«Flugmodus an, jetzt bin ich dran»
Der sieben Jahre alte Emil Rustige aus Hamburg initiierte eine Demonstration unter dem Motto «Spielt mit mir! Nicht mit euren Handys!». Darüber berichtete die Deutsche Presse-Agentur (dpa). Ziel war es demnach, dagegen zu protestieren, dass Erwachsene ihren Kindern mehr Aufmerksamkeit schenken sollten als ihren Smartphones. Nach Angaben der Polizei folgten rund 150 Eltern und Kinder dem Aufruf und zogen am letzten Samstag von der Hamburger Feldstrasse über das Schulterblatt bis zum Lindenpark. Emils Eltern hatten die Demonstration für ihn bei der Polizei angemeldet.
Auf selbstgebastelten Plakaten standen Slogans wie «Am Sandkasten bitte Handyfasten», «Chatte mit mir!» und «Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr auf eure Handys schaut!». Auf einem Plakat standen die Worte «Flugmodus an, jetzt bin ich dran!» Sinn der Aktion war es, Eltern dazu zu motivieren, sich weniger mit ihren Handys, und mehr mit ihren Kindern zu beschäftigen.
Fast jedes zweite Kind hat ein Smartphone
Die sechsjährige Ylvi Schmitt, die am Protestmarsch teilnahm, sagte gegenüber der dpa: «Ich finde es nicht gut, dass mein Papa immer am Telefon daddelt.» Der Vater pflichtet ihr bei: «Das stimmt, da muss ich mich selbst an die eigene Nase fassen.» Er sieht in der Demo eine «gute Übung in Demokratie» für seine Tochter. Auch der zehnjährige Erik Unger hat genug von Erwachsenen, die ständig auf ihr Handy starren. «In der U-Bahn sehe ich oft Eltern am Handy, die ihre Kinder gar nicht beachten», erzählt er. Er selbst hätte trotzdem gerne ein Smartphone. «Aber das muss noch ein bisschen warten», sagt seine Mutter.
Laut dem neuen Freizeit-Monitor haben die Deutschen immer weniger Zeit für andere, weil sie sich lieber mit ihrem Smartphone beschäftigen. Auch bei Kindern sind die Geräte beliebt: Knapp die Hälfte der 4- bis 13-Jährigen in Deutschland hat bereits ein eigenes Smartphone, stellte die Kinder-Medien-Studie 2018 fest. Kinder kennen aber auch die Schattenseiten der Online-Welt: «Internet ist doof. Da sitzt Papa stundenlang drin und redet nicht mit uns», zitiert die Studie ein sechsjähriges Kind. Und noch immer haben für die Heranwachsenden reale Erlebnisse Vorrang vor der virtuellen Welt: Als wichtigste Freizeitaktivitäten nannten die Befragten «mit Freunden zusammen sein» (89 Prozent) und «im Freien spielen» (81 Prozent).
Ablenkung gab es schon früher
Barbara Vorsamer von der Süddeutschen Zeitung kommentierte die Demonstration am Montag mit den Worten: «Auch früher haben Teenager ihren Eltern nicht zugehört, auch früher haben Mütter und Väter am Spielplatz gelesen, gestrickt, getratscht – und geraucht.» Schon vor der Erfindung des Smartphones habe es Unfälle mit Kindern gegeben, weil die Eltern durch Zeitung oder Buch abgelenkt waren, schreibt Vorsamer. Problematisch sei nicht das Gerät in der Tasche, sondern die «urmenschliche Sehnsucht nach Unterhaltung, Zerstreuung und Aufmerksamkeit, die einen immer wieder zurück an den kleinen Monitor treibt».
Zum Thema:
Studie unter Eltern: Sorgenfaktor Smartphone
Erschöpfend und unnötig: Die Suche nach der perfekten Mutter
«Liebe Mama mit iPhone»: An die Mutter, die auf dem Spielplatz in ihr Smartphone starrt
Datum: 14.09.2018
Autor: Jörn Schumacher
Quelle: PRO Medienmagazin