Trotz Corona im Zürcher Langstrassenquartier engagiert
Im multikulturellen Rotlichtmilieu steht kein Stein mehr auf dem anderen. Prostitution ist wegen des Kontaktverbot strafbar. Alle Bordelle mussten überstürzt schliessen. Der Einblick in Zürich zeigt, wie es den Menschen geht und es trotzdem Hoffnung gibt, auch weil Christen diese Menschen nicht aufgeben.
«Wer die Möglichkeit und das Geld hatte, reiste ins Heimatland zurück. Eine Mischung aus Angst, Panik, Auflehnung und Verunsicherung machte sich breit. Viele leben irgendwo in einem Zimmer über einem Club oder Bordell und haben selbst für Miete oder Essen kein Geld», berichtet der Verein Heartwings, der seit über zehn Jahren Sozialarbeit im Rotlichtmilieu macht und regelmässig über 300 Bordelle besucht (Livenet berichtete bereits mehrfach über diese Arbeit).
Hunderte Frauen stehen seit dem Ausbruch der Pandemie ohne Einkünfte da. Bei all den verschiedenen Schicksalen erlebt das Heartwings-Leiterehepaar Dorothée und Peter Widmer, dass Gottes Friede grösser ist, als der menschliche Verstand es jemals begreift. «Wenn schon Kirche, dann ist die Langstrasse unsere Kirche», so Peter Widmer zum «Tages Anzeiger».
Nonne im Puff
Schwester Ariane ist momentan so etwas wie der Shootingstar der Medien: Die «Neue Zürcher Zeitung» brachte eine doppelseitige Reportage über sie. TV SRF und TeleZüri luden sie zum Talk. Schwester Ariane ist keinem Kloster angeschlossen. Sie kümmert sich an der Zürcher Langstrasse um die Prostituierten, Obdachlosen und Junkies. Sie wolle sich an ihre Seite stellen und gemeinsam mit ihnen einen Weg gehen, der durch die Corona-Pandemie noch schwerer geworden ist. Schwester Ariane und der von ihr gegründete Verein Incontro haben seit Beginn der Corona-Krise die Einsätze verstärkt. Sie verteilen im Langstrassenquartier in Zürich jeden Abend bis zu 200 warme Mahlzeiten, Lebensmittel und Hygieneartikel und arbeiten teilweise 18 Stunden am Tag.
«Das sind meine Freunde»
Mit der aufsuchenden Gassenarbeit begann Ariane vor zweieinhalb Jahren. Die meisten Bedürftigen kennt sie persönlich. Das Risiko für ihre eigene Gesundheit habe auch ihr zu denken gegeben. Dennoch sei schnell klar gewesen: «Das sind meine Freunde – sie in der Not sich selbst zu überlassen, wäre für mich ein Verrat», schreibt die «Neue Zürcher Zeitung». Bereits mit zwölf Jahren haben sie gewusst, dass sie Nonne werden wollte. Am Tag der Firmung habe sie sich durch die Nähe Gottes so sehr geliebt gefühlt wie noch in ihrem Leben. Sie trat später dem Stand der gottgeweihten Jungfrauen bei. Die Gassenarbeit ist für Ariane, deren Bruder jahrelang auf der Strasse lebte, eine Berufung: «Den Bedürftigen auf Augenhöhe zu begegnen, aktiv auf sie zuzugehen, ist eine Form der Wertschätzung, die viele von ihnen sonst nie erfahren.»
Dieser Artikel erschien zuerst im Dienstagsmail.
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Datum: 28.04.2020
Autor: Markus Baumgartner
Quelle: Dienstagsmail