«Gott zeigte sich mir als liebender Vater»
Ich bin in New York City geboren und aufgewachsen, als jüngstes Kind einer christlichen, Puerto Ricanischen Familie. Mein Vater war ein angesehener Pastor, was ihn nicht abhielt meine Mutter und uns Kinder wegen einer anderen Frau zu verlassen. Ich war damals fünf Jahre alt und für mich brach damit meine ach so heile Welt wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
Bis dahin hatte ich meinen Vater vergöttert. Er war mein Held, mein alles. Ich begriff nicht, dass er nicht wieder kommen würde, dass er uns einfach so im Stich gelassen hatte. Er war doch ein guter Mann, ein Pastor!
Gewalt als Ventil
Je älter ich wurde, desto mehr erkannte ich, wie sehr er uns betrogen hatte. Meine Mutter mühte sich ab, um uns durchzubringen. Er liess sich nicht mehr blicken. In mir wuchs die Wut und ich hatte nur ein Ventil, sie rauszulassen: Gewalt.
Mit Gewalt bekam ich, was ich wollte. Durch sie fühlte ich mich sicher. Es war mein Weg, Stress abzubauen. Je gewalttätiger ich tagsüber war, desto einfacher konnte ich abends einschlafen.
Auf der Spur der Gewalt
Ich flog aus jeder Schule. Mit 16 Jahren schloss ich mich einer Strassen-Gang an. Durch sie fand ich Zugehörigkeit, Sicherheit und auch finanzielle Absicherung. Wir glaubten alle an das Gleiche: Gewalt.
In den folgenden zehn Jahren war ich mehr als 30 Mal im Gefängnis. Wegen bewaffneten Raubüberfalls, Körperverletzung und anderer Gewaltverbrechen. Das war mir nicht egal. Ich wollte raus aus diesem Teufelskreislauf, aber ich wusste nicht wie. Ich war so aggressiv und gewalttätig. Und ich hatte nichts anderes gelernt. Dieses Leben schien mein Schicksal zu sein. Ich wusste keinen Ausweg und hatte keine Perspektive.
Mit 26 Jahren wurde ich wieder einmal festgenommen, dieses Mal war ich im Besitz illegaler Waffen. Ich wurde zu sieben Jahren Haft in einem Hochsicherheitsgefängnis verurteilt. Ich spürte keine Reue, keine Schuldgefühle, eigentlich gar keine Emotionen. Ich war innerlich abgestorben. Völlig gefühllos auch mir selbst gegenüber. Nach sechs Jahren im Knast war ich in eine Schlägerei verwickelt. Als Strafe musste ich die restliche Zeit in Einzelhaft absitzen.
Allein mit mir selbst
24 Stunden lang, sieben Tage die Woche allein zu sein, war das Schlimmste, was ich je erlebt hatte. Es war grauenhaft. Da schien sogar Selbstmord eine gute Alternative zu sein.
Eines Tages schenkte mir ein Wärter eine Bibel. Aber damit wollte ich nichts zu tun haben. Mit Gott hatte ich schon einmal schlechte Erfahrungen gemacht. Ich warf das Buch in die Ecke. Da lag es nun. 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, allein mit mir in diesem Raum. Und es war, als würde es zu mir sagen: «Ich bin da, Gott ist da.»
Irgendwann nahm ich die Bibel doch und fing an zu lesen. Gleichzeitig bekam ich zum ersten Mal seit langem wieder Schuldgefühle. Ich war wirklich der Schlimmste von allen. Konnte es überhaupt einen Gott geben, der mir vergibt?
Gott zeigt sich
Eines Nachts, als ich in der Bibel las, öffnete Gott mir meine Augen und ich sah meine ganze Zelle, inklusive mir selbst, in Flammen. Ich wusste, dass ich ohne Gott verloren bin. Gleichzeitig stellte sich alles in mir gegen Gott. Ich konnte nicht so werden, wie mein Vater. Ich weinte und schrie zu Gott: «Ich werde niemals sein wie er! Ich kann kein Christ werden!»
Und Gott antwortete. Seine Antwort war anders, als ich gedacht hatte. Voller Liebe und Sanftmut redete er zu mir und sagte: «Ich verstehe dich. Du sehnst dich nach einem Vater. Ich weiss, wie es in dir aussieht. Ich bin dein Vater.» Ich war überwältigt. Gott zeigte sich mir als liebender Vater. Er selbst brachte mir so tiefe Wertschätzung und Liebe entgegen. Das, wonach ich mich von Klein auf gesehnt hatte. Es war, als würde durch diese Liebe eine schwere Last von mir fallen. Sie war einfach weg.
Leben mit Gott
Ich war nicht sofort ein anderer Mensch. Aber in dieser Nacht hat die Liebe in meinem Leben einen neuen Anfang gemacht. In den darauffolgenden Jahren betete ich, dass Gott in mein Leben kommt. Ich gab ihm das, was von mir übrig war. Nach und nach machte Gott mich frei von Wut, Aggression und meiner Vergangenheit. Ich lernte, meinem Vater zu vergeben.
Ich bin so dankbar, dass Gott mir in Liebe begegnet ist. Heute weiss ich, dass er immer da war. Er hat mich nie verlassen. Und er hat mir den Schleier von den Augen genommen, dass ich ihn erkennen kann. Inzwischen bin ich verheiratet und habe selbst einen Sohn. Immer wieder besuche ich Menschen im Gefängnis und erzähle ihnen, dass Gott sie sieht und sie liebt. Niemand ist zu böse oder zu unwichtig für Gott. Er ist unser liebevoller Vater.
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Datum: 29.09.2015
Autor: Miriam Hinrichs
Quelle: Jesus.ch / abnergarciafalero.com