Interview

«Es gehen nicht nur Paare fremd, die Probleme haben»

Seitensprünge gibt es nicht nur in Ehen mit Problemen. Die christlichen Paartherapeuten Elizabeth und Arthur Domig aus Salzburg erklären im Interview, was Frauen und Männer zum Fremdgehen treibt.
Elizabeth und Arthur Domig

Iris Muhl: Frau Domig, Dr. Ursel Bucher schreibt in ihrem Buch «Das Geheimnis der Partnerschaft», dass ein Seitensprung immer eine Anfrage an die Beziehung sei. Muss man die Beziehung nach einem Seitensprung grundsätzlich hinterfragen?
Elizabeth Domig: Ja, ich denke schon. Aber man muss sie deshalb nicht gleich als gescheitert sehen. In ihrem Buch über Ehebruch (Shirley Glass: NOT Just Friends) behauptet die Autorin, es sei ein Mythos, dass nur Paare fremdgehen, die Probleme haben. Ich persönlich denke, und das sehen wir auch in unserer Beratungspraxis, es sind nicht unbedingt Paare, die in einer schlechten Ehe leben. Wir kennen einige gute Ehen, in denen ein Seitensprung vorgekommen ist.

Aber wann und wo kommt der Seitensprung vor?
Elizabeth Domig: Wir geniessen es alle, bewundert und begehrt zu werden. In vielen Ehen wird der Partner oder die Partnerin aber schon längst nicht mehr bewundert. Nun begegnet man einem Mann oder einer Frau, der oder die einen bewundert und das auch zeigt. Das ist natürlich faszinierend. Oft geschieht das am Arbeitsplatz. Es hat meist damit zu tun, dass jemand plötzlich Zeit hat, Begehren zeigt, Bewunderung ausdrückt. Jemand hört mich, sieht mich und nimmt mich vollständig wahr. Das tut gut.

Was denken Sie, weshalb geht jemand fremd, Herr Domig?
Arthur Domig: In erster Linie ist es nicht eine Anfrage an die Beziehung, sondern an die Person selber. Man hört oft, der Mann habe zu Hause zu wenig bekommen, «deshalb musste er Sex woanders holen». Zuerst einmal denke ich, dass er zu wenig gegeben hat und nicht gelernt hat, seine Bedürfnisse anzumelden und einzufordern. Dieses Fluchtverhalten wird häufig auch in der Absicht eingesetzt, dass der Partner mehr Aufmerksamkeit zeigt.

Eine Frage zur Quantität: Haben mehr Männer oder mehr Frauen eine Affäre?
Arthur Domig: Nun, statistisch gesehen sind es zurzeit noch mehr Männer. Aber die Frauen holen drastisch auf.

Auch im christlichen Bereich?
Arthur Domig: Ja, vielleicht ist es da etwas verzögert. Aber oft wird es auch nicht zugegeben. Man darf aber annehmen, dass es deutlich weniger Fälle sind als im weltlichen Bereich.

Schützt der christliche Glaube vor einer Affäre?
Elizabeth Domig: Nein, ich würde sagen, er schützt nicht. Das ist übrigens auch ein Mythos, dass der Glaube vor Affären schützen soll. Im Einzelfall mag es zwar vorkommen, dass eine gläubige Person aufgrund ihrer Gottesliebe sich nicht so leicht in Gefahr begibt oder sich gehen lässt.

Wie gehen Christen mit einem Seitensprung um? Laut Bibel ist der Seitensprung eine Sünde.
Arthur Domig: Wir erleben unterschiedliche Reaktionen. Einerseits haben Christen Schuldgefühle. Und das ist auch gut so. Das sind gesunde Schuldgefühle, weil es gegenüber dem Partner ein Vertrauensbruch ist. Andererseits habe ich es auch erlebt, dass Christen länger an einer Beziehung festhalten, auch wenn sie betrogen worden sind. Andersdenkende sagen ziemlich schnell einmal, dass sie nicht mehr zusammenbleiben wollen oder dass sie es der Partnerin/dem Partner heimzahlen wollen. Ich kenne einige Christen, die wirklich bereit sind, mit dem ganzen Schmerz nochmals neu anzufangen. Sie haben sich neu auf die Beziehung konzentriert und Heilung erlebt.

Dieser Beitrag ist Teil einer Artikel-Serie über das Thema erfüllte Sexualität in christlichen Ehen. Das Buch von Iris Muhl «Intim, Fachleute im Gespräch über Lust, Leidenschaft und erfüllte Sexualität», Brunnen Verlag, ist im Internet, im christlichen Buchhandel oder bei Orell Füssli erhältlich oder direkt bei www.bibelpanorama.ch zu bestellen. Bestelltelefon: Brunnen Verlag 061 295 60 03. Rückmeldungen und Kritik bitte an buch.intim@gmx.ch.

Datum: 08.03.2010
Autor: Iris Muhl

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