Gemeindepräsidentin Spiez

«Die Nähe zu Jesus gibt mir Halt»

Die 50. Ausgabe von Jesus.ch-Print erschien im Advent in weiteren Regionen – unter anderem auch in Spiez (hier geht's zum Überblick über alle Zeitungen). Livenet sprach mit der Gemeindepräsidentin Jolanda Brunner über das Thema «Influencer Nr. 1», um das sich die ganze Zeitung dreht. Welche Rolle spielt Jesus in Ihrem Alltag? Und was hat es mit der Holzfigur in ihrem Büro auf sich? Jesus.ch-Chefredaktor Florian Wüthrich traf sie zum Gespräch.
Jolanda Brunner
Jolanda Brunners Abraham-Figur
Jolanda Brunner

Jesus.ch: Jolanda Brunner, was bedeutet Ihnen die Weihnachtszeit?
Jolanda Brunner:
Es ist eine sehr schöne Zeit. Sie bietet viele Gelegenheiten, zusammenzusitzen und das Leben miteinander zu teilen. Ich freue mich zum Beispiel auf die Weihnachtsessen in den verschiedenen Teams, wenn man sich besser kennenlernen kann – für einmal etwas losgelöst von den Verpflichtungen des Alltags. Weihnachten selbst verbinde ich mit vielen Kindheitserinnerungen. Die Geschichte von der Geburt Jesu hat für mich immer noch eine grosse Bedeutung. Es ist schon faszinierend: Alle haben auf den König gewartet – und dann war alles ganz anders.

Wir bezeichnen Jesus in dieser Zeitung als «Influencer Nr. 1». Dieser Mensch, der in einem Stall in Bethlehem zur Welt kam, hat die Welt ziemlich auf den Kopf gestellt...
Das ist schon richtig. «Influencer Nr. 1» hat für mich eine doppelte Bedeutung: Jesus hat wirklich unser Rechtssystem und das ganze Zusammenleben geprägt. Aber es geht auch um eine persönliche Gottesbeziehung. Alle, die ihm nachfolgen, lassen sich im persönlichen Leben von ihm beeinflussen – so auch ich. In meinen 58 Lebensjahren habe ich schon oft erfahren, dass Jesus einen auf überraschende Wege führt. Da gibt es nicht nur Sonnenschein, sondern auch Herausforderungen. Aber das macht die Weihnachtsgeschichte für mich umso glaubwürdiger: Er kam eben nicht in einem Palast zur Welt, sondern in einem Stall. Das Christentum steht nicht für eine «heile Welt». Deshalb hat es auch eine anziehende Wirkung auf Menschen, bei denen nicht immer alles reibungslos läuft.

Bei Ihnen hingegen scheint vieles rund zu laufen. Sie stehen voll im Berufsleben und in einer wichtigen Leitungsaufgabe. Warum ist dieser Jesus auch für Sie anziehend?
Der Eindruck mag etwas täuschen. Ich fühle mich nicht immer stark. Das Gebet mit Gott ist mein Zufluchtsort. Es gibt viele Dinge, die ich nicht verstehe, aber wenn ich dies alles im Gebet hinlegen kann, gibt er mir oftmals Ruhe und Gelassenheit. Die Nähe zu Jesus gibt mir Halt und verhilft mir zu einem anderen Blick. Meine Abraham-Figur, die seit meinem Amtsantritt 2017 in meinem Büro steht, symbolisiert genau dies: Ich gebe mein Bestes, aber habe doch nicht alles selbst in den Händen. Ich bin auf die Hilfe von oben angewiesen. Deshalb gefällt mir diese Figur so gut; sie steht mit beiden Beinen am Boden und hält die Hände offen gegen den Himmel. Dann noch dieser Blick, der nach oben gerichtet ist. Das zeigt für mich klar, dass Abraham mit Gottes Eingreifen gerechnet hat. Auch ich lege am Morgen im Gebet alles Gott hin und vertraue darauf, dass er mir in den schwierigen Situationen helfen und die nötige Weisheit geben wird.

