19 Flüchtlingskinder haben neues Zuhause gefunden
Bei Familie Koch wird der Tisch seit Anfang Jahr nicht mehr nur für sechs, sondern für sieben Personen gedeckt. Im Januar ist der heute 15-jährige Mustafa* aus Afghanistan, der ohne Eltern und Geschwister in die Schweiz geflohen ist, ins grosse Haus der Familie im Aargauer Reusstal eingezogen. «Mit seiner offenen Art ist er eine grosse Bereicherung für die ganze Familie», sagt seine Pflegemutter. Trotz anfänglichen Verständigungsproblemen habe man rasch eine gemeinsame Sprache gefunden und könne nun gegenseitig viel voneinander lernen. «Den Entscheid, ein Flüchtlingskind aufzunehmen, haben wir nie bereut – weder wir Eltern, noch unsere Kinder», sagt sie.
Aus Afghanistan, Syrien, Eritrea, Pakistan...
Mustafa ist eines von 19 Flüchtlingskindern, die der Verein familynetwork.ch in Zusammenarbeit mit dem Sozialdienst des Kantons Aargau in den vergangenen zwölf Monaten in Pflegefamilien platzieren konnte. Über 200 Familien hatten nach dem Aufruf des Vereins im September 2015 an Informationsabenden teilgenommen, gut 20 wollten und konnten schliesslich einen Betreuungsplatz zur Verfügung stellen. Bei den platzierten minderjährigen Flüchtlingen handelt es sich um drei Mädchen und 16 Buben im Alter zwischen 12 und 16 Jahren, die mehrheitlich aus Afghanistan, aber auch aus Eritrea, Syrien und Pakistan stammen.
«Wir waren vom grossen Interesse überwältigt», sagt Beat Bachmann, Geschäftsführer von familynetwork.ch. Wegen der hohen Zahl unbegleiteter Minderjähriger, die in der Schweiz ein Asylgesuch stellten, hatte sich die Unterbringungssituation im vergangenen Jahr im Kanton verschärft. «Dass nun in relativ kurzer Zeit so viele Kinder ein neues, vorübergehendes Zuhause gefunden haben, freut uns», sagt Bachmann.
Familien werden fachlich begleitet
Der Verein unterstützt und begleitet die Pflegefamilien und die minderjährigen Flüchtlinge auch nach der Platzierung intensiv. Er veranstaltet Einführungs- und Weiterbildungstage und stellt jeder Familie eine sozialpädagogisch ausgebildete Fachperson sowie einen kulturellen Begleiter zur Seite. Denn die Platzierung eines Flüchtlingskindes in einer Familie ist mit Herausforderungen verbunden – für beide Seiten. «Es braucht einen langen Atem», sagt Bachmann. «Aber wir sind überzeugt: Das Wagnis ist ein Gewinn für beide Seiten!»
Weitere Familien gesucht
Der Verein sucht nun nach weiteren Familien, die bereit sind, ein Flüchtlingskind bei sich aufzunehmen. Ausserdem ist der Verein auf Familien angewiesen, die sich an Wochenenden oder in den Ferien zur Entlastung der Pflegefamilien um die Flüchtlingskinder kümmern. Die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden, die in die Schweiz kommen, sei in den vergangenen Monaten zwar zurückgegangen, doch noch immer fehlten geeignete Unterbringungsmöglichkeiten für die Flüchtlingskinder.
An Infoabenden können sich interessierte Familien unverbindlich über Voraussetzungen für die Aufnahme eines Flüchtlingskinds, die Betreuungsleistungen von familynetwork.ch und das weitere Vorgehen informieren.
Über familynetwork.ch
Familynetwork.ch vermittelt seit zehn Jahren Plätze für Kinder und Jugendliche in Pflegefamilien. Der gemeinnützige Verein mit Sitz in Oftringen AG platziert Kinder und Jugendliche, deren Familien gewisse erzieherische Aufgaben vorübergehend oder dauerhaft nicht übernehmen können, und unterstützt Pflegefamilien mit entsprechender Bewilligung fachlich. Die Organisation ist zudem in der Beratung von Familien tätig und führt Weiterbildungen zu Erziehungs- und Familienthemen durch. Das Projekt zur Platzierung von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden hat der Verein vor knapp einem Jahr lanciert.
*Name geändert
Zur Webseite:
Familynetwork.ch
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Datum: 25.08.2016
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet