Wort und Tat übersetzen Liebe
Philipp Kohli ist Pastor in einer Berner Stadtgemeinde. Kürzlich hat er die Entstehungsgeschichte der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinden in der Schweiz aufgearbeitet. «Allerdings in der Schriftsprache», schmunzelt der Absolvent der STH Basel. Dann hat er die Mundart neu entdeckt. Das Ergebnis ist eine eigene Übersetzung der Oster- und der Weihnachtsgeschichte.
Sprache als Brücke
«Ich wollte die Weihnachtsgeschichte in einer neuen Übersetzung vorlesen», erinnert sich Kohli. Eine vorhandene Übersetzung ins Berndeutsche empfand er jedoch als zu sperrig. So übersetzte er den Text kurzum aus dem Griechischen in verständliche Mundart. Für Kohli ein prägendes Erlebnis: «Vorher war meine Liebe zu den Texten der Heiligen Schrift eher theoretisch. Doch nun wurde es auf einmal ganz praktisch.»
Dann folgte die Ostergeschichte. Früher hatte der Theologe beim Lesen die Bilder aus dem Jesusfilm vor Augen. Bei der Übersetzungstätigkeit entwickelte er seinen eigenen «Film». «Ich fragte mich: Warum drückten die Menschen das so und nicht anders aus? Welche Gefühle hatten sie? Wie würde ich das heute sagen?» Kohli: «Pilatus soll so reden, wie er heute reden würde. Die Sprache darf kein Hindernis sein, den Inhalt zu verstehen.» Seit er die Bibeltexte selber übersetze, seien seine Predigten besser geworden, sagt Kohli, der auch einen Internet-Blog betreibt.
Durch das Übersetzen entfaltete Gottes Wort im Gemeindepastor eine neue Lebendigkeit. Kohlis Begeisterung sprang auf die Gottesdienstbesucher über. Predigtmanuskripte fanden dankbare Abnehmer, ebenso CD-Produktionen der beiden Übersetzungen. Sogar die Tagespresse wurde auf den findigen Bibelübersetzer aufmerksam.
Zum Kaffee in den Park
Zur EFG Bern gehören 80 Besucher, davon 30 Kinder. «Wir sind eine bunte Mehrgenerationen-Gemeinde, die sich fremdsprachigen Menschen geöffnet hat», definiert Philipp Kohli. Ab und zu koche eine Gruppe für die anderen ein Essen. «So erleben wir schon jetzt etwas von der Vielfalt der Nationen, die uns einmal im himmlischen Thronsaal erwarten wird.»
Während der letzten fünf Jahre haben Philipp Kohli und seine Frau Monika, eine Lehrerin mit Teilpensum, Deutschkurse angeboten. Am Pfingstmontag führte die Gemeinde am Bielersee eine Taufe durch. Ein wichtiger Termin im Wochenprogramm ist der Donnerstag. Ab 15 Uhr ist Kohli im Monbijou-Park anzutreffen. «Einfach bei den Leuten sein und Zeit mit ihnen verbringen», sagt er. Gemeindeglieder bringen Kaffee und Kuchen mit. Zu den Gästen gehören viele Randständige. Kohli: «Einige kommen regelmässig. Zu einer Frau aus einem asiatischen Land ergab sich ein intensiver Kontakt. Sie hat sonst niemanden, der ihr beisteht.»
Die Nächstenliebe «übersetzt»
Ende Mai baute Philipp Kohli in Zusammenarbeit mit dem Liebefeld-Leist (Vorstand des Quartiervereins der Berner Vorortgemeinde), dem Jugendarbeiter und dem Parkwart ein «Haus» aus 3000 Tetra-Packungen. Nicht einfach etwas für die Leute machen, sondern mit ihnen, war die Devise. Das Projekt machte allen Beteiligten Spass. Und die Botschaft kam an: Die Gemeinde im Quartier mache gute Projekte, heisst es jetzt.
Der wohl spektakulärste Nebenjob des initiativen Pfarrers ist die Mitarbeit im «Läuseteam». Kohli: «Ich sagte mir, dass dies zu guten Kontakten mit anderen Eltern führen könnte.» So engagiert er sich mit Kamm, Haarbürste und viel Herz für die Kinder seines Wohnorts. Auch diese Tätigkeit ist eine Art «Übersetzung»: So wird die Botschaft der Nächstenliebe im Alltag verstanden.
Datum: 01.07.2014
Autor: Thomas Feuz
Quelle: idea Schweiz