Die Frage, die alles veränderte

Der Zusammenbruch unter der Dusche

Er fragte sie jeden Morgen nur eine Frage. Nach zwei Wochen fragte sie ihn das gleiche, mit Tränen in den Augen. Lesen Sie, was die Ehe des US-Autors Richard Paul Evans veränderte.
Richard Paul Evans

Seit Jahren waren meine Frau und ich am Kämpfen. Ich weiss gar nicht mehr so sehr, was uns gegenseitig angezogen hatte, aber unsere Persönlichkeiten passten irgendwie nicht zusammen. Und je länger wir verheiratet waren, um so extremer schienen die Unterschiede. Wir stritten dauernd. Wir griffen uns gegenseitig an und bauten emotionale Mauern um unsere Herzen. Wir waren am Rand der Scheidung und diskutierten sie mehr als einmal.

Ich kann nicht mehr

Ich war auf einer Vortragsreise, als sich alles zuspitzte. Wir hatten gerade am Telefon gestritten und Kerri hatte aufgelegt. Ich war allein, einsam, frustriert und wütend. Das war es.

In diesem Moment wandte ich mich an Gott. Ich weiss nicht, ob man es ein Gebet nennen kann, wenn man Gott anschreit, aber ich werde diesen Moment nie vergessen. Ich stand in der Dusche meines Hotels in Atlanta und schrie Gott an, dass die Ehe eine schlechte Idee ist und dass ich nicht mehr kann. Ich hasste den Gedanken einer Scheidung, aber zusammenleben konnte ich auch nicht mehr. Ich war total durcheinander. Warum war es so schwer, verheiratet zu sein, warum war meine Frau so hart? Wir wollten doch beide das Beste, aber warum schafften wir es nicht? Warum hatte ich eine Frau geheiratet, die so anders war als ich? Warum änderte sie sich nicht?

Es dämmert

Kaputt und zerbrochen sank ich in der Dusche auf den Boden und begann zu weinen. Plötzlich stieg aus der Tiefe meiner Verzweiflung ein Gedanke auf, der wie eine Inspiration war: «Du kannst sie nicht verändern, Rick. Du kannst nur dich selbst verändern.» In diesem Augenblick begann ich wirklich zu beten. «Wenn ich sie nicht verändern kann, Gott, dann verändere mich.» Ich betete bis spät abends. Ich betete den nächsten Tag auf dem Heimflug. Ich betete, als ich die Tür öffnete und eine kalte Frau antraf, die mich kaum wahrnahm. Nachts, als wir im Bett lagen, nur Zentimeter und doch Meilen voneinander entfernt, kam die Inspiration. Ich wusste, was ich zu tun hatte. 

Die Frage

Am nächsten Morgen drehte ich mich im Bett zu Kerri um und fragte sie: «Wie kann ich deinen Tag heute besser machen?»
Kerri schaute mich ärgerlich an: «Was??»
«Wie kann ich deinen Tag besser machen?»
«Das kannst du nicht. Warum fragst du das?»
«Ich meine das ernst. Ich möchte nur wissen, was ich tun kann, damit dein Tag besser wird.»
Sie schaute mich zynisch an. «Wenn du etwas tun willst, geh und mach die Küche sauber.»
Sie erwartete offenbar, dass ich ärgerlich würde. Aber ich nickte nur, stand auf und räumte die Küche auf.

Am nächsten Tag nach der Arbeit fragte ich sie wieder: «Wie kann ich deinen Tag heute schöner machen?»
Ihre Augen wurden schmal. «Räum die Garage auf.»
Ich atmete tief durch. Ich hatte einen vollen Tag hinter mir und wusste, dass sie mich damit ärgern wollte. Aber ich sagte «Okay» und räumte zwei Stunden lang die Garage auf. Kerry wusste nicht, was sie denken sollte.

