Der Lehrplan 21 und die Kirchen
Die römisch-katholische und die reformierte Kantonalkirche im Aargau unterstützen den Lehrplan 21 und seine kantonale Umsetzung, wie sie in ihrer Stellungnahme vom 19. Januar klarmachen. Der im Lehrplan 21 vorgesehene Unterricht «Ethik, Religionen und Gesellschaft» stärke die Kompetenzen aller Schülerinnen und Schüler in Bezug auf die Religionen in der Gesellschaft, sagte Luc Humbel, Präsident der katholischen Kirche im Aargau, wie die Agentur kath.ch schreibt.
Weiterbilden statt eingrenzen
Dabei hätten sie durchaus Grund, sich für die Initiative mit konservativem Hintergrund einzusetzen, die sich zum Beispiel für ein Fach Religion einsetzt, das sich ausschliesslich dem Christentum widmet. Stattdessen wollen sich die Kirchen an der Weiterbildung der Lehrkräfte beteiligen, damit sich diese Kompetenzen im Umgang mit Religion aneignen können. Auch die EVP des Kantons Aargau sprach sich gegen die Initiative aus, die den Lehrplan 21 bodigen will. Die EDU hingegen unterstützt sie.
Zuerst ein breiter Widerstand
Das war nicht immer so. Nach der Vorstellung des Lehrplans 2013 formierte sich vorerst ein breiter Widerstand aus Landes- und Freikirchen sowie christlichen Parteien. Der Freikirchenverband forderte zum Beispiel für das Fach «Ethik – Religionen – Gesellschaft» einen Schwerpunkt für den Bereich Christentum.
Auch die römisch-katholische Bischofskonferenz kritisierte den Lehrplan 21 und forderte, dass die christlich-jüdische Tradition einen Schwerpunkt bilden müsse. Sie befürchtete auch, dass der konfessionelle Religionsunterricht ganz aus der Schule verschwindet. Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) vermisste einen konkreten Bezug auf das christliche Erbe der Schweiz. Auch die EVP schaltete sich intensiv ein und lancierte verschiedene politische Vorstösse. Danach sind die Macher nochmals über die Bücher gegangen und haben nachgebessert.
«Schreibtischerfindung» könnte sich doch noch durchsetzen
Der Zürcher Pädagoge und ehemalige Bildungsrat Hanspeter Amstutz sprach 2013 von einer neuen «Schreibtisch-Erfindung der Pädagogikindustrie», die wie schon frühere von der Realität korrigiert werden muss. Wie weltfremd hier operiert wurde, illustriert ein Beispiel aus der Religionskunde. Im ersten Entwurf hätten Schüler nach dem zweiten (!) Schuljahr in der Lage sein sollen, «Feste verschiedener Religionen anhand der Bräuche und Erzählungen zu erläutern sowie kulturelle Unterschiede zu analysieren». In der zweiten Fassung wird eine ähnliche Zielformulierung auf das sechste Schuljahr angelegt: «Schüler können Hauptfeste verschiedener Religionen anhand ihrer Bräuche und Erzählungen erläutern und miteinander vergleichen (Weihnachten, Ostern, Fasnacht, Pessach, Ramadan, Holi, Divali)». Immer noch ein ganz schön anspruchsvolles Ziel!
Die Arbeitsgemeinschaft Schule und Religion der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA) begrüsste in einer Stellungnahme, dass Inhalte von Religionen wieder aufgeführt werden. Nun kämen auch christliche Feste wie Weihnachten und Ostern im Lehrplan vor. Allerdings bleibe der religionskundliche Ansatz bestehen.
Harmonisierung als dominantes Motiv
Nach der Überarbeitung ist die Kritik zum Teil verebbt. Es dominiert die Sorge um eine Harmonisierung der schulischen Lehrpläne in den Kantonen. Erste Kantone haben den Lehrplan in der Volksabstimmung angenommen. Auch die Lehrerverbände sind auf den Pro-Kurs eingeschwenkt. Auch im Aargau haben die Lehrplangegner in der Diskussion – und wohl auch in der Abstimmung vom 12. Februar – einen schweren Stand. Ihre Initiative wird von vielen als zu rückwärtsgewandt und zu starr wahrgenommen.
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Datum: 26.01.2017
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet