«Besonders Teenager suchen Seelsorge im Chat»
Livenet: Marcel Garaventa, Sie leiten seit 2010 den Chat von Livenet und Jesus.ch. Wie kamen Sie zu dieser Arbeit?
Marcel Garaventa: Zuerst war ich als Gast im Chat, das war im Jahr 2004. Ich merkte rasch, dass Seelsorge im Chat ein grosses Bedürfnis ist. So habe ich die Seelsorge-Ausbildung bei Igis gemacht und bin dann als Seelsorger zum Chat-Team dazu gestossen und habe im Jahr 2010 die Leitung übernommen.
Es gibt Menschen, die müssen sich ihre Probleme von der Seele reden. Andere wiederum können in heiklen Situationen nicht mehr sprechen. Ihnen verschlägt es die Sprache. Für solche ist die Chat-Seelsorge ein idealer Ort. Schreiben geht in solchen Situationen leichter.
Bei Teenagern kommt oft noch ein Faktor hinzu: Sie leben in einer Zeit, wo sie die Eltern als schwierig empfinden. Deshalb erzählen sie zu Hause eher nicht von ihren Problemen. Sie suchen sich ihre Hilfe lieber auswärts. Da aber das Taschengeld rar ist, wird oft im Internet nach Rat gesucht. Ist dort eine Person anwesend, die ihnen in erster Linie mal zuhört und versucht, sie zu verstehen, sind sie bald mal gewillt, mehr zu erzählen. Seelsorger im Chat können aber keine Therapie anbieten. Sie können jedoch auf entsprechende Fachpersonen verweisen, wenn dies angebracht ist.
Was sind so Themen, die in der Chat-Seelsorge angegangen werden?
Anfangs war das grosse Thema «Niemand liebt mich, niemand knuddelt mich, niemand rührt ich an.» In der Regel sind dies Mädchen im Alter zwischen 10 und 15 Jahren, die keine männliche Bezugsperson zu Hause haben, die sie auch mal in die Arme nehmen. Da aus heutiger Sicht alles Belästigung ist, was mit Berührung zu tun hat, stellen solche Personen mit beginnender Pubertät fest, dass ihnen dies fehlt. Mittlerweile haben wir aber Menschen jeglichen Alters im Chat. Darum sind die Themen auch vielfältiger. Dazu kommt, dass es auch so Wellen gibt, was heikle Themen sind. Diese ändern sich von Zeit zu Zeit. In den 10 Jahren hatte ich aber schon mit Liebe, Liebeskummer, Kontrolle, seelischen Verletzungen, Missbrauch, Belästigung, Vergewaltigung, Suizid, Essstörungen, Pornografie, Selbstbefriedigung, Laster, Lieblosigkeit, Scheidung, Todesfall, Trennung und Verletzungen in der christlichen Gemeinde zu tun.
Wie viele Personen arbeiten im Chat mit?
Zurzeit sind wir vier Männer im öffentlichen Chat, mit mir. Leider fehlt eine Frau in unserem Team. Denn für Seelsorgegespräche wäre es schön, geschlechterspezifisch eine Beratung anbieten zu können. Ausserdem suchen wir auch Themenleiter, also Personen, die Chats zu spezifischen Themen leiten können. Auch weitere Moderatoren können wir gebrauchen. Es braucht zwar jeweils nur ein oder zwei Moderatoren im Chat, aber wir möchten 24 Stunden abdecken können. Mit vier Personen ist dies momentan nicht möglich.
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Freiwillige Mitarbeiter gesucht
Würden Sie gern ehrenamtlich beim Livenet-Chat als Moderator oder Seelsorger mitarbeiten? Bitte melden Sie sich bei marcel.garaventa@hotmail.ch.
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Autor: Anja Janki
Quelle: Livenet