«Ich glaube…»

Über den Sinn von Glaubens-Bekenntnissen

Den Glauben bekennen
Ist ein «Credo» veraltet oder zeitgemäss? Muss man es als Kirche haben oder braucht man es nicht mehr? Wie kam es überhaupt dazu, dass Glaubensbekenntnisse formuliert wurden?

Alle stehen auf und ein Murmeln und Raunen geht durch die Gottesdienstreihen: «Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde…» Niemand möchte sich lautstärkemässig vordrängen und es sind auch nicht alle textsicher, aber die meisten rezitieren die Zeilen aus dem fünften Jahrhundert routiniert und gleichzeitig andächtig. Beim Sprechen macht sich wahrscheinlich niemand Gedanken darüber, dass hier nicht DAS Glaubensbekenntnis zitiert wird, sondern EINES von vielen. Der Text erinnert auch nicht daran, dass jede Formulierung darin erkämpft und erstritten wurde – letztlich wurde es «Apostolisches Glaubensbekenntnis» genannt, um seine Aussagen mit der Autorität der Apostel aufzuladen. Im Nachhinein gesehen war dies nicht nötig, denn man hat Formulierungen gefunden, die damals wie heute breiter Konsens sind. So schliesst auch die Gemeinde einmütig in einem gemeinsamen: «…Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben. Amen.»

Die alten Bekenntnisse

Die Verbreitung und Akzeptanz des Apostolicums täuschen manchmal darüber hinweg, was ein Glaubensbekenntnis eigentlich ist: nämlich keine komplette Zusammenfassung der wichtigsten Glaubensinhalte, sondern eine zeitgebundene Antwort auf Anfragen an den Glauben. Nicht umsonst gibt es mehrere Bekenntnisse der alten Kirche. Von den meisten hat man wahrscheinlich den Namen einmal gehört und verbindet wenig Inhaltliches damit, wenn man nicht gerade Theologin oder Theologe ist. Da gibt es zum Beispiel das Bekenntnis von Nicäa, das im Jahr 325 nach dem ersten ökumenischen Konzil verabschiedet wurde. Es wird auch als «der Glaube der 318 heiligen Väter» bezeichnet, weil so viele Bischöfe dabei mitsprachen. Sein Schwerpunkt liegt darauf, dass es die Wesensgleichheit zwischen Gott dem Vater und Jesus Christus unterstreicht – damit grenzt es sich von einem damals stark verbreiteten besonders betonten Monotheismus ab (dem Arianismus). Spätere Bekenntnisse unterstrichen die Dreieinigkeit Gottes oder entfalteten die Christologie weiter. Je detaillierter die Konzile in Konstantinopel oder Chalcedon wurden, desto kleiner wurde allerdings auch die Gruppe derer, die mitging. So trennten sich im fünften Jahrhundert die orthodoxen Ostkirchen von der Westkirche. 

Die beiden Aspekte der Trennung/Abgrenzung und der Identitätsstiftung gehören seit den ersten Glaubensbekenntnissen dazu. Als Philipp Melanchthon nach der Reformation die «Confessio Augustana» verfasste, hatte er ebenfalls beides im Sinn: eine klare Abgrenzung gegenüber der katholischen Kirche und ein eigenes Selbstverständnis als protestantische Kirche. Ähnliches gilt für das katholische Credo nach der Gegenreformation und auch für reformierte und täuferische Bekenntnisse. Manches in diesen alten Texten klingt selbstverständlich, manches hat sich eher überlebt, aber vieles ist längst Allgemeingut – wie das Sprechen des Apostolischen Glaubensbekenntnisses in Gottesdiensten bis heute unterstreicht.

Neue Klarheit

Weil ein Credo immer auch Antwort auf aktuelle Zeit- und Denkströmungen ist, gibt es für einzelne Kirchen und Freikirchen oft eigene Formulierungen, in denen sie besondere Elemente ihres Selbstverständnisses klarstellen: Taufe, Heiligung etc. So betont zum Beispiel die Glaubensgemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten in ihren 28 Glaubensartikeln nicht nur ihr Verständnis von Bibel und Dreieinigkeit, sondern auch ihre Lehre vom Sabbat. Ähnliches gilt für die meisten Konfessionen. Zum Teil antworten Bekenntnisse auch auf politische Herausforderungen, so wie zum Bespiel die berühmt gewordene «Barmer Theologische Erklärung» eine Reaktion der Bekennenden Kirche gegen den Nationalsozialismus war. Ähnliches gilt für das Soziale Bekenntnis der Methodistenkirche, das Diakonie ins Glaubensbekenntnis integriert. Je nach Fokus betonen auch diese neueren Bekenntnisse eher die Abgrenzung von «falscher Lehre» oder die Identitätsfindung als eigene Gruppe von Glaubenden. Das reicht in jüngerer Zeit von progressiven Glaubensbekenntnissen, die möglichst inklusiv formuliert sind, bis hin zu Bekenntnisbewegungen, die in Bezug auf einzelne ethische Fragen Klarheit vermitteln wollen.

Mut zu Bekenntnis und Dialog

In der Verfilmung von Dan Browns Roman «Sakrileg» kommt eine Szene vor, in der die frühen Kirchenkonzile als machtorientierte Streiterei bis hin zur Schlägerei dargestellt werden. Diese überzogene Darstellung wird dem Anliegen von Glaubensbekenntnissen nicht gerecht! Hier streiten und verhandeln Gläubige, überlegen, beten und gewichten Aussagen miteinander. Sie wollen dabei ihr eigenes Glaubensprofil schärfen und als Christen in ihrer Gesellschaft sprachfähig bleiben. Das grenzt immer auch ab – es muss dadurch aber nicht verletzend werden. 

Die grossen biblischen Bekenntnisse zu Christus unterstreichen das deutlich. Sie stammen zum Beispiel von Petrus, der irgendwann begreift: «Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!» Bekenntnis, Dialog, Auseinandersetzung und ein Einladen zum Glauben müssen sich also nicht widersprechen. Im Zuge steigender gesellschaftlicher Unsicherheit wächst nicht nur in Kirchen und Gemeinden die Sehnsucht nach neuer Klarheit. Gute Bekenntnisse können dies unterstützen. Spannend ist gleichzeitig, dass es Kirchen und Freikirchen gibt, die dagegenhalten und bewusst bekenntnisfrei sind wie zum Beispiel der Baptistenbund oder die evangelisch-reformierten Kirchen der Schweiz. Offensichtlich geht es beim Bekenntnis nicht um ein Festschreiben, wer «drinnen» und wer «draussen» ist, sondern um einen stabilen Glauben und das Reden darüber.

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Datum: 12.03.2025
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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