Die Bonhoeffer-Perspektive
Es gibt Menschen, von denen möchte ich keinen Trost annehmen. Zu leicht kommen ihre Worte daher. Verstehen sie überhaupt, was mich bewegt? Und es gibt Menschen wie Dietrich Bonhoeffer (1906–45). Ohne es zu wissen, hat sich der Theologe und NS-Widerstandskämpfer in seinen letzten Tagen im Gefängnis quasi die eigene Grabinschrift gedichtet. Dabei war es eigentlich ein Lied für seine Verlobte. Bis heute vermitteln seine Verse Hoffnung und Zuversicht, die über dieses Leben hinausgehen.
Von guten Mächten treu und still
umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch
leben
und mit euch gehen in ein neues
Jahr.
Quälende Spannung
Noch will das Alte unsre Herzen
quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere
Last.
Ach Herr, gib unsern
aufgescheuchten Seelen
das Heil, für das du uns
bereitet hast.
Jedes Ende, jeder Tod unterstreichen, dass noch nicht alles gut ist. Doch die Bibel kennt nicht nur quälende Dunkelheit, sondern auch heilende Hoffnung. Und am Ende steht nicht der Tod: «Der Tod ist verschlungen in Sieg!» (1.Korinther, Kapitel 15, Vers 54)
Der Geber des Schmerzes
Und reichst du uns den schweren
Kelch, den bittern
des Leids, gefüllt bis an den
höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne
Zitternaus deiner guten und geliebten
Hand.
Gott ist nicht der ohnmächtige Zuschauer bei Leid und Tod: Wir bekommen sie aus seiner Hand. Das ist schwer zu verstehen. Aber Christen aller Zeiten haben lieber mit diesem unverständlichen Trost gelebt als mit billigen Erklärungsversuchen.
«Liebe kann ich nicht verstehen, aber ich kann sie ergreifen.»
Nicht allein
Wenn sich die Stille nun tief um
uns breitet,
so lass uns hören jenen vollen
Klang
der Welt, die unsichtbar sich um
uns weitet,
all deiner Kinder hohen
Lobgesang.
Auch wenn Sie sich allein fühlen: Sie sind es nicht. Da sind andere Menschen um Sie herum. Da ist die freundliche Geste, der hilflose Blick, das vorbeigebrachte Mittagessen, das stille Gebet, die stumme Umarmung. Nein, Sie sind nicht allein.
Am Ende getröstet
Jetzt ist Zeit zum Trauern. Zum Weinen und zum Abschiednehmen. Doch das ist nicht das Ende. Es ist nur ein weiterer Schritt auf dem Weg in Gottes Arme: «Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, weder Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu.» (Offenbarung, Kapitel 21, Vers 4)
Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist mit uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.
Zum Thema:
Leben am Abgrund: Jürgen Werths fiktiver Briefwechsel mit Dietrich Bonhoeffer
Am Beispiel Bonhoeffer: Was Freunde bewirken können
Unbequemer Bonhoeffer: Gnade darf nicht billig sein
Datum: 31.12.2020
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet