Aus dem Ghetto, fertig, los!
Die Ausbildungsstätte St. Chrischona besteht schon lange. Sie wurde 1840 gegründet und war eine missionarische Initiative. Ausgebildete "Pilgermissonare" versuchten, den christlichen Glauben im Alltag weiterzugeben und umzusetzen; mit der Bibel als Grundlage.
"Wichtig ist uns auch heute ein verbindliches Christsein. Wir sind gemeinsam unterwegs und versuchen Alltagsdiakonie praktisch zu leben", sagt René Winkler, Leiter der Chrischona Schweiz. Die einzelnen Gemeinden seien unterschiedlich geprägt, von pietistisch-konservativ bis charismatisch.
Denn sie wissen, was sie tun
Für alle gelte: "Wir ziehen uns nicht in ein Ghetto zurück. Es soll nicht nur für uns selber stimmen. Wir leben in dieser Welt und dürfen kein abgeschotteter Club sein. Sondern wir wollen den Menschen und der Gesellschaft dienen." Manche Mitglieder aus Chrischona-Gemeinden investieren sich in Politik und Diakonie. "Die einzelnen Gemeinden entscheiden selbst, was sie an ihrem Ort tun."
Nach den Unwettern im Wallis vor einigen Jahren liessen die rund hundert Studenten des Theologischen Seminars ihre Bücher für eine Woche in den Regalen. Sie reisten in die Westschweiz und halfen aufräumen. In einzelnen Ortschaften kümmert sich die örtliche Chrischona-Gemeinde um Asylanten.
Sie hilft ihnen im Umgang mit Behörden und Schulen, bietet Aufgabenhilfen an, gibt Nähkurse und anderes, sagt René Winkler. Oder im Tessin, in Mendrisio, wird eine Kinderkrippe und in Chiasso ein Mittagstisch und eine Nachschulbetreuung für rund 50 Kinder angeboten.
In verschiedenen Orten gebe es kleinere und grössere Projekte in der Jugendarbeit. In Genf will die Stadtmission eine offene Gemeinde ("Eglise Ouverte") für alle Menschen sein und hat deshalb viele Kontakte zu Menschen, für die Französisch nicht Muttersprache ist.
Das Leben "auf die Reihe kriegen"
"In der Chrischona lernt man das Leben mit Jesus kennen", sagt Chrischona-Chef René Winkler. Das könne man aber bei anderen auch, die Chrischona sei nicht besser oder schlechter als andere Gemeinden. "Wir lernen Beziehung leben und versuchen, das Leben auf die Reihe zu kriegen, geleitet vom Heiligen Geist."
Der Name "Chrischona" ist keine magische Formel, sondern so heisst Basels Hausberg. "Einst waren gar keine Gemeinden geplant. Es begann mit der theologischen Ausbildung für Berufstätige - für Nichtakademiker. Die Gemeinden entstanden erst Jahre und Jahrzehnte später."
Der Chrischona-Verband heisst "Pilgermission St. Chrischona". Nicht etwa weil man auf den Chrischona-Berg pilgern müsste, sondern weil die ausgebildeten Prediger von Ort zu Ort ziehen sollten, um den christlichen Glauben zu verbreiten. Manche bemühten sich um die Eisenbahnarbeiter, viele gingen zu Auswanderern nach Amerika und Afrika. Heute gibt es auf allen Kontinenten Frauen und Männer, die am Seminar auf St. Chrischona ausgebildet wurden.
Auf- und Abwind
Gut unterwegs sei die "Godi-Jugendarbeit" in der Ostschweiz. René Winkler: "Sie wurde gemeinsam mit anderen Freikirchen aufgebaut; die Initianten kamen grösstenteils aus unseren Gemeinden." Ebenfalls zugenommen hätten die evangelistischen Initiativen in den Gemeinden.
Schwer zu finden sei die Balance zwischen bewahren und aufbrechen. "Oft lassen sich die Leute bereits von veränderten Gottesdienstformen verunsichern. Manche möchten gerne wieder zu Formen zurück, die sie lange gewohnt waren. Diesen Trend gibt es aber nicht nur in christlichen Gemeinden. Es gibt ihn genauso in der Gesellschaft. Es fällt uns Christen zuweilen ziemlich schwer, den Inhalt und das Wesen des Reiches Gottes nicht mit Formen gleichzusetzen. Aus meiner Sicht ist die Form neutral, der Inhalt ist wichtig."
Die Chrischona in Zahlen
Gegründet: 1840
Anzahl Gemeinden: 99 in der Schweiz, 70 in Deutschland, 16 in Frankreich sowie 5 in Südafrika und 1 in Namibia.
Anzahl Besucher / Mitglieder: Rund 16'620 Gottesdienstbesucher (über 16jährige).
Tendenz Mitglieder: Eher stagnierend.
Anzahl Mitarbeiter: 143 in der Schweiz, 69 in Deutschland, 18 in Frankreich und 8 in Afrika.
Missionare: Keine Missionare, aber am Theologischen Seminar werden Missionare für andere Gemeinden und Werke ausgebildet. René Winkler: "Das ist unser spezifischer Beitrag zur Weltmission."
Missionsländer: Frankreich, Deutschland und neue deutsche Bundesländer, Norditalien und Südafrika sowie in der Schweiz das Tessin und das Wallis.
Zeitschrift: Chrischona-Panorama (8 Ausgaben pro Jahr)
Aktivitäten: Programme für alle Altersstufen. Kinder und Jugendarbeit.
Letzte gegründete Gemeinde: In Nordfrankreich im Herbst 2006.
Nächste Gemeindegründung: Im französischen Jura in Dijon und in weiteren Städten Frankreichs. Schweiz noch offen.
Befreundete Gemeinden: Wir arbeiten recht eng mit der FEG und FMG zusammen.*
Spezielle Allianzen: Regionale Zusammenarbeit mit verschiedenen Gemeinden.
Struktur: In der Schweiz bilden alle 99 Gemeinden gemeinsam einen Verein. Der Verein wird zentral geführt (Personalführung, rechtliche und finanzielle Administration und anderes mehr).
Ausländer: In den einzelnen Gemeinden verschieden, in einzelnen Gemeinden ziemlich multikulturell.
Werke: Theologisches Seminar St. Chrischona, AMZI (Arbeitsgemeinschaft für das messianische Zeugnis an Israel), Brunnen-Verlag, Diakonissen-Mutterhaus.
Webseite: www.chrischona.ch
*FEG: Freie Evangelische Gemeinden; FMG: Freie Missionsgemeinden, zwei Gemeindeverbände in der Schweiz
Fotos: Birgit-Cathrin Duval / bcmpress (ausser Bild 6)
Datum: 05.03.2007
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch