Patchwork Familie perfekt unperfekt
Regine und Christoph Schmutz aus Bowil haben beide eine Scheidung hinter sich. Nachdem alle Rettungsversuche misslungen waren, galt es einzusehen, dass ihre Ehe als Ganzes gescheitert war. Beide erlebten schwierige Zeiten, mussten den Schock und die Tatsache verdauen, es nicht geschafft zu haben. Auch wurden sie sich schmerzvoll bewusst, dass ihre Kinder in einer kaputten Familie aufwachsen würden. Dies erzählen die beiden im Gespräch mit Jesus.ch.
Jesus.ch: Frisch getrennt – wie seid ihr mit dieser neuen Lebenssituation umgegangen?
Regine Schmutz: Am Anfang bin ich viel in den Ausgang, habe mich rasch auf neue Bekanntschaften und Beziehungen eingelassen. Es hat abgelenkt, aber passte eigentlich nicht in mein Leben mit den beiden kleinen Buben. Ich hatte keine Ahnung, wie ich mich verhalten sollte, erlitt die totale Identitätskrise. Man passt nicht mehr zu den Familien, aber auch nicht zu den Singles. Ich war absolut orientierungslos!
Christoph Schmutz: Ich habe viel gearbeitet, ebenfalls um mich abzulenken. Ich wohnte allein in Grosshöchstetten, war aber kaum einen Abend zu Hause. Meinen Sohn sah ich damals jede Woche einen Tag und zusätzlich an jedem zweiten Wochenende, sonst war er bei meiner Ex-Frau. Meinen Schmerz habe ich zunächst verdrängt. Später suchte ich Rat bei einem christlichen Coach. Dann kam alles an die Oberfläche. Die Rückendeckung der Kirche war für mich sehr wichtig und auch der Kurs «lieben – scheitern – leben» von «Family Life» hat mir sehr geholfen. Dort konnte ich die Verletzungen aus der Ehe und Scheidung aufarbeiten.
Wie seid ihr mit euren Ex-Partnern umgegangen?
Regine: Die ersten beiden Jahre herrschte Krieg. Es war schrecklich. In dieser Zeit
gingen die Jungs (damals 1 und 3), eine zeitlang nicht zu meinem Ex-Mann. Zum Glück haben mich meine Eltern unterstützt. Ich wüsste nicht, wie ich das sonst alles geschafft hätte.
Christoph: Bei mir war es ein Auf und Ab. Unsere Kommunikation war grundsätzlich sehr schlecht. Wir konnten uns nicht aussprechen – eigentlich bis heute nicht… Mit der Zeit wurde der Umgang zwar besser und respektvoller, blieb aber distanziert.
Regine: Wir haben es nach dem «Krieg» tatsächlich geschafft, uns auszusprechen. Dabei half mir ebenfalls der Kurs «lieben – scheitern – leben». Dort konnte ich meine Fehler erkennen. An einem Abend ging es um die Anschuldigungen dem Ex-Partner gegenüber. Wir konnten alles aufschreiben. Dann verbrannten wir als Gruppe diese Zettel. Das hat mir sehr geholfen, meinem Ex-Mann zu vergeben.
Habt ihr euch an diesem Kurs für Getrennte und Geschiedene kennengelernt?
Christoph: Nein, wir besuchten den Kurs separat und durchliefen diesen Prozess unabhängig voneinander. Kennengelernt haben wir uns in der Freikirche ICF Emmental, der heutigen Hope & Life Church in Hasle-Rüegsau.
Wie fühlt es sich an, eine neue Beziehung zu starten?
Christoph: Es hat mich stark herausgefordert! Mir war es wichtig, meine Scheidung sauber abzuschliessen. Man fühlt sich einfach unsicher bezüglich des richtigen Zeitpunkts einer neuen Beziehung.
Regine: Genau, auch für mich war die Zeit sehr anstrengend. Ich fragte mich oft: Gibt es eine allgemeingültige Klausel, wie lange man mit einer neuen Beziehung warten sollte? Ist es verwerflich, jetzt wieder etwas zu starten? Was werden nur die Leute denken?
Wie konntet ihr diese Zweifel überwinden?
