Jesus wird in Indien als befreiend erlebt
Christian
Tobler, was sind die gegenwärtigen Schwerpunkte von Inter-Mission?
Christian
Tobler: Der Fokus unserer Arbeit
liegt auf der Förderung von Kindern in den ärmsten Gebieten der Welt. Von
dieser Hilfe profitieren neben den Kindern meist die ganzen Familien und auch
die Dorfgemeinschaften. Unsere Projektpartner vor Ort sind in einem oder
mehreren unserer Schwerpunktthemen tätig: Kinderheime, Bildung,
Gesundheitswesen und Mission.
In
welchen Ländern ist Inter-Mission hauptsächlich tätig?
Unser Herz
schlägt vor allem für Indien. Im bald bevölkerungsreichsten Land der Welt ist
die finanzielle, soziale und geistige Not sehr gross. Kinder und Frauen leiden
besonders. Seit dem fast sechzigjährigen Bestehen der Inter-Mission pflegen wir
intensiven Austausch mit unseren Projektpartnern, teilweise seit mehreren
Jahrzehnten, und freuen uns sehr über den treuen Dienst, ihre innovativen Ideen
und die Entschlossenheit, Jesus Christus zu verkündigen, auch wenn der Druck
auf Christen in Indien stetig zunimmt und es regelmässig zu Übergriffen kommt.
Zusätzlich unterstützen wir in Pakistan ein Kinderheim und ein Projekt für verarmte Witwen. In Nepal fördern wir kleine Gesundheitskliniken in den schwer zugänglichen Berggebieten im Süden des Landes und in Brasilien ermöglichen wir mehrere Vorschulklassen für Kinder aus zerrütteten Verhältnissen.
Sind
die Menschen in Ihren Einsatzländern offen für Jesus?
Unsere
Projektpartner erleben sehr viel Offenheit in der Bevölkerung. Indien kann
generell als sehr «religiöses» Land betrachtet werden. Bei der Volkszählung
2011 verteilte sich die Religionszugehörigkeit wie folgt: 79,8 Prozent Hindus,
14,2 Prozent Muslime, 2,3 Prozent Christen, 1,7 Prozent Sikhs, 0,7 Prozent Buddhisten und 1,1 Prozent andere
Religionen. dNur 0,2
Prozent der Bevölkerung hatte angegeben, keine Religionszugehörigkeit zu haben.
Im Vergleich dazu: In der Schweiz sind es etwa ein Viertel der Bevölkerung, die
keiner Religion angehören. Im
Gegensatz zu uns ist es in Indien völlig «normal», dass man religiös ist und
seinen Glauben auch aktiv lebt. So ist es zum Beispiel nicht ungewöhnlich, wenn
man als Reisender im Zug nach seinem Glauben gefragt wird. Die Frage ist also
nicht, ob man glaubt, sondern an wen oder was man glaubt.
In Indien ist das Kastenwesen und der Hinduismus eng miteinander verknüpft. Wer in der Gesellschaft oben ist, hat «Glück» gehabt, wer unten ist, bleibt unten. Die Botschaft von Jesus Christus ist da radikal anders. Sie fällt in Indien auf fruchtbaren Boden und wird von vielen als sehr befreiend erlebt. Die andere Seite der Medaille ist dann aber leider, dass die Bekehrung zu Jesus oft die Abkehr und den Ausschluss aus der Familie bedeuten, oft auch Verfolgung.
Können
Sie eine Geschichte erzählen von einem Menschen, dessen Leben durch Ihre Arbeit verändert wurde?
Raghav, das
ist nicht sein richtiger Name, hatte einen sehr schwierigen Start ins Leben.
