Frieden – eine Frage der Beziehung
Frieden ist ein Beziehungsbegriff. Alles, was Beziehungen schädigt, gefährdet auch den Frieden. Sobald Beziehungen gestört werden, verspüren wir Ängste und Spannungen. Werden diese zu stark, reagieren wir kopflos. Wir verhalten uns nicht mehr überlegt und differenziert, sondern impulsiv. Manche Menschen ducken sich dann ganz schnell. Andere brüllen los oder schlagen zu. Drohungen werden ausgesprochen und Schuldige gesucht. Weil dies Angst auslöst, suchen wir gerne nach schnellen Lösungen, einfachen Antworten oder berufen uns auf vermeintlich objektive Fakten. Theologisch sehe ich hinter solchen Angst-Spannungen das, was die Bibel «Sünde» nennt. Denn ob als bewusste Entscheidung oder als Verstrickung in unheilvolle Strukturen ist die Sünde immer ein Angriff auf Beziehungen.
Was sagt die
Bibel zum Thema Frieden?
Ich lese die
Bibel als eine grosse Friedensgeschichte. Das hebräische Wort «Schalom» meint
viel mehr als die Abwesenheit von Krieg. Es kann auch mit Wohlergehen,
Ganz-Sein, Glück oder Harmonie übersetzt werden. Dieser zutiefst positiv
gefüllte Friedensbegriff zielt auf intakte und gerechte Beziehungen. Gott
engagiert sich für diesen gerechten Frieden. Er möchte, dass sich Menschen
aufrichtig in die Augen schauen können. Genauso wie er sich danach sehnt, dass
zwischen ihm und der Menschheit nichts Trennendes steht. Und schliesslich ist
es ihm ein Anliegen, dass alles, was in dieser Welt getrennt und
auseinandergebrochen ist, wieder ganz und heil wird. Eine Schlüsselrolle nimmt
darin Jesus ein. Er wünscht sich, dass wir Menschen seinem Beispiel folgen und
lehrt uns im Schalom zu leben: im Frieden mit Gott, den Mitmenschen und der
Schöpfung.
Weshalb ist
es erstrebenswert, ein friedfertiger Mensch zu sein?
Mir gefällt an
dieser Stelle das Wort «friedfertig». Ursprünglich meint das Adjektiv «fertig»
nicht, dass wir mit etwas am Ende sind. Im Gegenteil. Wer «fertig» ist, begibt
sich auf eine Fahrt und ist in der Lage, etwas zu tun. Ein friedfertiger Mensch
ist demnach jemand, der sich Fertigkeiten für den Frieden aneignet. Jesus
möchte diesen Weg mit uns gehen. Er begegnet uns Menschen mit einer
unglaublichen Barmherzigkeit. Er nagelt uns nicht auf unserem Versagen fest.
Gleichzeitig scheut sich Jesus nie, uns den Spiegel vorzuhalten und uns mit dem
zu konfrontieren, was nicht in Ordnung ist. Aus dieser Kombination von
Barmherzigkeit und Wahrheit besteht Liebe. Friedfertige Menschen üben diese
Liebe ein, um mit den oben erwähnten Angst-Spannungen konstruktiv umgehen zu
können.
Was sagen Sie Menschen, die «dem Frieden zuliebe»
handeln?
Zunächst freue ich mich darüber, dass Menschen den
Frieden lieben. Entscheidend ist aber natürlich, was wir unter Frieden
verstehen. Gerade in christlichen Kreisen gibt es eine verbreitete Vorstellung,
dass es keine Konflikte geben darf. Unter dem Deckel dieses Scheinfriedens
werden jedoch häufig Probleme gehalten, die dann leicht unkontrolliert
explodieren. Die Bibel meint: Ohne Gerechtigkeit gibt es keinen Frieden.
Deshalb muss Ungerechtigkeit mit der Wahrheit konfrontiert werden. Dazu braucht
es einen Konflikt. Und das stresst harmoniebedürftige Menschen natürlich. Wir
können aber lernen, diesen Konflikt in guter Weise auszutragen. Gewalt ist
keine Lösung. Verheissungsvoller ist, Konflikte offen ansprechen, einander
zuhören und trotz abweichender Standpunkte einander emotional verbunden
bleiben.
Wie können wir mit uns selbst Frieden schliessen?
Auch hier gilt, was ich bereits gesagt habe: Frieden
besteht aus einer Mischung von Barmherzigkeit und Wahrheit. Wir müssen daher
lernen, auch mit uns selbst barmherzig zu sein. Wir sind nicht für alles und
alle verantwortlich. Unsere Schwächen und Grenzen dürfen wir anerkennen. Wir
dürfen uns aber auch nicht der Wahrheit verschliessen. Wenn wir stets alles
entschuldigen und grosszügig darüber hinwegsehen, stagnieren wir in unserer
Entwicklung hin zu einer reifen Persönlichkeit. Es geht darum, dass wir uns auf
unser Denken, Fühlen und Handeln konzentrieren, anstatt stets darauf zu
schielen, wie Andere sein und was sie tun sollten. So schliessen wir nicht nur
Frieden mit uns selbst, sondern sind damit auch in der Lage, unseren Anteil an
gesunden Beziehungen zu leisten.
Lukas Amstutz ist SRF-2-Radioprediger und Leiter des Bildungszentrums Bienenberg, Liestal. Info und Kontakt: bienenberg.ch
Dieser Artikel stammt aus dem Jesus.ch-Print Nr. 49 zum Thema «Frieden». Demnächst können Sie hier die neue Ausgabe bestellen oder herunterladen und selbst in Ihrem Umfeld verteilen.
Zum Thema:
Lehrgang zur Konfliktberatung: «Friede ist nicht weich und kuschelig, sondern harte Arbeit»
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Datum: 02.02.2019
Autor: Manuela Herzog
Quelle: Jesus.ch-Print Nr. 49