Regine: Ich habe sehr mit Gott gerungen, sagte ihm: 'Wenn du mir keinen anderen Mann hast als diesen, dann ist es in Ordnung mit den Jungs alleine zu bleiben.' Zuerst gefiel er mir nicht und ich konnte mir nicht vorstellen, mit ihm mein Leben zu teilen. Dann geschah das Wunder, dass ich mich in Christoph verliebte. Es gab einige weitere Momente, die einen gemeinsamen Weg bestätigten, bis ich an den Punkt gelangte, meine Zweifel und Ängste zurückzustellen. Ich fühlte mich bereit und sicher genug, mich auf die neue Beziehung einzulassen.
Christoph: Von Regines Kämpfen habe ich gar nicht so viel mitbekommen. Ich war irgendwie blind dafür. Für mich war früh klar, dass mir diese Frau gefällt und ich mir ein Leben mit ihr vorstellen kann. Gleichzeitig wollte ich ihr auch genügend Zeit lassen. Da wir beide Kinder in die Beziehung mitbrachten, wollten wir alles sehr gut prüfen. In der ersten Zeit haben wir uns auch oft ohne unsere Kinder getroffen. Wir waren uns einfach noch zu unsicher und wollten ihnen den emotionalen Stress ersparen.
Wie lange dauerte diese «Probezeit»?
Regine: Ungefähr ein halbes Jahr. Dann festigte sich unsere Beziehung und wir entschieden uns verbindlich für einen gemeinsamen Weg. Das war der Moment, als wir unsere drei Jungs einweihten. Zu diesem Zeitpunkt war für uns auch schon klar, dass wir wieder heiraten möchten: Im Sommer 2013 läuteten dann für uns beide zum zweiten Mal die Kirchenglocken.
Wie reagierten eure drei Jungs auf die Veränderungen?
Christoph: Zuerst gar nicht gut! Mein Sohn war ein extremes Einzelkind und lehnte den einen Sohn von Regine völlig ab.
Regine: Das war wirklich fast nicht auszuhalten und tat so weh! Unsere ersten Ferien waren der reinste Horror, weil die Jungs gar nicht miteinander auskamen. Da gab es einige Momente, in denen ich am liebsten aufgegeben hätte.
Christoph: Unsere neue Wohnsituation brachte dann Ruhe in die Situation. Wir hatten das Glück, in Bowil in ein grösseres Haus ziehen zu können. Dadurch erhielten die Jungs, vor allem mein Sohn, mehr Rückzugsmöglichkeiten.
Heute gehören zur Familie Schmutz zwei weitere Kinder – zwei Mädchen. Habt ihr euch gemeinsame Kinder gewünscht?
Regine: Als wir heirateten, war uns sofort klar, dass wir dies zusammen erleben möchten. Auch die Jungs wünschten sich eine Schwester mit blonden Haaren und blauen Augen. Dafür beteten auch alle drei. Und es ist scheinbar so, dass Gott Kindergebete besonders gerne erhört. Jedenfalls haben wir sogar zwei Mädchen mit blonden Haaren und blauen Augen bekommen.
Christoph: Erst die Geburt von Manjana machte uns als Familie zu einer neuen Einheit. Dadurch hat sich der Kreis geschlossen. Seit sie auf der Welt ist, sind viele Fragen geklärt und die Jungs begannen, einander «Bruder» zu nennen.
Regine: Es ist wirklich schön zu sehen, wie die beiden Mädchen alles miteinander verbunden haben. Heute haben wir es viel friedlicher und wissen: Wir gehören zusammen!
Wie fühlt sich euer Leben als Patchwork-Familie heute an?
Regine: Es kommt immer wieder mal vor, dass ich alles hinterfrage. Aber es ist auch sehr viel Gutes geschehen. Die Folgen der Scheidung muss ich zwar tragen, denn wir sind eine Patchwork-Familie und das bringt so manchen Konflikt mit sich. Prinzipiell habe ich aber ein Ja zu diesem Leben, das nicht perfekt ist. Ich will mich freuen an dem, was ich habe. Ich erwarte heute nicht mehr, dass mein Ehemann meine Probleme löst und mich glücklich macht.
Christoph: Statistisch gesehen scheitern Zweitehen häufiger als erste Ehen. Umso mehr wollen wir unserer Beziehung Sorge tragen und viel zusammen reden. Wir bedanken uns oft beieinander für das, was der andere tut. Auch sind wir Gott dankbar für die zweite Chance, die er uns gegeben hat.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Zeitung HOPE Emmental.
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Datum: 28.04.2020
Autor: Florian Wüthrich
Quelle: Hope Emmental