und Kohlenhydrate beim Essen weg. «Ich erinnere mich noch genau an den Tag, an dem ich bewusst die Entscheidung traf: Ich nahm das Mittagessen, dass mir für den Tag mitgegeben wurde, ging zum Mülleimer und warf es weg. Und ich war sehr stolz darauf!… Ich begann, mir diese Essregeln aufzustellen… und mein Leben drehte sich bald darauf nur noch darum, die Regeln meiner Essstörung zu befolgen.»
«Alles, was ich sah, war Versagen»
Mit 15 Jahren ist sie nur noch ein Schatten ihrer selbst. «Alles, was ich im Spiegel sah, war Versagen!» Doch obwohl beide Eltern von Kirsten Krankenpfleger sind, sehen sie die Anzeichen ihrer Magersucht nicht. «Wenn jemand unter einer Essstörung leidet, funktioniert sein Hirn nicht normal. Man sieht sich selbst als total ekelig. Es geht ums Essen, ums Abnehmen, darum, einen bestimmten Körpertyp zu kreieren, aber es ist so viel mehr: Es ist Sklaverei!» Dann gibt es immer mehr Diskussionen um das Essen, Kirsten verändert sich, ist ständig gereizt, streitet wegen allem und jedem, wird zu einer Tochter, die von ihren eigenen Eltern nicht mehr wiedererkannt wird. An dem Punkt entscheiden sich ihre Eltern, Hilfe aufzusuchen.
Der Plan
Kirsten fühlt sich betrogen. Sie denkt, dass sie einfach daran arbeitet, professionelle Tänzerin zu werden – während ihre Eltern versuchen, sie wieder fett werden zu lassen. Doch dann denkt sie sich einen Plan aus: «Ich dachte, ich werde ihr Spielchen mitspielen. Ich werde einfach ein klein wenig zunehmen, bis sie zufrieden sind und mich in Ruhe lassen und dann kann ich wieder magersüchtig werden…» Doch genau in diesem Moment wird dem jungen Mädchen etwas klar: Sie kann zwar ihre Eltern täuschen, doch Gott kann sie nicht täuschen: «Er sah alles. Er sah die Maske, die ich für die anderen angezogen hatte, aber auch die Kirsten, die so unzufrieden und so traurig, so verängstigt war… Ich wusste, ich kann nicht nur halb besser werden, Gott wollte alles von mir! Doch ich war noch nicht bereit, alles abzugeben…»
Ausser Kontrolle
Sechs Monate später ist Kirsten wieder einmal im Fitnessstudio und powert sich aus. «Ich hatte nicht genug gegessen, strafte mich für irgendetwas, und rannte auf dem Laufrad, immer schneller, immer stärker – und mit einem Mal stolperte ich. Ich wäre beinahe ohnmächtig geworden. Ich setzte mich hin und eigentlich kannte ich jeden Winkel meines Körpers, jede Wunde, jeden Herzschlag – doch mit einem Mal hatte ich die ganze Kontrolle verloren. Das hätte ich mir nie vorgestellt und es beängstigte mich enorm.»
Ungewohnte Wünsche
Und während sie da sitzt, versucht, wieder ganz zu sich zu kommen, hat sie mit einem Mal ein ungewohntes Gefühl: «Nach drei praktisch emotionslosen Jahren kam tief aus meinem Bauch wie ein Vulkan dieser Wunsch herauf: Ich wollte endlich wieder Pizza essen, einen Geburtstagskuchen geniessen, ich wollte reisen, einen Freund haben, mich verlieben, heiraten, geliebt werden, andere Sprachen lernen, mit Freunden ausgehen, wieder mehr für die Schule machen… All diese Wünsche brachen aus dem Nichts heraus: Ich wollte wieder fühlen, wieder ein echter Mensch sein. In dem Moment merkte ich, dass ich mich ändern wollte!»
Worte, die trösten
Kirsten lässt sich in ein ärztlich überwachtes Programm einliefern. Die nächsten zwei Jahre kämpft sie und wird schliesslich wieder gesund. In der Zeit schenkt ihr eine Freundin ein Buch mit vielen Bibelversen. Sie holt eine verstaubte Bibel aus dem Schrank und beginnt, darin zu lesen, insbesondere die Psalmen. «Die Worte Davids waren so wunderschön, so reichhaltig, so wahr… Das waren meine Worte! Es war nicht so, dass hier die Antwort auf meine Probleme wartete, dass ich die Bibel öffnete und las, wie ich meinen Perfektionismus los werde. Aber diese Worte trösteten mich und ich merkte, dass ich nicht allein bin. Jesus reicht mir seine Hand in das dunkle Loch hinunter und sagte mir: 'Ich liebe dich so sehr, dass ich für dich gestorben bin!'»
«Nichts hält Gott davon ab, mich zu lieben»
Mit 17 Jahren macht Kirsten bei einem lokalen Schönheitswettbewerb mit, um dadurch möglicherweise ein Stipendium für die Uni zu erhalten – sie gewinnt, nimmt wenig später an der Wahl zur Miss Michigan und dann als Zwanzigjährige zur Miss America teil und gewinnt auch diese. Doch die heute 28-Jährige weiss jetzt, dass die Schönheitsideale dieser Welt sie nicht definieren. «Wenn du in einer Essstörung gefangen bist, dreht sich alles darum, gewisse Standards zu erfüllen, gewisse Regeln zu erfüllen und sich bei Nichterfüllen dafür zu bestrafen. Doch durch meine Beziehung mit Christus und durch das Wissen, was meine Identität als Kind Gottes ist, habe ich gemerkt, dass Liebe und Annahme ein kostenloses Geschenk sind, das ich mir nie erarbeiten könnte. Gott schenkte mir seine Gnade und ich lernte, dass nichts, was ich je tun könnte, auch keine Gebrochenheit oder kein Versagen, ihn je davon abhalten würden, mich zu lieben!»
Zum Thema:
Godstory - Magersucht
Tabea Germann: «Ich bin dankbar für die dunklen Zeiten»
Befreit von Zwängen: Wie Gott mir aus der Magersucht half
Mirjam Mettler: «Ich muss nicht perfekt sein»
Datum: 08.09.2016
Autor: Rebekka Schmidt
Quelle: Livenet / I am second