Arzt - Unternehmer - Hilfswerkgründer
Kaum etwas liegt Heinz-Horst Deichmann, 85, so sehr am Herzen wie das
Wohl seiner rund 30‘000 Mitarbeiter, schreibt das Nachrichtenmagazin
«Pro». Und bei all dem mache er sich gar nicht viel aus Luxus. Wenn ich reiten will, miete ich ein Pferd. Ich gehe gern Skilaufen und Bergsteigen. Das kostet nicht viel Geld.»
Deichmann wurde am 30. September 1926 als Sohn des Schuhmachers Heinrich Deichmann in Essen-Borbeck geboren. Man wohnte über und manchmal auch im Geschäft, weshalb der kleine Heinz-Horst oft mit seinem Kinderwagen im Schuhlager abgestellt wird. Die Verbindung zu Schuhen und Leder ist ihm damit sozusagen in die Wiege gelegt. Auch die Leidenschaft zum sozialen Engagement kommt nicht von irgendwo. Schon Vater Heinrich kümmerte sich intensiv um Arme und Kranke. Die Kinder begleiteten ihn oft bei Besuchsdiensten. Und durch tägliches Bibellesen am Mittagstisch löffelten die Kinder die Grundlagen des Glaubens sozusagen mit der Suppe.
Er wollte Arzt werden
Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich Deichmann 1946 für ein Theologiestudium entscheidet. Weil ihn aber auch die Medizin fasziniert, schreibt er sich kurzerhand auch dafür ein. Der Gedanke an eine medizinische Laufbahn verfolgt ihn schon seit seinem Einsatz als Luftwaffenhelfer an der Ostfront 1945: Im Gefecht hatte er eine schwere Verletzung und sich noch auf dem Schlachtfeld geschworen: «Wenn ich überlebe, will ich mein Leben der Hilfe anderer Menschen widmen.» Arzt zu werden – womöglich sogar Missionsarzt – erscheint ihm seitdem wie eine Berufung.
Trotz der nun zwei Studiengänge, treibt er das Familienprojekt «Schuhhandel» weiter voran. Seit dem Tod des Vaters ist er mitverantwortlich. Dazwischen promoviert Deichmann, seit 1951 ist er Doktor der Medizin. Ein Jahr zuvor hatte er Ruth Fischer geheiratet. Sie unterstützt ihn, steht abends lang im Geschäft und stellt fest: «Ich bin verheiratet mit Deichmann Schuhe.»
Leidenschaftliche Liebe
Es geht immer weiter bergauf mit «Deichmann Schuhe». Und auch das soziale Engagement Deichmanns nimmt immer grössere Formen an. Entscheidend dafür ist eine Indienreise im Jahr 1977 um sich anzuschauen, wofür seine Spenden vor Ort genutzt werden. Er begegnet dort Hunderten von Leprakranken. Diese Begegnung ist ein einschneidendes Erlebnis und soll weitreichende Folgen haben. Deichmann ist tief berührt: «Im griechischen Text des Neuen Testaments heisst es von Jesus: «Das Herz dreht sich ihm im Leibe um.» Luther hat das übersetzt mit «Er fühlte Erbarmen.» Die Inder sagen: ‚compassionate love’. So was empfand ich da. Leidenschaftliche Liebe.»
Aus dieser «leidenschaftlichen Liebe» entsteht die Organisation «Wort und Tat». Seit nun 30 Jahren unterstützt sie viele Hilfsprojekte in Indien und Tansania. «Wir haben angefangen diesen Aussätzigen, den Heimatlosen, eine Heimat zu geben», schreibt Heinz-Horst Deichmann. Die Organisation liefert den Leprakranken medizinische Hilfe. Tausende Kinder können zur Schule gehen und werden versorgt. Der Name der Stiftung sagt aus, um was es geht: Das Wort Gottes, das Evangelium, auf der einen Seite, die praktische Hilfe auf der anderen.
Der Deichmann-Code
Auch vor der Haustür in der eigenen Firma ist er aktiv. Sein Grundsatz: «Gib den Kunden, was sie haben wollen. Und den Mitarbeitern auch.» Schuhe für 19,99 Euro sind deshalb das Markenzeichen des Unternehmens. Da stellt sich allerdings die Frage: Wie geht denn das ohne die Mitarbeiter auszubeuten? «Vertikalisierung» gibt Deichmann darauf zur Antwort. Vom Entwurf bis hin zum Verkauf im Geschäft kontrolliert und überwacht das Unternehmen alle Arbeitsschritte. Der Zwischenhandel fällt damit weg: Das spart Geld. Alle Mitarbeiter müssen ausserdem einem «Code of Conduct» zustimmen. Einem ethischen Leitbild, das der Firmenphilosophie entspricht. Denn Deichmann arbeitet nach dem Prinzip: «Das Unternehmen muss den Menschen dienen.»
«Warum sind Sie so freigiebig?»
Bei seinen Eltern gehörten sie fast zur Familie. Zum heutigen Verhältnis sagt Deichmann: «Später habe ich dann leistungsbezogenen Lohn eingeführt, auch eine Geburtenprämie und die Altersversorgung für unsere Leute. Und wir unterstützen Angestellte, die in Not geraten.»
Der «Focus» fragte den Schuh-Mogul einmal: «Warum sind sie so freigiebig?» Deichmanns Antwort: «Das gehört zum Menschsein dazu. Das ist meine Aufgabe als Christ. Es macht überhaupt keinen Sinn, bis zum letzten Atemzug Reichtum anzuhäufen.» Auf seine verstorbene Frau hinweisend fügt er an: «Sie hat in ihrem Leben so vielen Menschen Freude bereitet. Das ist das Einzige, was bleibt. Nur das hat Bestand vor Gott.»
Dem Managertum trotzen
Seine «Volkswagen für die Füsse» und seine Firmenpolitik trotzen dem managergeführten Unternehmertum. Deichmann ist ein Familienunternehmen, das ein solches auch bleiben will. Dieses Versprechen musste Sohn Heinrich, der das Unternehmen seit 1999 führt, seinem Vater geben. Der Seniorchef sieht sich eben nicht als einfacher Unternehmer. «Wenn man nur schnell Gewinn machen will, um jeden Preis reich werden will, dann führt es den Menschen in Untergang und Verderben. So steht es schon in der Bibel.»
2006 ist der Schuhhändler für sein Engagement mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik ausgezeichnet worden. «Sie bezeugen mit Ihrem Tun, dass es verbindliche Werte gibt und dass man sie mit Leben füllen muss», sagte der damalige Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Jürgen Rüttgers.
Die Frage Gottes
Deichmann bringt es noch einmal auf den Punkt: «Am Ende meines Lebens wird Gott mich nicht fragen, wie viele Schuhe ich verkauft habe. Er wird wissen wollen, ob ich wie ein wahrer Christ gelebt und das Evangelium verkündet habe.»
Webseite:
Deichmann-Hilfswerks
Bücher von Heinz-Horst Deichmann:
Warum sind Sie reich, Herr Deichmann?
Mir gehört nur, was ich verschenke
Hoffnung geben:
Wie Hilfe zur Selbsthilfe in Indien und Tansania möglich ist
Datum: 28.09.2011
Quelle: Pro