Sein Vater war Alkoholiker und versoff das wenige Geld, das der Familie zur
Verfügung stand. Schläge und Demütigungen prägten die ersten Jahre seines
Lebens bis seine Mutter beschloss, mit den Kindern zu fliehen. Das wäre an der
Bushaltestelle beinahe gescheitert, wenn nicht ein «Engel» aus dem Nebel
aufgetaucht wäre… Später
wuchs er in einem Kinderheim auf, das durch uns unterstützt wird, bekam eine
gute Schulbildung und lernte Jesus Christus als seinen Erlöser kennen. Heute
ist er verheiratet, hat zwei Kinder und unterrichtet an der Schule, in der er
aufgewachsen und selbst zur Schule gegangen ist. Seine beeindruckende
Geschichte kann hier nachgelesen werden.
Wo
sind Sie, beziehungsweise Ihre Projektpartner herausgefordert?
Die
indische Regierung hat nach Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühling das Leben
zügig heruntergefahren und auch alle Schulen und Heime mussten schliessen. Nach
wie vor sind die meisten Schulen geschlossen und unsere Partner warten
sehnsüchtig darauf, mit dem Schulbetrieb wieder starten zu können. Ob die
Eltern dann ihre Kinder direkt wieder in die Schulen schicken, ist fraglich.
Die Angst vor Corona ist gross und es ist für unsere Projektpartner schwierig,
die Eltern differenziert zu informieren. Die Analphabetenrate im Bundesstaat
Bihar, wo unsere Hauptpartner sind, liegt bei rund 40 Prozent!
Was
bewegt Sie bei Ihrer Arbeit?
Wir
bekommen von unseren Projektpartnern laufend ermutigende Berichte. Obwohl die
Umstände schwierig sind und in diesem Jahr vieles nur eingeschränkt möglich
ist, gehen unsere Partner mit viel Optimismus und Gottvertrauen voran.
Übergriffe auf Christen nehmen zu, trotzdem gründen sie neue Kirchgemeinden und
weihen Kirchengebäude ein. Wie bei uns gibt es auch in Indien ein
Versammlungsverbot. So stellten unsere Partner ihre Arbeit in den Dörfern nicht
ein, sondern um und setzen vermehrt auf Hausgemeinden mit zwei bis drei
Familien.
Als im Frühling die Pandemie in Indien wütete, haben viele Krankenhäuser ihren Betrieb aus Angst ganz eingestellt. Unsere Partner haben kurzerhand ihre Spitäler der Situation angepasst, eine zusätzliche Triage-Klinik eingerichtet und auch dank unserer zusätzlichen finanziellen Hilfe weiteres Material angeschafft. «Unsere» technische Fachhochschule hat rasch auf die Situation reagiert und mittels 3D-Druckern für einige Spitäler Gesichtsschutzschilder hergestellt. Und in all ihren Bemühungen fragen sie immer nach Gottes Wille und Auftrag und gehen im Vertrauen voran. Auf unserer Homepage veröffentlichen wir regelmässig ermutigende «News» aus unseren Projekten.
Was
können wir von den Christen aus Ihren Einsatzländern für unseren Alltag lernen?
Den Mut für
das Leben und das Vertrauen in Gott nicht zu verlieren. Unsere Partner haben
sehr viele Gründe, sich Sorgen zu machen und auch zu verzweifeln. Aber sie tun
es nicht. Als im Frühling die Pandemie bei uns auf einem Höhepunkt angekommen
war, haben sich unsere Projektpartner aus Indien besorgt bei uns gemeldet. Sie
haben in den Medien gelesen, dass in Europa die Ansteckungszahlen sehr hoch
sind. Sie haben uns ermutigt und uns zugesichert, dass sie für uns beten –
täglich. Das hat uns
einerseits sehr gefreut, anderseits auch beschämt, da wir uns bewusst waren,
dass die existenziellen Herausforderungen eher bei ihnen als bei uns sind. Aber
auch bei uns gibt es viele Menschen, die durch die Pandemie in eine schwierige
Situation geraten und verzweifelt sind. Da tut es sehr
gut zu wissen, dass wir Glaubensgeschwister haben, die bei Gott für uns
einstehen, so wie auch wir für unsere Geschwister in den Projektländern beten
und sie unterstützen.
Buch zum Thema:
glauben, lieben, ernten
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Datum: 24.11.2020
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet