«Ich habe meine eigene Abtreibung überlebt»
Von klein auf wusste ich, dass ich zu früh auf die Welt gekommen bin und dass ich adoptiert wurde. Ich wusste, dass ich sehr klein und ziemlich krank war und dass die Ärzte keine guten Prognosen für mein Leben gehabt hatten. Aber damit habe ich mich nie beschäftigt, denn ich war kerngesund, gehörte zu einer wunderbaren Familie, ich wurde geliebt und mein Leben war schön.
Erst als ich 14 war, erfuhr ich die ganze Wahrheit. Meine ältere Schwester wurde ungewollt schwanger und zog eine Abtreibung in Erwägung. Erst da erzählte uns meine Adoptivmutter von den schockierenden Umstände meiner Geburt. Sie sagte: «Melissa, wir wollten das nicht vor dir geheim halten. Es ist nicht leicht, dir das jetzt zu sagen. Bitte vergiss nicht, dass wir dich immer lieben werden.» Und dann stiess sie hervor: «Melissa, deine Mutter hat dich im fünften Monat abgetrieben und du hast es überlebt.»
Abgetrieben und doch am Leben
Ich hatte eine Salzabtreibung überlebt. Bei dieser Methode punktiert man die Fruchtblase und lässt das Fruchtwasser ab. Stattdessen spritzt man eine hochkonzentrierte Salzlösung, die das Baby schluckt und innerhalb von 24 Stunden innerlich verätzt. Normalerweise. Ich wurde auf die Welt gebracht und entsorgt. Doch eine Krankenschwester hörte, dass ich im Abfall wimmerte, dass ich noch am Leben war! Sie brachte mich auf die neonatologische Station und nach drei Monaten intensiver Behandlung kam ich zu meinen jetzigen Eltern. Die Ärzte glaubten, dass ich durch die Abtreibung vermutlich Entwicklungs-, Seh-, und Gehörstörungen haben würde. Doch wie durch ein Wunder wurde ich vollkommen gesund. Alles war in Ordnung. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich das alles erfuhr.
Was bin ich wert?
Die Wahrheit platzte wie eine Bombe in mein Leben und sie hinterliess ein regelrechtes Chaos in mir. Immer wieder fragte ich mich: Warum? Warum traf meine leibliche Mutter die Entscheidung, mein Leben zu beenden? War ich so ungewollt? So ungeliebt, dass man so etwas durchziehen kann? Ich wusste, dass Jesus mich liebt und dass meine Familie mich liebt, aber das konnte nicht den furchtbaren Schmerz in mir stillen. Dazu kamen Wut, Scham und sogar Schuldgefühle.
Ich ging durch eine sehr schwere Zeit, versuchte, meine Gefühle in Alkohol zu ertränken und erkrankte an Bulimie. Erst nach und nach lernte ich, mein Schicksal anzunehmen. Zu wissen, dass Gott gut ist und dass er mein Leben in seiner Hand hält, hat mir geholfen, mich wieder zu fangen. Ich musste lernen, dass Gott festlegt, wie viel ich wert bin, und nicht meine leiblichen Eltern. Mit Hilfe meines Glaubens entschied ich mich auch, meinen leiblichen Eltern zu vergeben. Das macht, was geschehen ist, nicht richtig. Aber es hat mich von Bitterkeit und Schmerz befreit.
Mein Schicksal soll anderen Mut machen
Lange hatte ich Angst davor, selbst einmal Mutter zu werden. Gott musste erst sehr viel in mir heilen. Meine Tochter Olivia kam in dem selben Krankenhaus zur Welt, in dem ich damals um mein Leben kämpfte. Heute kann ich erhobenen Hauptes an diesem Krankenhaus vorbeifahren. Nicht nur, weil durch meine Tochter wunderbare Erinnerungen an dieses Haus verknüpft sind, sondern auch, weil ich heute sehen kann, dass Gott an mir ein Wunder getan hat. Er hat mich immer in seinen Händen gehalten. Er hat mir dieses Schicksal zugetraut, damit ich seine Liebe weitergeben und anderen Menschen Mut machen kann.
Einem Kind Leben zu schenken, ist das Schönste, was eine Frau tun kann. Und wenn sie das Gefühl hat, nicht für das Baby sorgen zu können, möchte ich Mut machen, ihm trotzdem das Leben zu lassen und es einer anderen Familie anzuvertrauen. Ungeborene können nicht sagen, dass sie leben wollen. Aber ich möchte ihnen eine Stimme verleihen.
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Datum: 03.07.2018
Autor: Miriam Hinrichs
Quelle: Jesus.ch / cbn.com / focus.de