Gemeinde, Familie, Beruf

«Wo Leidenschaft ist, fehlt die Balance»

Perdita und Michael Kock sind gläubig, engagiert, leistungs- und familienorientiert. Sie haben drei Kinder im Teenageralter, Michael arbeitet als Führungskraft beim Agrokonzern Syngenta. In den letzten zwei Jahren haben sie sich stark in den Bau des «Treffpunkts Lichtblick» ihrer Chrischona-Gemeinde in Rheinfelden eingebracht. Wie finden sie die richtige Balance zwischen Gemeinde, Familie und Beruf?
Michael und Perdita Kock finden nicht immer die Balance zwischen Arbeit, Familie und Gemeinde.

Chrischona-Panorama: Ist euer Leben in Balance zwischen Familie, Gemeinde und Beruf?
Michael: Balance ist eher der Ausnahmezustand. Durch das Bauprojekt sind wir über einen längeren Zeitraum aus der Balance. Das führt dazu, dass manche Dinge zu kurz kommen, zum Beispiel persönliche Hobbys oder Zeit für die Familie.
Perdita: Die Bauzeit ist aber auch eine spannende Zeit. Es hat uns sehr motiviert, als wir gemerkt haben, dass wir nicht nur ein Gebäude hinstellen, sondern auch eine Vision damit verbunden ist. Unser Gemeindezentrum «Lichtblick» steht in unmittelbarer Nähe zu einem Asylbewerberheim. Diesen Menschen zu helfen, haben wir als Aufgabe angenommen. Daraus sind Projekte wie die Fahrradwerkstatt, das Nähcamp oder die Clown-Betreuung von Flüchtlingskindern entstanden.
Michael: Wir erleben, wie Gott den Mut segnet, über die Bordkante aufs Wasser zu steigen. Gott öffnet Türen, Gott trägt das Projekt, Gott ist real und kann Sachen realisieren.

Wenn Balance eher der Ausnahmezustand ist, strebt ihr sie trotzdem an?
Michael: Völlige Balance ist utopisch. Dennoch wäre es gut, wenn die Zeitanteile von Familie, Gemeinde und Beruf mehr im Gleichgewicht wären. Das ist mein Ziel. Hinzu kommt, dass ich immer leidenschaftlich bei der Sache sein will – in Familie, Gemeinde und Beruf. Jesus ist mein Vorbild. Was er gemacht hat, hat er mit Leidenschaft gemacht.

Um eine leidenschaftliche und inspirierende Balance wird es auch an der Strategie- und Schulungskonferenz (SSK) 2016 von Chrischona International gehen.
Michael: Das wird spannend. Für mich ist Leidenschaft und Balance eigentlich widersprüchlich. Leidenschaft erfordert, dass man sich voll investiert. Wo Leidenschaft ist, fehlt die Balance. Ein Beispiel aus der Physik: Da gibt es ein labiles und ein stabiles Gleichgewicht. Beim labilen Gleichgewicht liegt eine Kugel quasi auf dem Gipfel eines Berges. Das Risiko ist hoch, dass sie auf der einen oder anderen Seite herunterfällt. Beim stabilen Gleichgewicht liegt die Kugel in der Basis eines Tales. Aber dieses stabile Gleichgewicht existiert in der Realität nicht, wenn man mit Leidenschaft unterwegs ist. Hier kann man ein labiles Gleichgewicht erreichen und es besteht immer die Gefahr, auf der einen oder anderen Seite vom Pferd zu fallen. Inspirierend ist es, wenn man wieder die Möglichkeit findet, zum Mittelpunkt zurückzukehren. Die Frage ist, wie ich das hinkriege.

Viele Menschen – auch Christen – arbeiten aktiv an ihrer Work-Life-Balance, kaufen sich zum Beispiel Ratgeberbücher. Ihr auch?
Perdita (lacht): Der Alltag ist viel zu anstrengend, um sich noch mit Ratgeberbüchern zu befassen. Mein Ratgeber lautet: Ich horche in mich hinein, wie sich das Leben momentan anfühlt. Wenn ich merke, dass ich unzufrieden bin, suche ich das Gespräch mit Michael.
Michael: Leidenschaftliches Engagement und eine hohe Schlagzahl sind nicht negativ, solange es sich um positiven Stress handelt. Es ist aber wichtig, auf seinen Körper zu hören und Warnsignale ernst zu nehmen, damit der Stress nicht auf die negative Seite kippt. Hier achten wir aufeinander. Zum Beispiel unternehmen wir ausgedehnte Spaziergänge mit guten Gesprächen.

Wie organisiert ihr euch?
Perdita
: Wir haben unsere verschiedenen Aufgabenbereiche. Ich kümmere mich um die Familie, Michael arbeitet Vollzeit. Dafür haben wir uns entschieden. Daher ist auch für mich klar: Die Familie hat immer oberste Priorität.

Burnout ist heutzutage ein grosses Thema, besonders für engagierte Führungskräfte. Wie bleibst du dauerhaft leistungsfähig, Michael?
Michael: Ich habe mir hilfreiche Verhaltensweisen antrainiert. Wenn ich morgens aus dem Haus gehe, ist die Familie noch im Bett, damit ich nicht den hektischen Tagesstart mitmache. Auf dem Arbeitsweg gehe ich ins Gebet und lege Gott den Tag hin. Dann bin ich relativ früh im Büro und beginne mit stiller Arbeitszeit. Ich mache also keinen Kaltstart direkt ins Meeting. Abends lasse ich Computer und Smartphone bewusst ausgeschaltet, um die Arbeit im Büro zu lassen. Ganz wichtig sind auch Ruhezeiten am Sonntag.

Was können Gemeinden tun, um Burnout ihrer Mitarbeiter vorzubeugen?
Michael: Tendenziell nehmen Gemeinden gerne das Engagement ihrer Mitarbeiter in Anspruch. Je mehr, desto besser. Das kann gefährlich werden. Ich sehe hier eine Entwicklungsmöglichkeit für Gemeinden, quantitativ weniger Zeit und Leistung abzurufen, sondern sich mehr auf Qualität und Stärken auszurichten. Dies erfordert, die Stärken ihrer Mitarbeiter zu erkennen und sie im Rahmen ihrer Stärken einzusetzen. Dann sind Menschen glücklich, dann ist die Gemeinde gesegnet.

Der Tipp lautet also: Stärken erkennen und entwickeln?
Michael: Richtig. Ich glaube, dass Gott in jedem von uns eine einzigartige Kombination von Talenten angelegt hat, die wir zu Stärken entwickeln sollen. Zum Beispiel sind Perditas und meine Stärken laut dem Gallup Stärkentest das genaue Gegenteil. Empathie steht bei ihr an erster Stelle, bei mir an letzter. Meine Stärken sind Strategie, Intellekt, Futurismus und das Erreichen von Zielen.
Perdita: Wir ergänzen uns gut. Michael ist sehr rational. Wenn ich auf einer Gefühlswelle davonschwimme, gibt er mir wieder Boden unter die Füsse.
Michael: So erkennen wir, dass wir einander brauchen, in der Ehe und auch in der Gemeinde. Wenn man einen Aufgabenbereich findet, wo man überwiegend auf seinen Stärken arbeitet, setzt das sehr viel Potential frei und ergibt eine grosse Zufriedenheit.

Zum Thema:
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Datum: 08.10.2016
Autor: Markus Dörr
Quelle: Chrischona Panorama

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