Gemeinsam fürs Wesentliche

Livenet-Talk: Treibt uns Corona auseinander?

Stress und Einschränkungen lassen uns ungewohnt emotional reagieren. Mit vier Talkgästen sprach Livenet über Themen wie Spaltungspotential, Lieblosigkeit, öffentliche Debatten und Gottvertrauen.
Titelbild Livenet-Talk vom 11.02.2021
Peter Schneeberger
Sam Urech (Bild: Sebastian Heeb)
Regula Lehmann (Bild: Stiftung Zukunft CH)
Barbara Benz

Vor ein paar Jahren wäre die Frage, ob uns ein Virus auseinandertreiben kann, auf Unverständnis gestossen. Doch jetzt ist Corona zur Belastungsprobe geworden. Im Livenet-Talk diskutiert Livenet Redaktionsleiter Florian Wüthrich mit vier Gästen darüber, was Corona mit uns macht.

Sind wir lieblos?

Peter Schneeberger ist Verbandsleiter der FEG Schweiz und Präsident des Verbands Freikirchen Schweiz. Er sagt: «Zwischen den Generationen gibt es unterschiedliche Kulturen des Debattierens. In meiner Generation gehörte ein Debattieren dazu, welches meine Kinder bereits als konfliktbeladenes Gespräch bezeichnen.» Ganz grundsätzlich sei es schwierig zu sagen, ab wann eine Debatte lieblos geworden ist.

Sam Urech, regelmässiger Kolumnist für nau.ch, sagt dazu: «Streiten und Spalten ist nicht dasselbe. Manchmal müssen wir streiten, um uns nicht zu spalten.»

Wenn plötzlich ungewohnt lieblose Wörter fallen

Regula Lehmann ist Autorin und leitet die Ehe- und Familienprojekte der Stiftung Zukunft.ch. «Bezüglich Corona bin ich noch immer unsicher und äussere meine Meinung zurückhaltend.» Sie sei aber erstaunt, mit welch harten Worten zuweilen bereits das Aufwerfen einer Frage quittiert und ein Gesprächspartner tituliert werde.

Barbara Benz ist im Vorstand der Christlichen Geschäftsleute Schweiz. Sie versuche immer, das Gegenüber zu verstehen. «Es ist ein Grundbedürfnis, verstanden zu werden und deshalb ist es wichtig, sich auszudrücken und beim anderen auch nachzufragen.» Oft hätten wir jedoch Angst vor dessen Emotionen – das hindert uns, Fragen zu stellen. «Jeder Mensch hat Werte, die durch die Biographie bedingt sind.» Diese gelte es zu verstehen.

Corona hat Spaltungspotential

Kürzlich schrieb Sam Urech für Livenet einen Artikel mit dem Titel «Corona darf uns nicht spalten». Er sagt: «Von Anfang an hatte ich das Gefühl, dass dieses Thema ein grosses Spaltungspotential hat. Es geht mitten durch Familien, Ehen und Gemeinden hindurch.» Geistlich gesehen sei Corona aber ein nebensächliches Thema und nicht wert, dass Vertreter anderer Ansichten verteufelt werden.

Regula Lehmann beobachtet, «dass Respekt für Menschen oft nur so lange gilt, bis sie als 'voll daneben' abgestempelt werden – dann werden harte Schimpfwörter ausgeteilt.» Eine Liebe, die nicht allen Menschen gilt, sei aber nicht die Liebe, von der Jesus gesprochen hat. Wenn wir vor Andersdenkenden den Respekt verlieren, sind wir einer Spaltung nahe.

Peter Schneeberger berichtet aus seiner Praxis: «Wenn ich merke, wie Konflikte aufkommen, versuche ich die Vision zu klären.» Es sei wichtig, das gemeinsame Ziel hochzuhalten.

Öffentliche Debatten und Blick fürs Ganze

«Wenn ich mich öffentlich äussere, muss ich mit öffentlichen Reaktionen rechnen», sagt Regula Lehmann. Es brauche Weisheit, öffentliche Debatten zu führen – besonders unter Christen, die ja grundsätzlich das selbe Grundanliegen teilen.

Barbara Benz ergänzt, dass es auch mal dran ist, sich für gemachte Äusserungen zu entschuldigen. In Bezug auf die Verantwortungsträger, wie beispielsweise den Bundesrat, gelte es zu bedenken, dass eigentlich jede Entscheidung falsch sei. Es ist unmöglich, allen gerecht zu werden. An dieser Stelle blendet Redaktionsleiter Florian Wüthrich eine Grafik ein, welche einerseits coronabedingte Todesfälle, andererseits Opfer der Massnahmen aufzeigt. Barbara Benz erklärt, dass Menschen die Werte von Freiheit und Sicherheit unterschiedlich bewerten. Auf jeden Fall müssten beide Faktoren im Blick gehalten werden. «Bislang achteten wir stark auf Sicherheit, müssen aber auch Emotionalität und seelische Gesundheit im Blick haben.» Sich allein auf die körperliche Gesundheit zu konzentrieren, sei zu wenig.

Liebe und Gottvertrauen

In leidenschaftlicher Ausführung betont Barbara Benz, dass ohne Liebe alles wertlos wird.

Sam Urech stimmt zu, fragt aber: «Wie merken wir, dass wir aus der Liebe fallen?» Er findet, dass durchaus Dinge angesprochen und kritisiert werden dürfen. «Wir sollten uns überlegen, wie oft wir die Person, die wir kritisieren, auch schon gelobt haben. Wenn wir nur kritisieren, ist es an der Zeit, uns Gedanken über unsere Liebe zu machen.

Regula Lehmann ermutigt, das Vertrauen in Gott und nicht ins BAG oder sonst jemanden zu legen. «Das sind auch nur Menschen, die uns enttäuschen können. Was bleibt uns dann noch?»

Sam Urech meint, dass wir den Fokus grundsätzlich nicht auf die Entscheidungen von Menschen legen sollten. Gottes Liebe in diese Welt zu tragen, müsse stets unser erstes Anliegen bleiben. «Letztlich haben wir eine Verantwortung, in dieser Welt Salz und Licht zu sein», sagt Peter Schneeberger. «Und wenn wir uns gemeinsam einsetzen, treten wir uns auch mal gegen das Schienbein», rundet Regula Lehmann das Gespräch ab. «Dann gilt es, das Wesentlichen zu erkennen und uns darauf zu konzentrieren.»

Hier können Sie den vollen Talk ansehen:


Zum Thema:
Begleitaktion zum Buch: #stayhappy – trotz Corona
«Inspire Chemnitz»: Menschen berühren – trotz Corona
Kolumne von Sam Urech: Corona darf uns nicht spalten

Datum: 12.02.2021
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

Publireportage
Werbung
Livenet Service
Werbung