Kurt Schönthal

Statt Primarlehrer glücklicher Buschauffeur

Kurt Schönthal
Kurt Schönthal wollte Lokomotivführer werden, doch als Brillenträger hatte er keine Chance. Er wurde Lehrer, wechselte aber nach 30 Jahren Schuldienst zum Buschauffeur und lebte so seinen Traum in anderer Form.

«Mein Vater arbeitete als Kondukteur bei der Solothurn-Zollikofen-Bern-Bahn (heute Regionalverkehr Bern Solothurn, RBS)», erzählt Kurt Schönthal. «So wurde meine Begeisterung für die Eisenbahn schon frühzeitig geweckt.» Er wäre gern Lokomotivführer geworden – als Brillenträger war das Ende der 1960-er Jahre allerdings nicht möglich. Auch sein Vater musste aus gesundheitlichen Gründen den Beruf wechseln. «Wir zogen nach Huttwil, wo er nun bei einer Versicherungsgesellschaft arbeitete.» Hier wuchs Kurt als älterer von zwei Söhnen auf, liebevoll begleitet durch seine gläubigen Eltern.

Lehrerseminar statt Lokführer

Nach der obligatorischen Schulzeit besuchte er das Lehrerseminar in Langenthal. «1972 trat ich im Berner Oberland meine erste Stelle als Primarlehrer an, und die Arbeit mit den Kindern gefiel mir ganz ordentlich», berichtet der heute 72-Jährige. Gerne hätte der junge Mann dann auch geheiratet und eine Familie gegründet. «Doch ich hatte völlig übertriebene Erwartungen an die ersehnte Frau; keine konnte mir genügen!», sieht er im Rückblick ein. Dazu sei es ihm grundsätzlich schwergefallen, mit dem anderen Geschlecht in Kontakt zu kommen. «Das führte dazu, dass ich ganz konkret Gott um Hilfe bat», erzählt Kurt weiter. Mit 25 Jahren nahm er an einer Zeltevangelisation teil und vertraute sein Leben Jesus Christus an.

Drei Jahre später erfüllte sich auch sein Wunsch nach Ehe und Familie. Er hatte eine Frau kennengelernt, und bald stand er mit ihr vor dem Traualtar. «Ich war allerdings nicht vollends überzeugt, die richtige Wahl getroffen zu haben», gesteht Kurt. Weil ihr erstes Kind bereits unterwegs war, übernahm er die Verantwortung und heiratete die Mutter. 15 Jahre lang ging auch alles gut. Dem Paar wurden drei Töchter und ein Sohn geschenkt, und die Familie bezog ein eigenes Haus.

Entfremdung

Mit gut vierzig Jahren geriet Kurt mehr und mehr in eine Midlife-Crisis. Seine Frau öffnete sich derweil immer öfters Einflüssen, die er mit seinem Bibelverständnis nicht vereinbaren konnte. Zunehmende zeitliche und psychische Belastungen im Beruf und wachsende Verständigungsprobleme mit seiner Frau führten schliesslich zu Trennung und Scheidung. Kurt fühlte sich als völliger Versager. Doch mitten in grosser Not und tiefer Trauer über das Scheitern seiner Ehe redete Gott zu ihm. Er hörte in seinem Herzen: «Vertraue mir! Ich zeige dir einen neuen Weg!»

Etwas Neues fängt an

Kurt berichtet: «Meine Schuldenlast durfte ich mit seelsorgerlich-therapeutischer Hilfe bearbeiten und unter dem Kreuz von Golgatha ablegen.» Er atmete auf, war bereit für einen Neubeginn. Zwei Jahre lebte er in einer kleinen Wohnung. Dann lernte er Heidi kennen. «Gott schenkte mir nochmals eine Ehefrau, eine Perle!» Sie hatte als junge Frau die Berufung empfangen, in die Gemeinschaft eines Diakonissenhauses einzutreten. Doch der Eindruck, dass sie in späteren Jahren noch heiraten würde, schlummerte tief in ihr. Diesen Wunsch nahm sie mit.

«In Heidi fand ich eine liebe und verständnisvolle Lebensgefährtin», berichtet Kurt dankbar. Durch den beruflichen Umgang mit Menschen aus verschiedensten Randgruppen hatte sie sich während zwanzig Jahren einen grossen Erfahrungsschatz angeeignet. «Er bereichert bis heute unsere Kommunikation und den gemeinsamen Umgang mit unserem bunten und umfangreichen Freundeskreis», bestätigt der glückliche Ehemann.

Zurück auf Platz Eins…

Ende gut, alles gut? Noch nicht. Nach dem Ende seiner ersten Ehe und einer Strecke durchs dunkle Tal mit Neuanfang folgte ein paar Jahre später auch der berufliche Zerbruch. «Massiv gestiegene und vielfach unrealistische Erwartungen von Seiten der Eltern meiner Schulkinder machten mir zu schaffen», erinnert sich Kurt. Dazu kam, dass er durch sein christliches Zeugnis als Lehrer in Verruf geraten war. «Das führte zu Mobbing und Burnout», berichtet er. «Was nun?», war die grosse Frage, die ihn damals umtrieb.

Schliesslich erwies sich sein ungebrochenes Interesse am öffentlichen Verkehr als gangbarer Weg. Nach absolvierter Lastwagenprüfung bewarb er sich bei Bernmobil als Bus-Chauffeur. «Und siehe da – Gott schenkte mir einen neuen Traumberuf!» Er arbeitete fortan zwar nicht als Lokführer, aber in mancher Hinsicht war die neue Tätigkeit diesem ähnlich. «Ich erinnerte mich daran, dass ich als kleiner Junge bereits per Dreiradvelo und Trottinett 'Buschauffeur' gespielt hatte», schmunzelt Kurt. «Das Gefühl von damals und heute ist praktisch identisch!» Er wusste sich am richtigen Platz, durfte eine dienende Tätigkeit ausüben, welche viele seiner Fahrgäste dankend quittierten. «Jeden Morgen, bevor ich meinen Dienst antrat, segnete ich die mir anvertrauten Menschen und erlebte Frieden im Fahrzeug.»

Frieden gefunden

Heute ist Kurt überzeugt: «Ich verdanke es Gottes Gnade, dass ich den Personen, durch welche ich in meinen Umbruchsphasen Leid erfahren habe, im Namen Jesu vergeben konnte.» Er kann ihnen heute frei begegnen, ohne versteckten Groll. Sein Fazit: «Ich darf mit mir und meinem beruflichen und familiären Umfeld im Reinen sein! Gott sei ewig Dank dafür!»

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Datum: 02.08.2024
Autor: Mirjam Fisch-Köhler
Quelle: Livenet

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