«Es ist alles gut!»
2005 wurde Manuel geboren. Er schien gesund, es gab keinen Anlass zur Sorge. Sechzehn Monate später kam Nicola zu Welt. Als Christin bei der Geburt nach dem Zustand des Babys fragte, antwortete ihr Mann Dres (Kurzform für Andreas): «Es ist alles gut!» Die Aussage sollte zum Motto werden. Als bei Nicola dann Trisomie 21 diagnostizierte wurde, mussten Grafs dies erstmals verarbeiten, bis sie zu einem «es ist alles gut!» finden konnten.
Während bei Nicola die Beeinträchtigung offensichtlich war, wurde die langsame Entwicklung bei Manuel lange nicht dramatisiert. «Erst als er mit zwei Jahren noch nicht gehen konnte, gingen wir mit ihm zur Kinderärztin.» Ein Jahr später tauchten gesundheitliche Probleme auf, doch die zahlreichen Untersuchungen blieben lange ergebnislos. Letztlich brauchte Manuel eine Nierenoperation. Es waren insgesamt anderthalb Jahre mit ungezählten Arztterminen.
Verschiedene Lebensphasen
Es war eine intensive Zeit. Nicola musste zur Physiotherapie begleitet werden und beide Jungs einmal wöchentlich zur Logopädie. Dank der Unterstützung ihrer Schwiegereltern konnte Christin aber immer wieder entspannte Momente geniessen. Auch ihre Eltern kamen regelmässig zu Besuch und halfen tatkräftig mit. Ganz besonders betont Christin, wie sie mit all ihren Sorgen zu Gott kommen und aus seiner erfahrbaren Nähe Kraft schöpfen konnte. Das gab ihr Kraft, die Gottesbeziehung ist ihr von grösstem Wert.
Als Manuel und Nicola älter wurden, brauchten sie etwas weniger Betreuung. Christin freute sich, dass Nicola trotz Down-Syndrom teilweise die normale Schule besuchen konnte und dort gut integriert war. Für sie war es ein Highlight, als sich ein Kind auf der Skipiste zu ihnen gesellte. «Nicola, kommst du mit mir auf Skilift?», fragte es ganz selbstverständlich.
Als Mutter freut sie sich immer, wenn sie sieht, dass ihre Söhne trotz Beeinträchtigungen gut integriert sind. Nach relativ unkomplizierten Jahren stellen sich jetzt wieder neue Fragen. Die beiden kommen aus dem Schulalter und eine neue Lebensphase beginnt. Werden sie sich in der Gesellschaft integrieren können?
Insieme 21
Eltern von Kindern mit einer Beeinträchtigung sind auf Unterstützung angewiesen. Während bei Manuel, abgesehen von ADHS und Anteilen von Autismus, bis heute keine klare Diagnose vorliegt, war die Situation bei Nicola von Anfang an klar. Das machte es einfacher.
Kurz nach Nicolas Geburt meldete sich eine flüchtig Bekannte und bot Hilfe an. Sie hatte selbst ein Kind mit Downsyndrom und lud Grafs zu einem Treffen des Vereins Insieme 21 ein. Der Verein Insieme unterstützt Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung. Insieme 21 ist ein Teil des Vereins und richtet sich spezifisch an Menschen mit Trisomie 21. Kurz darauf wurden Grafs Mitglied von Insieme 21 und 2014 übernahm Christin die Regionalleitung im Berner Oberland.
Ein Engagement für den Wert des Lebens
«Als ich 2014 Regio Leiterin wurde, begann ich damit, alle Frauenärzte in der Umgebung zu besuchen.» Sie will den Verein bekannt machen, um Hilfe effizient anbieten zu können. Ein grosser Teil des Engagement ist die Hilfe für Leute, die während der Schwangerschaft die Diagnose Trisomie 21 erhalten. Doch auch in den Monaten nach der Geburt nehmen Menschen Hilfe in Anspruch. «Vereinzelt melden sich auch Leute, deren Downsyndrom Kind schon mehrere Jahre alt ist.» Für viele ist es eine enorme Hilfe, sich bei verschiedensten Fragen mit Menschen auszutauschen, die in einer ähnlichen Situation sind. «Im Verein sind wir gut vernetzt. Wenn jemand beispielsweise einen geeigneten Logopäden sucht, kann vielleicht jemand weiterhelfen.»
«Heute werden 98 Prozent der Kinder, bei denen während der Schwangerschaft Trisomie 21 diagnostiziert wurde, abgetrieben.» Besonders betroffen ist sie, weil viele dieser Menschen trotz ihrer Beeinträchtigung ein gesundes und glückliches Leben führen könnten.
Mannschaftssport für alle
«Im Mannschaftsport ist die Integration beeinträchtigter Kinder eine grosse Herausforderung. Schliesslich wollen Kinder ja gewinnen.» Christin war begeistert, als sie davon hörte, dass in Luzern Fussball für Downsyndrom-Kinder angeboten wurde. So gründete sie im Berner Oberland ebenfalls einen Fussballverein für beeinträchtigte Kinder. Ein Fussballtrainer konnte gewonnen werden. Heute machen sie bei Turnieren von den Special Olympics mit, einer Sportorganisation für Beeinträchtigte. Dort können alle, unabhängig ihrer Beeinträchtigung, in einem Team eine wichtige Rolle einnehmen.
Rühmend äussert sich Christin zu Sportklubs, wie beispielsweise dem FC Thun, die sich durch ihr soziales Engagement auszeichnen. Mit besagtem Verein fühlt sich gerade Nicola besonders verbunden. Einmal klammerte er sich an Marvin Spielmann, bis dieser ihm ein Trikot versprach. Inzwischen ergatterte er nach Matches auch die Trikots von weiteren Spielern und von einem Torwart erhielt er die Handschuhe. Etwas humorvoll wurde Nicola aus den Reihen des Vereins einmal als «so etwas wie das Maskottchen vom FC Thun» bezeichnet.
Christin wüsste noch manche Anekdote von ihren Söhnen zu erzählen – viele spielten sich in ihrer Nachbarschaft ab. Sie ist stolz auf ihre Söhne und geniesst das Familienleben. Immer wieder erinnert sie sich dabei an die Worte von Dres bei Nicolas Geburt: «Es ist alles gut!»
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Insieme21
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Datum: 27.07.2022
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Jesus.ch