Am nächsten Morgen fragte ich sie die gleiche Frage. «Nichts kannst du tun. Bitte höre auf mit dieser Frage», erwiderte sie. «Sorry, aber ich kann nicht. Ich habe mir vorgenommen, deine Tage besser zu machen.» «Warum?», fragte sie. «Weil du mir wichtig bist. Und unsere Ehe.»

Das Wunder

Am nächsten Morgen fragte ich sie wieder. Und das jeden Tag. In der zweiten Woche geschah ein Wunder. Als ich ihr die Frage wieder stellte, füllten sich Kerris Augen mit Tränen. Sie brach zusammen und weinte. Als sie wieder reden konnte, sagte sie: «Bitte hör auf, mich das zu fragen. Du bist nicht das Problem. Ich bin es. Es ist schwer, mit mir zu leben. Ich weiss nicht, warum du noch bleibst.»

Ich hob ihr Kinn sanft, bis sie mir in die Augen schaute. «Weil ich dich liebe. Wie kann ich deinen Tag besser machen?» «Hör auf. Eigentlich muss ich dich das fragen.» «Klar», sagte ich. «Aber jetzt bin ich dran. Ich muss mich verändern. Und du sollst wissen, was du mir bedeutest.»

Sie lehnte ihren Kopf gegen meine Brust. «Es tut mir leid, dass ich so gemein gewesen bin. Ich liebe dich.» «Ich liebe dich auch. Und wie kann ich deinen Tag heute besser machen?» Sie lächelte schelmisch. «Können wir einfach mal etwas Zeit zusammen verbringen?» Ich lächelte. «Das würde mir gefallen.»

Ich stellte ihr die Frage mehr als einen Monat lang. Und dann änderten sich die Dinge. Wir hörten auf, so viel zu streiten. Und dann fragte Kerri mich eines Tages: «Was brauchst du von mir? Wie kann ich eine bessere Frau werden?»

Dem Streit den Sauerstoff entzogen

Die Mauern zwischen uns fielen. Wir fingen an, ernsthaft über unser Leben zu reden und wie wir einander glücklicher machen konnten. Nein, es hat nicht alle unsere Probleme gelöst. Ich kann nicht einmal sagen, dass wir nie wieder gestritten hätten. Aber es wurde viel seltener. Wir entzogen unserem Streit einfach den Sauerstoff. Wir wollten einander einfach nicht mehr verletzen, wie es früher gewesen war.

Es hat sich gelohnt

Kerri und ich sind jetzt seit über 30 Jahren verheiratet. Ich liebe meine Frau nicht nur, ich mag sie. Ich bin gern mit ihr zusammen. Ich sehne mich nach ihr und ich brauche sie. Viele unserer Unterschiede wurden zu Stärken; andere sind einfach nicht mehr wichtig.

Die Ehe ist nichts Leichtes. Aber auch Elternsein, Fitbleiben oder ein Buch schreiben ist hart – alles, was das Leben wertvoll macht, kostet etwas. Einen Partner im Leben zu haben, ist ein Riesengeschenk. Und die Institution «Ehe» hilft uns, unsere weniger liebenswürdigen Seiten zu heilen. Und die haben wir alle.

Liebe bedeutet nicht, jemanden zu begehren, sondern alles zu tun, was den Partner glücklich macht. In Romanen (und ich habe eine Reihe davon geschrieben) geht es immer ums «Begehren». Aber echte Liebe sucht aktiv das Wohl des anderen. Alles andere ist lediglich verkleidete Eigensucht.

Ich sage nicht, dass das, was Kerri und ich erlebt haben, für alle klappt. Aber ich bin unendlich dankbar für die Inspiration, die mir vor so langer Zeit geschenkt wurde. Ich bin dankbar, dass meine beste Freundin neben mir liegt, wenn ich morgens erwache. Und selbst heute, Jahrzehnte später, schauen wir uns morgens ab und zu an und sagen «Wie kann ich heute deinen Tag schöner machen?». Es lohnt sich, dafür aufzuwachen. 

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Datum: 15.06.2016
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Jesus.ch

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