Reich beschenkt durch zwei Spezialisten
Sind Sie glücklich? Mögen Sie sich selbst? Gefällt Ihnen Ihr eigenes Aussehen? Lieben Sie Ihre Familie? Einer Studie zu Folge können über 96 Prozent der Menschen mit Down-Syndrom alle diese Fragen mit «Ja» beantworten. Carolin und David Neufeld sind überzeugt, dass unsere Welt viel von ihnen lernen kann.
«So wünsche ich mir Gemeinde!»
Sich um Menschen in Notsituationen zu kümmern, war für David Neufeld (48) schon immer selbstverständlich. In seinem Elternhaus kamen viele Leute mit unterschiedlichsten Problemen vorbei. Einige Hilfesuchende blieben sogar eine Weile bei ihnen wohnen. Auch in der Herkunftsfamilie von Davids Ehefrau Carolin wurde ein offenes Haus gelebt.
Carolin arbeitete in einer Schule für geistig behinderte Kinder. Immer wieder nahm David an öffentlichen Anlässen und Schulfesten teil. Während er das rege Treiben einer solchen Veranstaltung beobachtete, schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf: «So wünsche ich mir Gemeinde! Menschen, die schwach sein dürfen und doch das Leben feiern.»
Zu diesem Zeitpunkt ahnte David nicht, welche Rolle behinderte Menschen in seinem Leben noch spielen sollten. Doch der Gedanke blieb in ihm hängen.
Familienzuwachs
Nachdem klar war, dass Carolin und David keine Kinder bekommen konnten, kam irgendwann das Thema Adoption zur Sprache. Ja, das konnten sich die beiden durchaus vorstellen und so meldeten sie sich beim Jugendamt. Im Rahmen der Abklärungen mussten die beiden einen Fragebogen ausfüllen. Eine Frage war, ob ein behindertes Kind für sie denkbar sei. Ohne grosse Umschweife kreuzten sie «Ja» an. Dies war eine selbstverständliche Entscheidung.
Mitten im Prozess der Bewerbung als Pflege- und Adoptiveltern wurden sie angefragt, einen Pflegesohn aufzunehmen. Der Entscheid musste – wie meistens in diesen Fällen – schnell getroffen werden, Neufelds sagten zu. Nur gerade zehn Monate, nachdem das Pflegekind zu ihnen gekommen war, adoptierten sie Alexander, ein sechs Wochen altes Baby mit Down-Syndrom. «Wir hatten nicht geplant, ein Kind mit Down-Syndrom zu adoptieren», erinnert sich David. «Es war einfach ein Schritt, der sich uns anbot.» Auch das Pflegekind lebte weiterhin bei ihnen.
Wege geht man Schritt für Schritt
Von da an standen sie in regem Kontakt mit den Jugendämtern. Obwohl viele Paare in einer langen Adoptions-Warteliste stehen, gibt es nur wenige Familien, die sich vorstellen können, ein Kind mit Behinderung aufzunehmen. Und so suchen Sachbearbeiter auf Jugendämtern oft auch überregional nach einer geeigneten Familie für diese besonderen Kinder. «Kennt ihr vielleicht ein Paar, welches einem Kind mit Down-Syndrom ein Zuhause bieten könnte?», wurden Carolin und David wiederholt gefragt. Und so landeten tatsächlich immer wieder Kinder mit Down-Syndrom in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis.
Als im Mai 2016 wieder einmal ein solcher Anruf kam: «Kennt ihr jemanden, der ein Baby mit Down-Syndrom aufnehmen könnte?», dachten die beiden: «Eigentlich könnten wir selbst uns ganz gut ein zweites Kind mit Down-Syndrom vorstellen.» So stiess, fünf Jahre nach Alexander, im August auch der dreimonatige Samuel zur Familie Neufeld.
Wenn Gottes Handschrift sichtbar wird
2004 hatten Neufelds einen Verlag gegründet. Es war Davids leidenschaftliches Anliegen, sich für Gottes Reich einzusetzen. Er veröffentlichte Bücher über Gemeinde und die Nachfolge Jesu. Dabei war auch eine Biografie über Jean Vanier, der mit der «Arche» Lebensgemeinschaften von Menschen mit und ohne geistige Behinderung gegründet hatte. Seit 2009 erscheint im Neufeld Verlag der Wandkalender «A little extra» mit Fotos von Kindern mit Down-Syndrom. Allmählich wuchs ein besonderes Faible für Menschen mit Handicap heran.
«Das Bewusstsein, dass Gott mit unserem Verlag vielleicht wirklich etwas Besonderes vor hat, wuchs erst nach und nach», erzählt David. So konnten sie erst beim zehnjährigen Bestehen des Verlages klar in Worte fassen, was Gott ihnen offenbar in besonderer Weise anvertraut hat. Es entstand das Motto: «Stellen sie sich eine Welt vor, in der jeder willkommen ist!» Dieser Satz drückt einerseits Gottes Einladung aus, dass bei ihm jeder Menschen willkommen ist. Es ist aber auch Ausdruck dafür, dass Menschen mit Behinderung uns etwas zu sagen und zu geben haben.
Aussergewöhnliche Entdeckungen
Sind Carolin und David hingegebene Helden, die sich für ihre beiden Söhne aufopfern? Oder sind sie ganz einfach Eltern, die ihre Kinder lieben? David sagt: «Unser Alltag ist natürlich durchwachsen; wir erleben glückliche Momente ebenso wie Herausforderungen. Wie wohl alle Familien! Und wir werden immer wieder reich beschenkt.»
Menschen mit Behinderung haben oftmals ein tieferes Verständnis davon, was es heisst, Mensch zu sein. Wir alle sind aufeinander angewiesen. Im Gegensatz zu den meisten Menschen ist es für Menschen mit Behinderung häufiger selbstverständlich, Hilfe anzunehmen. Das erleichtert ihnen auch das Verstehen, von Gott abhängig zu sein.
Viele lassen sich blenden von Erfolg, Reichtum und Ansehen. Menschen wie Alexander und Samuel sehen einfach die Menschen und begegnen ihnen auf einer ganz anderen, wohltuenden Ebene. Und diese Sicht brauchen wir in unseren Gemeinden – und auch als Gesellschaft. David erklärt: «Als Verlag werben wir darum, dafür offen zu werden, wie Menschen mit Behinderung uns inspirieren können.»
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Datum: 21.03.2019
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet