Was er wirklich kann

Der allmächtige Gott – ein Mythos?

Neulich erlebten wir es: Ein schwieriges Gespräch fand statt und ein paar von uns fanden sich zusammen, um dafür zu beten. Bis ich überlegte: Was tun wir hier eigentlich? Wir bitten Gott, Menschen zu beeinflussen. Kann er das wirklich? Die Frage geht tiefer, als wir zuerst meinen…
Jim Carrey im Film «Bruce Allmächtig» aus dem Jahr 2003.

Viele unserer Zeitgenossen haben sich vom Allmächtigen verabschiedet – von dem Gott, der wie ein ferner Manipulator alles lenkt, steuert und beeinflusst. Von dem, der alles kann und bei dem man nie weiss, wo er seine Allmacht auch anwendet. Zu viel Schlimmes passiert in der Welt. «Wenn Gott allmächtig ist und das Böse nicht verhindert, dann ist er entweder ein herzloser Tyrann – oder eben nicht allmächtig», sagte mir ein Bekannter neulich. Recht hat er.

Die erste Variante fällt weg – nach all dem, was die Bibel beschreibt, was Menschen in allen Jahrhunderten und was ich in meinem Leben erlebe. Gott ist kein Tyrann und nicht herzlos. Er ist die personifizierte Liebe – schauen Sie nur Jesus an, wie unglaublich liebevoll, vorurteilslos und intensiv er mit den Menschen umgegangen ist. 

Gilt dann die zweite Alternative? Ist Gott nicht allmächtig?

Der freiwillige Verzicht

Mehrere Gedankenstränge der Bibel deuten wirklich an, dass der «Allmächtige» so, im absoluten Sinn, nicht existiert, sondern seine Allmacht ein Stück weit beschränkte.
Einige Hinweise:

  • Als Gott Menschen «in seinem Bilde» schuf, kreierte er sie mit einem Willen und der Freiheit, Ja und Nein zu sagen. Das bedeutet: Gott hat seine umfassende Allmacht bereits eingeschränkt, als auf einmal Menschen da waren, die sich entscheiden konnten, und zwar für oder gegen ihn. Leider ging die Entscheidung in die zweite Richtung. Das Böse in der Welt ist der Beweis: Menschen entscheiden sich bis heute millionenfach gegen diesen Gott, gegen das Gute und für das Böse. Und Gott vernichtet sie nicht einfach, sondern achtet diese Entscheidung. Unser freier Wille schränkt Gottes «Allmacht» ein.

  • Als Gott Mensch wurde, entleerte er sich der meisten göttlichen Eigenschaften. Jesus verzichtete auf alle übernatürlichen Fähigkeiten, die Gott auszeichnen, und lebte ein normales Menschenleben in totaler Abhängigkeit von seinem Vater. Seine Wunder tat er nicht als "heimlicher Gott", sondern als völlig gehorsamer Mensch. 

  • Als Jesus am Kreuz hing, entschied er sich für die äusserste Machtlosigkeit. Der, durch den alles geschaffen wurde, liess sich hinrichten. Er griff nicht ein. Er besiegte das Böse «von innen», indem er sich den Mächten des Todes völlig hingab.

Gottes «Liebeswerbung»

Der christliche Glaube ist nicht Glaube an einen totalitären «Allmächtigen», der im Himmel hockt und tut, was er will. Die ganze Bibel macht deutlich: Die uns zugewandte Seite Gottes hat ein Gesicht, nämlich Jesus. Und uns gegenüber wird sein Handeln nicht vor allem durch seine Allmacht, sondern durch seine Liebe und seine Gerechtigkeit bestimmt.

Eines der bewegendsten Worte der Bibel findet sich in den Sprüchen (Kapitel 23, Vers 26): «Gib mir, mein Sohn, dein Herz und lass dir meine Wege gefallen». Hier spricht nicht ein Allmächtiger, der über uns verfügt und uns wie Marionetten manipuliert. Hier spricht ein Liebender, der wirbt. Jeder Mann, der schon mal um eine Frau geworben hat, weiss, wie das mit Zittern und Hoffen und Bangen verbunden ist. Liebe kann man einfach nicht manipulieren. Der Ausgang ist offen.

Reaktion: «Glauben»

Unsere Antwort auf dieses liebende Werben Gottes nennen wir «Glauben». Eigentlich: «Ich entscheide mich, mich diesem Gott anzuvertrauen, zu gehorchen und seinem Sohn nachzufolgen.»

Das Reformationsjahr 2017 ruft es uns wieder in Erinnerung: «Sola Fide» kommen wir zu Gott – allein durch Glauben. Wir können ihn durch unsere guten Taten nicht beeindrucken, aber unser Herz, danach sehnt er sich. Der Allmächtige ist auf unsere Ebene herabgekommen und hat alles getan, uns in Liebe für sich zu gewinnen. Denn dafür sind wir geschaffen.

Und hier schliesst sich der Kreis. Wer auf diese Liebe Gottes antwortet, erlebt den «relativ Allmächtigen» auf vielfältige, wunderbare und übernatürlich kraftvolle Art. Dazu gehört auch, dass er «Menschenherzen lenkt wie Wasserbäche» (Psalm 33, Vers 15). Aber er spielt seine Allmacht nie aus, sondern kanalisiert sie immer in Liebe. 

Zum Thema:
Allah, der Allmächtige
Trost: Was Gott nicht kann
Weihnachten: Gott ganz anders: «Kleiner Gott, wir lieben dich»

Datum: 12.01.2017
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Jesus.ch

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