Umstrittene Entscheidung

Lettische Kirche schafft Frauenordination ab

Die Evangelisch-Lutherische Kirche Lettlands beschloss auf ihrer Synode vom 3.-4. Juni, die Frauenordination abzuschaffen. Sie folgte damit der Empfehlung ihres konservativen Oberhauptes Janis Vanags (58). Die internationalen Reaktionen auf die Entscheidung reichen von Zustimmung bis Entsetzen.
Riga, Lettland
Erzbischof Janis Vanags
Michael Diener

Mit 580'000 Mitgliedern ist die Evangelisch-Lutherische Kirche die grösste Religionsgemeinschaft in Lettland. Bereits vor über 40 Jahren – damals war der baltische Staat noch Teil der Sowjetunion – fiel hier die Entscheidung, auch Frauen für den pastoralen Dienst zu ordinieren. Faktisch geschah dies jedoch seit 1993 nicht mehr, denn seit seiner Einsetzung als Erzbischof liess Vanags keine Pfarrerinnen mehr zu. Bei der diesjährigen Synode stimmte nun eine Mehrheit der Delegierten dafür, nur noch Männer als Pfarrer zu ordinieren und dies in der Verfassung festzuschreiben.

Die Auseinandersetzung in Lettland

Laut Evangelischem Pressedienst epd beschwerte sich der «Bund der Theologinnen Lettlands» darüber, dass es vorher keine theologische Diskussion gegeben hätte. Erzbischof Vanags begründete seine Ablehnung von Pfarrerinnen mit dem Schweigegebot für Frauen in der Gemeinde, wie es Paulus verwendet (1. Korinther 14, Verse 33-34). Nach Einschätzung des lettischen Theologen würde durch Frauenordination ausserdem der Standpunkt der Kirche gegenüber einem autoritären System geschwächt. Während unter anderem Dace Balode, eine Theologieprofessorin aus Riga, kritisierte, dass man «überholte Strukturen der Gesellschaft aufrechtzuerhalten [versuche], die sonst in der Gesellschaft nicht mehr akzeptiert werden, auch von den Ordinationsgegnern selbst», folgte die Mehrheit der Synodalen ihrem Erzbischof und beschloss mit 201 Stimmen bei 59 Gegenstimmen und 22 Enthaltungen die Änderung der Kirchenverfassung.

Positive Bewertungen

Zustimmung findet diese Entscheidung durch die römisch-katholische Kirche und die orthodoxen Kirchen, ausserdem durch die Internationale Konferenz Bekennender Gemeinschaften. Ihr Präsident, der Hamburger Pastor Ulrich Rüss, lobte laut evangelischem Nachrichtenmagazin idea, dass die Synode dem «enormen Druck des Zeitgeistes und der Genderideologie» widerstanden hätte und sich vielmehr von Texten der Heiligen Schrift habe leiten lassen.

Bedenken

Die überwiegende Mehrheit der Reaktionen war allerdings kritisch. Der Leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Gerhard Ulrich, unterstrich sein Unverständnis für den Synodenbeschluss in Riga. Für Lutheraner könne es in geistlicher Hinsicht keinen Unterschied zwischen Mann und Frau geben. Der EKD-Ratsvorsitzende, Heinrich Bedford-Strohm (München), stellte heraus: «Leidtragende ist vor allem die lettische Kirche selbst, weil sie sich des grossen Reichtums von Frauen im ordinierten Amt beraubt.»

Ähnlich reagierte auch Michael Diener, Vorsitzender der Deutschen Evangelischen Allianz, in seinem Kommentar auf Facebook: «Ja, es ist wahr, dass die christlichen Kirchen weltweit unterschiedlich über Frauen im Predigt- und Leitungsdienst denken und glauben. Leider ist das so. Und wieder einmal wird jede Position ihre jeweilige Einstellung mit dem Wort Gottes begründen. Ich muss das respektieren. Aber genauso deutlich will ich sagen, dass ich die Gemeinschaft von Frauen und Männern im Pfarramt sehr schätze und persönlich für biblisch und christlich legitimiert halte. Eine Kirche, die diesen Dienst von Frauen nicht schätzt und ablehnt, macht sich arm – menschlich arm und geistlich arm. Ich bin wirklich traurig über die Ereignisse in Lettland und über alle, die meinen, sie müssten das nun positiv würdigen oder als richtigen Weg bezeichnen. Dieser Weg ist christlich und biblisch eine Sackgasse.»

Zum Thema:
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Datum: 08.06.2016
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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