Persönlich gesehen

Apologetik, die mich (nicht) überzeugt

Apologetik beschäftigt sich mit der Verteidigung des (christlichen) Glaubens gegen Angriffe anderer Denkansätze. Dabei geht sie meiner Meinung nach zu recht davon aus, dass der Glaube vernünftig ist. Doch darüber hinaus halten die meisten Apologeten ein intellektuelles Überzeugen ihrer «Gegner» für den Königsweg, um sie zum Glauben zu führen. Warum eigentlich?
Älterer und jüngerer Mann sitzen im Garten und diskutieren miteinander.
Redaktor Hauke Burgarth

Basis der meisten apologetischen Überlegungen ist die Auffassung, dass die christliche Wahrheit vielfältigen Angriffen ausgesetzt ist und deshalb – von mir – verteidigt werden muss. Der Theologe Lothar Gassmann ergänzt: «Wir betreiben Apologetik nicht zum Selbstzweck. Bei der Verteidigung des Glaubens geht es nicht um eine nur intellektuelle Diskussion. Nein, es geht um viel mehr: Es geht um die Existenz. Es geht um Sein oder Nichtsein, Heil oder Verdammnis, Leben oder Tod. Es geht darum, dass Menschen ins Reine kommen können mit Gott, dass sie eine lebendige Beziehung zu ihrem Schöpfer erhalten, dass sie das ewige Leben erlangen…» Sicher ist dieser intellektuelle Zugang zum Glauben für einige Menschen sehr wichtig. Für problematisch halte ich dagegen sein Verabsolutieren, das Suchen nach den «richtigen Argumenten», mit denen ich jeden überzeugen kann. Das Denken, dass ich quasi als Anwalt für Gott und die Bibel fungiere und diese verteidigen kann – und muss!

Vernünftig ist nicht genug

Ich kenne viele Arten, für den Glauben und seine Wahrheit zu argumentieren. Bisher sind mir dabei – als Christ – noch keine Argumente begegnet, die sich nicht auch intellektuell aufrichtig anders bewerten liessen. Und ehrlich gesagt interessiert es mich nicht besonders, wie «vernünftig» mein christlicher Glaube ist. Eine Menge Dinge sind vernünftig, wie zum Beispiel meine Steuererklärung. Doch deswegen liebe ich sie noch lange nicht, geschweige denn, dass ich mein Leben danach ausrichte.

Wahrscheinlich stört mich die Grundvoraussetzung der Apologetik, dass unser Verstand der erste und hauptsächliche Weg sein soll, die Wahrheiten des Christseins zu erfassen.Das Hauptversagen dieser christlichen Apologetik ist meiner Meinung nach nicht, dass sie der Welt um uns herum bisher nicht beweisen konnte, dass Glaube und Verstand kompatibel sind. Sondern eher, dass sie der Welt weismachen möchte, dass Glauben nur über den Verstand zu haben ist. Natürlich gehört mein Verstand zu mir. Natürlich suche ich Antworten. Natürlich denke ich über Glaubensinhalte nach. Aber ich halte den Glauben für die Basis und nicht den Intellekt.

Glaube zuerst

Noch einmal: Ich bin nicht gegen vernünftige Argumente. Ich halte mich selbst eher für einen «Kopfmenschen» – ich brauche sie geradezu. Das Auseinandersetzen mit christlichen Apologeten und Denkern, ob sie C. S. Lewis, G. K. Chesterton, Francis Schaeffer, Dietrich Bonhoeffer oder wie auch immer heissen, ist immer fruchtbar. Problematisch wird es für mich, wenn Apologetik die Reihenfolge vertauscht, denn christliches Denken ist nicht besser als nicht-christliches. Und der Versuch, andere von einem ewigen Leben zu überzeugen, ihnen zu beweisen, dass Jesus Gott ist und darauf Glaubensfolgen für sie aufzubauen, war noch nie besonders erfolgreich. Warum hat Jesus wohl immer wieder einladend geworben: «Folge mir nach – sieh selbst» und sich intellektuellen Streitgesprächen oft sogar verweigert?

Beziehung gewinnt

Wie wichtig die Beziehungsebene ist, wird zum Beispiel in dem (vergriffenen) Buch «Briefe eines Skeptikers» von Edward K. Boyd deutlich. Als Apologet, der sich in aller Welt auf Podiumsdiskussionen mit Andersgläubigen einlässt, merkt Boyd, dass ihm diese Gesprächsebene mit seinem Vater bislang fehlt. Die beiden beginnen, sich Briefe zu schreiben. Aber was als argumentativer Schlagabtausch der bekannten Pro-und-Contra-Argumente beginnt, mündet in ein tiefes Gespräch, bei dem zwar Argumente ausgetauscht werden, es aber in erster Linie um die Liebe eines Sohnes zu seinem Vater geht. Und die überzeugt.

Veränderung überzeugt

Wohl niemand geht durchs Leben und sucht Argumente, die ihn endlich davon überzeugen, warum es sich für ihn lohnt, Christ zu werden. Nach lohnenden Lebensentwürfen suchen Menschen aber durchaus. Francis Schaeffer definierte Apologetik unter anderem als «die Verkündigung des Evangeliums in einer der jeweiligen Generation verständlichen Weise» (Gott ist keine Illusion). Dies kann viel mehr beinhalten als Argumente. Die Noch-nicht-Christen in meiner Umgebung reagieren sehr sensibel auf «Apologetik», von der sie selbst etwas haben. Sie sind auf der Suche nach Menschen, die ihr Zusammenleben positiv gestalten. Sie fragen sich, welchen Beitrag der christliche Glaube für die brennenden Probleme unserer Zeit hat, seien sie gesellschaftlich oder persönlich. Menschen wollen erleben, was jemand einmal als Aufgabe der Gemeinde definiert hat: «Kirche muss wieder ihre Grundeigenschaft annehmen, dass sie die einzige Organisation der Welt ist, die zum Wohl ihrer Nichtmitglieder existiert.» Apologetik dieser Art ist viel schwerer als das Abarbeiten von Argumenten – aber im Gegensatz zu dieser funktioniert sie.

Leben statt überreden

In der Bibel wird das Glaubensleben immer wieder verglichen: mit einem Hausbau, der Feldarbeit, einem Weg. Nie jedoch mit einem Klassenzimmer. Offensichtlich geht es beim Gewinnen für den Glauben viel eher um gemeinsames Unterwegssein als um das Einreden auf andere, bis diesen keine Gegenargumente mehr einfallen. So gewinne ich vielleicht Diskussionen, aber eben keine Menschen. Apologetik, wie ich sie mir für mich selbst wünsche, ist ein angstfreies Ausleben meines Glaubens zum Wohle anderer. Dies kann durchaus Argumente beinhalten, doch sie sind nicht die Grundlage.

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Datum: 05.08.2015
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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