Bonhoeffer und sein Einfluss auf die Vineyard
Darauf hat kürzlich Stephen Hamilton, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Marburg, an einer Bonhoeffer-Tagung in Basel hingewiesen. Er erklärte, dass gerade in Amerika der Begriff «Religion» für viele evangelische Christen einen negativen Klang besitze. Für sie bedeute «Religion» eine «unverbindliche, desinteressierte und mechanische Frömmigkeit» – oder aber eine «starre, pharisäische Werkgerechtigkeit». Für «Evangelikale» sei Glaube nicht ein (religiöses) System, sondern eine «persönliche Beziehung zu Jesus Christus».
Abschied vom Lückenbüsser-Gott
Bonhoeffer prägte den Begriff «religionsloses Christentum» in seinem Werk «Widerstand und Ergebung». Die deutsche (lutherische) Theologie vor Bonhoeffer hatte dagegen das Christentum als «Religion» verstanden und die Innerlichkeit betont. Es war aber ein Christentum, das Gott eher als «Lückenbüsser» für die Schwachheiten der Menschen sah. Eine solche Kirche hat laut Bonhoeffer Angst, Risiken einzugehen, sie beschäftigt sich vor allem mit dem eigenen Erhalt und ist unfähig, «Träger des versöhnenden und erlösenden Wortes» zu sein. Und sie spricht die einfachen Menschen nicht an.
Bonhoeffer setzte dieser Kirche ein «religionsloses Christentum» für eine «mündig gewordene Welt» entgegen. Er predigte ein Christentum, das «diesseitig, Christus-zentriert und im Gebet verwurzelt» ist. Und er plädierte für eine Kirche, die nicht um sich selbst kreist, sondern «für Andere», also zum Beispiel für Menschen in Not, da ist. Nach seinem Konzept müssten Landeskirchen mehr wie Freikirchen werden, wie Stephen Hamilton hervorhob.
Die Liebe Gottes vor Sünde und Schuld
Diese Sicht hat laut Hamilton besonders in den USA eingeschlagen, und er zieht als Beispiel dafür die Vineyard-Bewegung heran, die er als kirchliche Nachfolgerin der Hippie-Christen sieht. Sie hat sich von der Betonung von Sünde und Schuld wegbewegt und sich auf die Liebe Gottes konzentriert. Denn schon die Hippie-Christen hätten Gott als den gesehen, der «mit ihnen wie mit einem Freund zusammenwirkt». Und es sei ihnen wichtig gewesen, immer wieder die Stimme Gottes zu hören. Sie hätten die Überzeugung geteilt, dass «Gott im Alltagsleben radikal präsent» sei. Das meinte schon Bonhoeffer mit dem «diesseitigen» Christentum.
Von den Hippie-Christen zur Vineyard
Die Hippie-Christen seien später respektable Christen geworden, die aber diesen neuen Ansatz von Spiritualität beibehalten hätten. Das hiess: «ein lässiger Gottesdienst, eine Vorstellung von Gott als einen nicht-bewertenden Freund, der eine persönliche Beziehung will; und ein Glaube an die übernatürliche Kraft und Gegenwart des Heiligen Geistes».
Kennzeichen dieser Christen sei auch, dass sie sich in dieser Welt ganz zu Hause fühlen. Hamilton dazu: «Sie wenden sich zu Gott und dem Glauben, um Antworten auf Probleme dieser Welt zu finden, und in diesem Sinne ist ihre Theologie in der Tat 'diesseitig'.» Sie brauchen zudem weder ein traditionelles Kirchengebäude noch eine traditionelle Liturgie.
Jesus starb nicht, damit wir religiös sind
Hamilton zitierte einen Vineyard-Vertreter mit den Worten: «Jesus ist nicht gestorben, damit wir religiös sein können. Er ist nicht gestorben, damit ich 30 Minuten am Tag mit ihm verbringen kann, er starb, damit ich 24 Stunden am Tag mit ihm verbringen kann.»
So gesehen hat Bonhoeffer nicht nur die Vineyard, sondern weit darüber hinaus auch die neuere freikirchliche Landschaft in der Schweiz und in Europa beeinflusst. Auch das neu erwachte und praktizierte soziale und gesellschaftliche Engagement von Freikirchen (Kirche für Andere) kann auf den Gedanken des diesseitigen Christentums zurückgeführt werden.
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Datum: 05.04.2017
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet