So entstand «So nimm denn meine Hände»
Die Hymne «So nimm denn meine Hände» zeugt von Tiefe. In ihr ist von Verlust zu lesen und gleichzeitig eine Gewissheit zu spüren. Die Zeilen geschrieben hat Julie Katharina von Hausmann, die in Riga im heutigen Lettland zur Welt gekommen ist. Ihr Vater, der zum baltischen Grossbürgertum gehörte, arbeitete als Gymnasiallaborlehrer. In ihren Teenagerjahren fand Julie zum christlichen Glauben und sie begann, geistliche Gedichte zu verfassen.
Tragische Liebesgeschichte
Laut Überlieferung entstand das Lied «So nimm denn meine Hände» wie folgt: Julie verliebte sich in einen jungen Pastor, der Menschen, die noch nie etwas von Jesus gehört hatten, die frohe Botschaft erzählte. Der Abreisetermin nach Afrika, wo er auf einer Missionsstation arbeiten sollte, stand bereits fest. Das junge Paar verlobte sich noch vor seiner Abreise. Julie sollte die nötigen Visen einholen und dann nachreisen. Er wollte vor Ort in der Zwischenzeit ein Haus vorbereiten und alles organisieren, so dass die beiden gleich nach ihrer Ankunft in ihrem neuen Daheim würden heiraten können.
Nach mehreren Monaten war auch Julie im Besitz der Papiere, die sie brauchte, um die Länder, die es zu durchqueren galt, auch wirklich passieren zu können. Und so begann bald auch ihre Reise – damals natürlich noch ohne Flugzeug, denn Julie lebte von 1826 bis 1901. Eine lange Schifffahrt begann.
Als das Schiff nach mehreren Wochen schliesslich am Zielhafen anlegt, wartet da jedoch am Kai nicht ihr Verlobter. Sie fragt sich durch, stellt einen Träger und einen Führer an, die sie zur Missionsstation führen. Dort eröffnet ihr der Leiter, dass ihr zukünftiger Mann drei Tage vorher an einer Seuche gestorben ist. Julie wird ans Grab geführt. Die gemeinsame Zukunft auf dem neuen Kontinent endet, bevor sie angefangen hat.
Trost in Trauer
Tief betroffen und entkräftet schrieb sie die an Gott gerichteten Zeilen, «So nimm den meine Hände» und «Ich mag allein nicht gehen, nicht einen Schritt» bis hin zu «Du führst mich doch zum Ziele auch durch die Nacht: so nimm denn meine Hände und führe mich bis an mein selig Ende und ewiglich!»
Veröffentlicht wurde das Lied 1862 mit einer Melodie von Friedrich Silcher, das er 1842 für ein Abendgebet geschrieben hatte. Julie hatte ihre Zeilen bewusst auf diese Melodie getextet.
Ein alleiniges Bleiben in Afrika war für sie nicht möglich und so kehrte sie nach einiger Zeit zurück nach Osteuropa, wo sie sich nach mehreren Umzügen in St. Peterburg niederliess.
Rund 30 Jahre später starb sie während ihren Ferien im russischen Wösso an einem Strand.
Liedtext
1. So nimm denn meine Hände und führe mich
bis an mein selig Ende und ewiglich.
Ich mag allein nicht gehen, nicht einen Schritt:
wo du wirst gehn und stehen, da nimm mich mit.
2. In dein Erbarmen hülle mein schwaches Herz
und mach es gänzlich stille in Freud und Schmerz.
Lass ruhn zu deinen Füssen dein armes Kind:
es will die Augen schliessen und glauben blind.
3. Wenn ich auch gleich nichts fühle von deiner Macht,
du führst mich doch zum Ziele auch durch die Nacht:
so nimm denn meine Hände und führe mich
bis an mein selig Ende und ewiglich!
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Datum: 05.10.2015
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet