Mann sein – mehr als Muskeln haben
Für einmal waren Frauen nicht erlaubt in einer christlichen Grossveranstaltung. Dennoch wurde gesungen, gebetet, gelacht – vor allem aber nachgedacht. Der Theologe und Dozent Thomas Härry aus Aarau schaffte es, am Männerforum vom 7. November die anwesenden Männer gleichzeitig zu ermutigen und herauszufordern.
Das verunsicherte Geschlecht
«Unsere Vorfahren haben gekämpft und gejagt, da waren noch Kraft und List gefordert. Heute sind wir verunsichert. Frauen haben uns eingeholt, die Werbung hat uns verbogen, wir sind von unseren Vätern entfremdet – ist es ein Wunder, dass in jungen Männern eine grosse Verunsicherung zu finden ist?» Unter Christen trage eine weit verbreitete «Theologie der Selbstabwertung» zu dieser Verunsicherung bei, ergänzte Härry: «Das erste, was wir als Männer erfahren, ist, dass wir Sünder, voller Bosheit und schuldig sind. Das hat in vielen christlichen Männern ein Lebensgefühl der Unreinheit und des Schlechtseins fixiert. Sie leiden still.»
Auf dem Hintergrund dieser Verunsicherung malte Härry dann das Bild, wie sich der Mann nach der Aussage der Bibel eigentlich vorstellen solle.
Drei Säulen männlicher Identität …
Ausgehend von der Schöpfung des Menschen in 1. Mose Kapitel 1, sprach Härry den Männern auf dreifache Art ihre Identität zu:
- Du bist erschaffen. Gott hat voller Schöpferstolz den Mann gemacht.
- Du bist gesegnet. Noch bevor der Mann etwas Anständiges geleistet hat, ist er schon gesegnet – wie ein Kind, das schon zur Geburt ein Bankkonto bekommt.
- Du bist geliebt. Das erste, was Jesus bei seiner Taufe hörte, müssen auch wir hören.
Damit stellte Härry die Identität der anwesenden Männer auf einen ganz anderen Boden, als es das christliche und das säkulare Umfeld tun.
… und die entsprechende Berufung
Diese Identität ist nach Härry die Basis für den Grundauftrag, den Gott Männern gegeben hat und der auch in der Schöpfungsgeschichte deutlich gemacht wird – nämlich über die Schöpfung zu «herrschen». Wobei man gerade dazu sagen muss, dass dieser Ausdruck nach der Bibel wenig mit Gewalt, dafür aber sehr viel mit Dienen zu tun hat. Härry definierte Herrschen im Sinne Gottes als «Einfluss ausüben für Gutes», und es hat nichts mit Manipulation oder Unterdrückung zu tun.
Konkret drückt sich dieses «Herrschen» in drei Aktivitäten aus, zu denen der Mensch berufen wurde: «Bebauen, bewahren und benennen»
- Bebauen: Menschen sind dazu begabt und berufen, aus den vorhandenen Ressourcen etwas zu machen und etwas Neues zu schaffen. So müssten Männer auch oft einen Bereich ihres Lebens neu bebauen und gestalten.
- Bewahren: unser Umfeld muss auch geschützt werden. Grenzen sind nötig. Männer müssten lernen, sich z.B. schützend vor eine Beziehung zu stellen und klarzumachen: «Das hier lasse ich nicht einreissen. Da mache ich nicht mit.»
- Benennen. Der Mensch gab im Auftrag Gottes den Tieren Namen. Das bedeutet, dass wir ordnen, entscheiden, priorisieren, aber auch klar und eindeutig kommunizieren sollen.
Zwischenruf: darüber müssen Männer reden lernen
«Männer sind am Telefon redseliger als im persönlichen Gespräch», hielt Härry weiter fest und brach eine Lanze für «ehrliche Gespräche unter Männern». Als einige Themen, über die Männer reden lernen müssten, nannte er z.B. die Tatsache, dass «auch verheiratete Nachfolger Jesu sich in eine andere Frau verlieben können». Aber auch die Beobachtung, dass viele – im Beruf sehr aktive Männer – daheim oft in eine «seltsame Passivität» verfielen und einfach nur in Ruhe gelassen sein wollten, müsse thematisiert werden, genau wie unser «Sex-Management» oder unsere grösste Verunsicherung.
Über 200 Mal «Fürchte dich nicht»
«Das erste, was Gott nach 300 Jahren Schweigen wieder und wieder sagte, war 'Fürchte dich nicht'», hielt Härry am Nachmittag fest. Dieses bezeichnende Wort komme über 200 Mal in der Bibel vor – warum? «Weil wir ängstliche Wesen sind, die sich schnell einschüchtern lassen», so Härry. «Die Angst greift schnell nach uns: 'Ich schaff das nicht.' Es gibt so viele Gründe, Angst zu haben – vor Überfremdung, Islam, Wirtschaftskrise etc., ganz zu schweigen von den persönlichen Ängsten. Darum wird Gott nicht müde, uns das zu sagen.»
Als männliche «Wurzelängste» definierte Thomas Härry die Angst, Versager, wertlos oder ungeliebt zu sein und verlassen zu werden: «Die gefallene Schöpfung greift oft noch nach uns und will sich in unserer Seele festkrallen.» Sein Tipp? «Die Angst entlarven, sie benennen – und dann mitten reingehen.» – so wie Jesus «das Gesicht steinhart machte und sich fest entschlossen nach Jerusalem wendete».
Persönliche Gespräche und Gebete halfen am Männertag, das Gehörte konkret und festzumachen. Veranstalter war das Schweizer «Männerforum», ein Zusammenschluss von Männern aus Kirchen und Freikirchen. Für das nächste Jahr ist ein grosser Männertag geplant, der von möglichst vielen Organsationen gemeinsam getragen werden soll.
Zur Webseite:
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Datum: 10.11.2015
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet