Das Leben ist zu kurz für schlechte Bücher
Ich lese gern. Das ist keine ganz schlechte Voraussetzung, wenn man seinen Lebensunterhalt damit verdient zu schreiben. Auf den Bücherregalen in unserem Haus stehen gut 3'000 Bücher. Theologische Sachbücher, Krimis, Belletristik – eine bunte Mischung. Meine Frau ist davon überzeugt, dass wir viele Bücher haben. Ich denke dann an den schreibenden «Kollegen» Umberto Eco mit seiner Hausbibliothek von 30'000 Bänden und denke: «Eher nicht». Trotzdem achte ich seit einiger Zeit darauf, dass bei mir nicht nur 100-200 Bücher im Jahr dazukommen, sondern sortiere auch regelmässig aus. Schon weil der Platz in unseren Regalen nicht mitwächst.
Warum ich das erzähle? Weil ich vor einer Weile etwas von Rolf Dobelli las. Der Schriftsteller schlug augenzwinkernd vor, jeder Mensch sollte in seinem Leben nur 50 Bücher lesen dürfen. Dann wäre Schluss. Für manche würde dies eine gewaltige Steigerung ihres Leseverhaltens bedeuten. Andere – dazu zähle ich mich auch – werfen einen Blick auf ihre Bücher und fragen sich, was sie dann alles weglassen müssten.
Die Auswahl macht's
Natürlich ging es Dobelli nicht um ein wirkliches Limit beim Lesen. Sehr wohl aber darum, eine bewusste Auswahl zu treffen. Lese ich, um mir die Zeit zu vertreiben? Dann habe ich sie am Ende auch vertrieben… und ich hole sie nicht mehr zurück. Es spricht doch viel dafür, die begrenzte Zeit, die ich für das Lesen einsetzen kann, für gute Bücher zu nutzen, also für solche, die mich berühren, prägen und weiterbringen. Das geht bei mir inzwischen damit los, dass ich zwar viele Bücher anfange, sie aber nicht unbedingt fertiglese. Wenn ich ein Buch lesen möchte, dann schau ich mir den Klappentext an und lese los. Wenn die Autorin oder der Autor es nicht im ersten Kapitel oder der ersten Viertelstunde schafft, mich einigermassen zu fesseln, dann lege ich das Buch zur Seite. Ich denke dann an Dobellis 50 Bücher und merke: Das ist keines davon.
Die Entspannungsfrage
Das mag sich jetzt nach einem extrem effizienten, aber langweiligen Lesen anhören. Einer Lektüre, die nichts mit der Lebenswirklichkeit des Landwirts zu tun hat, der nach einem langen Tag die Füsse hochlegt und noch etwas lesen will, oder der Mutter mit drei kleinen Kindern, die die paar Minuten Ruhe, bevor sie einschläft, zum Entspannen mit einem Buch verbringt. Doch. Für mich hat das viel miteinander zu tun. Und es bezieht sich auf wesentlich mehr als auf Bücher. Mein Ziel ist nicht Effizienz! Ich lese ein gutes Sachbuch mit christlicher Prägung, das mich innerlich weiterbringt. Ich lese Romane, die so schön geschrieben sind, dass ich mich allein an der Sprache «besaufen» könnte. Ich lese Fachbücher, die mich beruflich fördern. Und natürlich Bücher, bei denen ich herrlich entspannen kann. Aber ich lese viel weniger Mittelmässiges. Ich höre nach zehn Seiten auf, statt nach 380 Seiten zu sagen: «Schade, hat sich nicht gelohnt». Ich schaue eher auf das, was ich selbst will und brauche, als nach der Spiegel-Bestsellerliste oder der Empfehlung vom Gemeindebüchertisch zu gehen.
Und ich gehe auf dieselbe Art mit Filmen um. Okay, ich schaffe es nicht immer, aber ich schalte einen miesen Film lieber ab oder stehe im Kino auf und gehe, als dass ich ihn mir bis zum Schluss antue. Denn eigentlich ist mir mein Leben dafür zu schade. Dann rufe ich lieber einen Freund an, male etwas, gehe spazieren…
Mehr als Überfliegen
Etwas anderes habe ich geändert: Ich lese Bücher mehrmals. Das gilt zwar nicht für alle meine Bücher, aber meistens frage ich mich schon beim ersten Durchgang: Würde ich das noch einmal lesen? Und wenn ich hier «Nein» antworte, habe ich das Buch manchmal auch schon beim ersten Mal zugeklappt. Okay: Krimis nehme ich hier aus. Die meisten machen beim zweiten Mal keinen Spass mehr, auch wenn sie beim ersten Lesen prima sind. Aber bei guten Romanen merke ich, dass der zweite Durchgang besser ist als der erste, weil ich sehe, wie der Autor auf sein Ziel hinarbeitet. Ich bekomme einen Blick für das, was ich zuerst schlicht überlesen habe. Bei Sachbüchern merke ich, dass ich nach einem zweiten Durchgang viel mehr behalten kann – nicht doppelt so viel, sondern fünf- bis zehnmal so viel. Wenn es mir sinnvoll scheint, nehme ich hierzu auch einen Stift und streiche mir Wichtiges im Buch an oder ich schnappe mir den Laptop und notiere es.
Spuren hinterlassen
Vielleicht vermissen Sie auf dieser christlichen Webseite noch die Unterscheidung zwischen christlichen und nicht christlichen Büchern… Damit tue ich mich schwer. Abgesehen davon, dass es christliche Bücher und Buchhandlungen gar nicht gibt – glauben tun ja die Autoren und Inhaber und nicht die Bücher –, ist das allein kein Qualitätsmerkmal für mich. Ich habe schon grottenschlechte sogenannte «christliche Bücher» gelesen und andererseits auch solche, die mich schon seit Jahren prägen und begleiten. In dem Moment, wo ich den mageren Inhalt oder den dürftigen Stil eines Buches damit entschuldigen muss: «es ist aber wenigstens christlich», da hat dieses Buch bei mir verloren.
Gute Bücher müssen nicht christlich sein. Ich reibe mich gern an Gedanken von Menschen, die anders glauben und ticken als ich – aber solche Bücher sollten gute Ideen enthalten, mich und mein Sprachgefühl weiterentwickeln, mir ein echtes Vorbild vorstellen, Glaube, Hoffnung und Liebe in mir wecken. Sie sollten Spuren hinterlassen.
Ich lese gern. Immer noch. Aber inzwischen «prüfe ich alles und lese hauptsächlich das Gute» (frei nach 1.Thessalonicher, Kapitel 5, Vers 21).
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Datum: 15.11.2018
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet