«Mein Leben geht weiter, obwohl ein Stück von mir mitgestorben ist»
Livenet: Woran denken Sie, wenn Sie
diesen berühmten Satz hören?
Damaris Kofmehl: In meinem Leben hat dieser Satz eine grosse Rolle gespielt. Ich
musste ein paar Mal die Krone richten und aufstehen, wie man so schön sagt. Wie
ein Steh-auf-Frauchen. Seit ich das erste Mal in die Mission nach Brasilien
ausgereist bin, gab es viele Ereignisse, in denen ständig – im übertragenen
Sinne – ein Messer in meinen Rücken gesteckt wurde. Sehr häufig musste ich
sagen: Entweder bleibe ich jetzt liegen oder aufstehen, Krone richten und
weiter gehen.
Das klingt so simpel, ist es denn auch
so einfach?
Nein, überhaupt nicht. Gerade als vor
Kurzem mein Mann (Demetri Betts, Anm. d. Red.)
gestorben ist, war es dann gar nicht mehr einfach. Man ist erstmal einfach am
Boden unten und mag gar nicht mehr aufstehen. Ich wusste auch nicht wie. Letztendlich
habe ich mich aufgerafft, weil ich das Gefühl hatte, dass es niemandem etwas
nützt, wenn ich jetzt liegen bleibe. Mein Leben geht weiter, obwohl ein Stück
von mir mitgestorben ist, als mein Mann starb. Aber ich bin ja noch da, und
offenbar hat Gott noch einen Plan mit mir. Und solange ich atmen kann, möchte
ich versuchen diesen Plan irgendwie zu erfüllen. Also bleibt mir nichts anderes
übrig, als aufzustehen und weiterzugehen. Gerade auch um anderen Mut zu machen
und zu zeigen: Es geht und es lohnt sich. Es ist hart, es ist schwierig, aber zusammen
mit Gott schaffen wir das.
Was kann helfen, den Schritt zu wagen
und weiterzumachen?
Es ist einerseits eine Charakterfrage. Ich
glaube, es hilft, wenn man von Natur aus eine fröhliche Person ist. Und
andererseits ist es schlichtweg eine Entscheidung, die nicht einfach ist. Jeder
verarbeitet gewisse Dinge anders. Ich zum Beispiel schreibe meine Wut, meine
Trauer oder meinen Frust auf. Jeder Einzelne muss herausfinden, was sein Ventil
ist. Das Schlimmste ist, wenn man es in sich hineinfrisst. Das hält man
irgendwann nicht mehr aus und dann macht man eine Dummheit. Und was ich auch
mache: Ich sage es Gott und klage ihm mein Leid. Das hilft mir dermassen.
Der Satz beginnt mit dem Wort
«Hinfallen». Wieso sparen Sie in Ihren Büchern,
die teilweise auf wahren und sehr heftigen Lebensgeschichten basieren, nicht
bei den Schattenseiten des Lebens?
Schlicht und einfach, weil sie zu unserem Leben dazugehören. Es wäre auch
nicht spannend, ein Buch über Sonnenblümchen und herumflatternde Schmetterlinge
zu schreiben. Andererseits sind es genau die Schattenseiten, die den Leuten Mut
machen. Wir probieren immer perfekt zu sein. Aber wir bringen es gar nicht
fertig. Deshalb macht es Mut, in meinen Büchern Menschen zu zeichnen, die
Fehler haben und umgefallen sind. Und doch durch das alles macht Gott mit ihnen
einen Weg. Eine Person, die gestolpert ist, macht mir fast mehr Mut als jemand,
bei der ich das Gefühl habe, dass alles stimmt. Dann denke ich, ich habe in dem
Fall auch eine Chance.
Hat Gott dabei eine bestimmte Rolle in Ihren Geschichten?
Ja, absolut. Zusammenfassend würde ich sagen, bei den meisten Lebensgeschichten geht es darum: Wenn Gott mit dieser Person zurechtkommt, dann kann er auch etwas aus deinem Leben machen. Quasi, es gibt keine hoffnungslose Fälle für Gott. Das ist einfach ermutigend.
Was es mit den langen Spaziergängen mit ihrem Hund auf sich hat und wieso für sie die Bibel das Buch der Bücher ist, das erfahren Sie im Video-Interview. Hier finden Sie den Livenet-Talk in voller Länge:
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Datum: 17.07.2019
Autor: Annina Morel
Quelle: Livenet