Gründer der Arche-Gemeinschaft gestorben
Jean Vanier hat vor mehr als fünf Jahrzehnten die Arche-Gemeinschaft (L’Arche) gegründet. Er wollte, dass Menschen mit und ohne geistige Behinderung in christlich geprägter Gemeinschaft zusammenleben. Gerade Menschen mit Behinderung hätten der «Welt etwas zu geben und zu sagen», lautete sein Credo. In der Nacht von Montag auf Dienstag ist der Gründer der internationalen ökumenischen Organisation mit 90 Jahren gestorben.
Geboren wurde Vanier am 10. September 1928 in Genf. Er wuchs in Kanada, England und Frankreich auf. Bis 1950 diente der Berufssoldat bei der Marine, verliess diese aber, um in einer Kommunität bei Paris zu leben. Vanier begann in Paris, Theologie und Philosophie zu studieren. Nach seiner Promotion lehrte er ab 1962 in Toronto.
Er half ihnen – und sie ihm
1964 nahm Vanier mit Père Thomas Philippe zwei geistig behinderte Männer in einem Haus in einem kleinen französischen Dorf bei Compiègne auf. Er wollte ihnen helfen und entdeckte dabei, wie sie ihm auch halfen. 1965 übernahm Vanier die Leitung des Behindertenheimes in Val Fleuri, in dem 32 Männer mit einer geistigen Behinderung lebten. Er setzte dort die Idee um, dass Behinderte und Nichtbehinderte in Hausgemeinschaften miteinander leben.
Daraus entstand die Arche-Bewegung. 1969 wurden die ersten Archegemeinschaften ausserhalb Frankreichs in Kanada und Indien gegründet. Vanier entwickelte gemeinsame Leitlinien und eine Charta der Archegemeinschaften. 1981 nahm er ein Sabbatjahr und gab seine Leitungsfunktion ab. Seitdem referierte er bei Vorträgen weltweit und veröffentlichte Bücher zu diesen Themen.
Heute gibt es weltweit über 150 Arche-Gemeinschaften in mehr als 30 Ländern. In Deutschland existieren Archen in Tecklenburg, Ravensburg und Landsberg am Lech. 2015 erhielt Vanier für sein Engagement den Templeton Prize. Er gilt als einer der weltweit bedeutendsten jährlich verliehenen Preise für Verdienste rund um die Menschlichkeit und in Anerkennung der «spirituellen Natur des Lebens».
Radikaler Fürsprecher von Menschen mit geistiger Behinderung
1971 hat Vanier zusammen mit Marie-Hélène Mathieu die ebenfalls weltweite Bewegung Glaube und Licht begründet. In den mehr als 1'500 Gruppen in über 80 Ländern treffen sich regelmässig Menschen mit Behinderung, deren Familien und Freunde, um zu reden, zu beten und zu feiern.
Der Tyrolia- und der Neufeld-Verlag haben 2008 die einzige deutschsprachige Biografie von Jean Vanier herausgeben. Verleger David Neufeld bezeichnet Vanier als «eine echte Inspiration» und einen «radikalen Fürsprecher von Menschen mit geistiger Behinderung». «Er lädt uns ein, ihre Gaben ernst zu nehmen und von ihnen zu lernen», schreibt Neufeld.
Vanier habe sich von der Frage leiten lassen, wie Einheit zwischen unterschiedlichen Menschen entstehen kann. «Die Antworten, die er mit seinem Leben und seinem Schreiben gab, waren immer ebenso durchdacht wie lebenspraktisch.» In den Verlagen sind weitere Bücher Vaniers erschienen, die in insgesamt 29 Sprachen übersetzt wurden.
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Datum: 09.05.2019
Autor: Johannes Blöcher-Weil
Quelle: PRO Medienmagazin | www.pro-medienmagazin.de