Auch dankbar für die dunklen Zeiten
Tabea Germann wird 1984 als Tochter eines Lokführers und einer Pflegefachfrau in Basel geboren. Mit ihrer jüngeren Schwester erlebt sie eine unbeschwerte, glückliche Kindheit. Ihre Eltern und Grosseltern erzählen ihr viel von Gott, und Tabea nimmt auch an Gottesdiensten und kirchlichen Aktivitäten teil. «Ich war ein braves, angepasstes Kind und in der Schule sehr ehrgeizig», sagt sie. Auch in der Pubertät bleibt Tabea pflegeleicht. Doch mit 16 beginnt eine zehnjährige Leidenszeit.
Alles unter Kontrolle?
Auf einmal dreht sich bei der jungen Frau alles nur noch ums Essen – oder ums Hungern. Innerhalb eines halben Jahres verliert Tabea 20 Kilo. «Ich war stets darauf aus gewesen, anderen zu gefallen. Die Magersucht war für mich Mittel und Zweck, selbst zu bestimmen, was ich tue und lasse. Ich allein hatte die Kontrolle», erklärt Tabea. Doch im Griff hat sie damals bald gar nichts mehr. 40 Kilo bringt sie mit ihren 1,75 m noch auf die Waage. Ihre Periode bleibt aus, die Haut wird fahl, die Augen leer, das Haar dünn. Ihre Ausbildung an der Diplommittelschule muss Tabea abbrechen – die Kraft zum Treppensteigen fehlt.
Die unsichtbare Hand
Der Kinderglaube, der sie immer begleitet hat, reicht in dieser schweren Zeit nicht mehr aus. Trotzdem gibt Tabea Gott nie ganz auf. Ein Kärtchen mit einem ermutigenden Bibelvers trägt sie durch die dunklen Jahre. Er steht in den Psalmen, im Kapitel 63, Vers 9 und lautet: «Du fällst nie tiefer als in Gottes Hand. Seine starke Hand hält dich ganz fest.» Unterstützt durch diverse Therapien, schafft es Tabea, die Diplommittelschule abzuschliessen und startet mit 20 die Ausbildung an der Hotelfachschule. Drei Jahre später trifft sie auf ihre erste grosse Liebe. Werni ist fünf Jahre jünger und steckt in der Lehre zum Koch. Als sogenannter «Durchdiener» absolviert er nach der Rekrutenschule seine gesamte Dienstpflicht und ist zuletzt Hauptfeldweibel in Payerne.
Knall auf Fall
Inzwischen arbeitet Tabea als stellvertretende Leiterin Hotellerie/Gastronomie in einem Alters- und Pflegeheim in Muttenz BL. Eines Tages steht die Mutter von Werni mit der Militärpolizei vor der Türe. Tabea erfährt, dass ihr Freund nicht mehr am Leben ist. Aus unerklärlichen Gründen sei Werni in der Nacht auf dem Waffenplatzareal mit 50 km/h in eine Wand gefahren und auf der Stelle verstorben. Tabea, die auch heute die genaue Todesursache nicht kennt, sagt: «Das hat mir den Boden unter den Füssen weggezogen. Werni war mein ein und alles.»
Geliebt – ohne wenn und aber
Tabea ist 26, und eine tiefschürfende Phase von Trauerbewältigung und Selbsterkenntnis beginnt. Sie kann den «liebenden Gott» nicht mehr verstehen. Trotzdem besucht sie sporadisch Gottesdienste. Dabei wird ihr ein Lied des US-Sängers Matt Redman zum Schlüsselerlebnis: «Er singt darin, dass Gott uns im Leben Dinge oder Menschen schenkt, dass er sie uns manchmal aber auch wieder nimmt. Frei übersetzt heisst es dann: 'Mein Herz entscheidet sich, dich (Gott) dennoch zu ehren'. Ich habe damals Gottes bedingungslose Liebe zu mir, seine Treue und seinen Weitblick neu verstehen gelernt. Und ich habe seine guten Zusagen für mein Leben angenommen.»
Von innen her erneuert
Was ihre Magersucht betrifft, sieht Tabea nach bald zehn Jahren Licht am Ende des Tunnels: «Als wir in der Therapie aufhörten, in meiner Vergangenheit herumzustochern und die Zukunft ins Visier nahmen, ging es aufwärts. Die Magersucht war nur die Spitze des Eisbergs. In der Tiefe verbarg sich ein riesiger Klotz, ein Sehnen nach Anerkennung und Liebe. Einfach mehr zu essen, brachte gar nichts. Die Erneuerung musste von innen her beginnen. Heute weiss ich, Gott hat mich wunderbar geschaffen. Ich darf sein, wer und wie ich bin, ohne etwas beweisen oder leisten zu müssen.»
Reich beschenkt
Gott erneuert auch Beziehungen. Das erfährt Tabea im Herbst 2013. Zu diesem Zeitpunkt begegnet sie Jonas. Er ist Ingenieur in Mikro- und Medizinaltechnik. Am 2. Mai 2015 haben die beiden geheiratet. Tabea, die heute bei Livenet und Jesus.ch in der Administration arbeitet, sagt rückblickend: «Ich bin Gott unendlich dankbar, auch für die schweren und dunklen Zeiten in meinem Leben. Er hat mich hindurch getragen und mich vollständig geheilt. Das grösste Geschenk ist für mich mein Ehemann. Durch Jonas spüre ich Gottes Liebe und Geborgenheit hautnah. Er hilft mir vertrauen – auch Gott gegenüber.»
Livenet-Talk zum Thema «Trotz allem dankbar?!»:
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Datum: 16.06.2020
Autor: Manuela Herzog
Quelle: Jesus.ch