Russland: Religiöse Treffen in Wohnhäusern verbieten?
Seit den Jarowaja-Gesetzen von 2016 sind die religiösen Minderheiten in Russland bereits starken Einschränkungen ausgesetzt. Jetzt kommt eine neue Bedrohung der Religionsfreiheit dazu. Ende Oktober erhielt die Duma (das nationale Parlament) einen Gesetzesentwurf der kleinen regierungstreuen Partei «Neue Menschen», der religiöse Aktivitäten in Häusern und Wohnblocks unterbinden will. Solche Aktivitäten ausserhalb offizieller Gebetsstätten könnten zu «öffentlicher Unruhe», einem «erhöhten Kriminalitätsrisiko» und Unannehmlichkeiten für die Bewohner führen, heisst es in dem Gesetzentwurf. Sollte er als Gesetz verabschiedet werden, würde dies ein Verbot jeglicher geistlicher und religiöser Versammlungen in Gebäuden bedeuten, die keine zugelassenen Gebetsstätten sind, sowie ein Verbot von Hauskirchen oder ähnlichen informellen religiösen Versammlungen.
Kein Platz für Gottesdienste
«In zahlreichen russischen Städten wurden historische Kirchen nicht an die Gläubigen zurückgegeben oder während der Sowjetzeit einfach zerstört», erklärte der Pressesprecher der Bischofskonferenz, Kyrill Gorbunow, gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Er räumte ein, dass es manchmal Konflikte mit Bewohnern der Häuser gebe, in denen gottesdienstliche Treffen stattfinden: «Sie sind davon überzeugt, dass sich in Wohnhäusern nur Sekten versammeln und alle echten Kirchen ihre eigenen Gebäude haben.» Die katholische Kirche organisiert informelle Seelsorge in Häusern an Orten, in denen ihre Kirchen zerstört oder beschlagnahmt wurden.
Auch die Leiterin der Rechtsabteilung der russisch-orthodoxen Kirche, Äbtissin Ksenija Tschernega, kritisierte den Gesetzesentwurf: Er verbiete, dass russisch-orthodoxe Geistliche auf Bitten von Gläubigen die Kommunion, eine Krankensalbung und andere religiöse Riten in Wohnungen spenden, warnte sie. Das betreffe etwa Schwerkranke und Sterbende. Auch müssten orthodoxe Hauskirchen schliessen.
«Der Glaube ist dort, wo die Menschen leben»
Besonders deutlich hat sich die Adventistische Kirche in Russland geäussert, die den Gesetzentwurf «kategorisch ablehnt», weil er das in der Verfassung verankerte Recht auf Gewissensfreiheit verletze. «Religiöser Glaube ist menschliches Leben – Glaube ist dort, wo Menschen leben», sagte der adventistische Vertreter Oleg Gontscharow. «Wenn wir der Logik dieses Gesetzes folgen, dann sollten alle Geschäfte, Clubs, Restaurants und Büros aus Wohngebäuden entfernt werden. In dieser für Russland schwierigen Zeit wird dieses Gesetz die Situation nur verschlimmern und den Boden für soziale und interreligiöse Konflikte bereiten.»
Evangelische Allianz ruft zu «vernünftigen Lösungen» auf
Der Generalsekretär der Russischen Evangelischen Allianz (REA) hat dazu aufgerufen, keine Gesetze zu verabschieden, die zu mehr Konflikten führen könnten. «Wo religiöse und öffentliche Organisationen eine Schlüsselrolle bei der Aufrechterhaltung der moralischen und ethischen Werte der Gesellschaft spielen, sollten ihre Aktivitäten von staatlichen Stellen unterstützt werden», sagte Vitaly Wlasenko, Baptistenpastor und Generalsekretär der Russischen Evangelischen Allianz. In einem Interview mit der Zeitschrift Idea Deutschland äusserte Wlasenko, dass der Gesetzentwurf für russische Protestanten «wie eine versteckte Form der Einschränkung der Religionsfreiheit» aussehen könnte. «Ich hoffe wirklich, dass dies nicht der Fall ist», erklärte er.
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