Spiez ist trotz einer Grösse von 13'000 Einwohnern keine Stadt. Was schätzen Sie besonders an Ihrer Gemeinde?
Die Menschen. Wir haben in Spiez sehr viele engagierte Menschen, die sich an vielen Orten freiwillig einsetzen und wenn nötig auch etwas Neues auf die Beine stellen. Die Mitarbeitenden der Gemeindeverwaltung, die mich mit Rat und Tat unterstützen. Spiez ist aber auch wegen der 13 Kilometer Seeanstoss sehr speziell. Zudem haben wir drei Naturschutzgebiete und Orte, die als Pilgerstätten bekannt sind. Hier hat Gott definitiv auch schon Geschichte geschrieben. Die heutige Vernetzung durch die Sozialen Medien ist für uns ein Glück: Die Bilder von Spiez gehen um die Welt und locken die Menschen von weither an. Auf den Tourismus wirkt sich dies natürlich positiv aus.

Als Gemeindepräsidentin versuche ich dies zu verstärken, indem ich zum Beispiel auf Facebook zeige, wo Spiezerinnen und Spiezer präsent sind, was in Spiez läuft und wie spannend das Leben hier ist.

Dann sind Sie also auch eine Influencerin?
Na ja, ich sehe mich nicht unbedingt so, jedenfalls nicht ich als Person. Ich kann in einzelnen Projekten vielleicht Einfluss nehmen oder jemandem eine neue, andere Perspektive aufzeigen. Wenn dies gemeint ist, bin ich gerne eine Influencerin. Ich kann in meiner Funktion auch immer wieder einen Unterschied bewirken, denke da zum Beispiel an die schwierigen Umstände, die ein Strassenbauprojekt lähmten.

Als Gemeindepräsidentin konnte ich in verschiedenen Gesprächen die Situation deblockieren. Meine Erfahrung ist, dass Menschen beflügelt werden, wenn sie merken, dass man sich für sie interessiert und ihnen zuhört. Dadurch kann sich bereits etwas bewegen.

Macht man sich durch diese Nähe zu den Bürgern nicht auch verletzlich?
Ja, das ist richtig. Doch ich will nahbar sein. Mein Wunsch ist, dass wir hier in Spiez zueinander schauen, auch als Kontrast zu unserer Gesellschaft, in der mehr und mehr jeder nur auf sich selbst bedacht ist. In politischen Entscheidungen versuche ich auch immer wieder die Auswirkungen auf die einzelnen Bürger vorauszusehen. Das heisst nicht, dass die Entscheide dann anders ausfallen, aber ich möchte abwägen können, um sie zugunsten der Mehrheit zu treffen.

Erhalten sie viel Wertschätzung für Ihre Arbeit?
Mit Kritik und Wertschätzung umzugehen, ist in einem solchen Amt schwierig, da man so stark in der Öffentlichkeit steht. Für mich ist wichtig, tief im Herz zu wissen, dass ich in diese Position gestellt wurde. Die Spiezerinnen und Spiezer haben mich gewählt. Im Rückblick sehe ich, dass alles, was ich im Leben gemacht habe, mich auf das Gemeindepräsidium vorbereitet hat. Meine Ausbildung zur Mediatorin und Erwachsenenbildnerin prägt heute meinen Führungsstil. Dies gibt mir alles eine innere Sicherheit, dass ich am richtigen Platz bin und Gott mich genau hier haben wollte. So ein Amt hat auch seinen Preis. Du bist viel allein, da du viele Informationen nicht mit deinem Umfeld teilen kannst. Sowieso empfinde ich den Umgang mit Informationen als eine der grössten Herausforderungen. Manchmal kannst du auch zum Schutz einer Person nicht die ganze Wahrheit sagen, was dazu
führt, dass du missverstanden wirst oder dir eine Entscheidung negativ ausgelegt wird. Da bist du manchmal froh, wenn du sagen kannst: «Herr, kämpfe du für mein Recht.»

Wie wichtig ist für Sie die Unterstützung Ihrer Familie?
Ein Umfeld, das dich trägt und beschützt, ist natürlich wichtig. Ich brauche diese Geborgenheit, obwohl mein Mann und meine zwei Töchter mir oft sagen, dass sie heute weniger mitbekommen, was mich beschäftigt als zuvor, als ich «nur» Gemeinderätin war. Dies hat oft damit zu tun, dass die Themen so breit und komplex sind und es schwierig ist, diese zu Hause zu erklären. Ich habe zum Glück auch gute Freunde, bei denen ich mich verstanden und aufgehoben fühle.

Es braucht ganz schön Mut, sich in dieser Art zum christlichen Glauben zu bekennen, wie Sie es mit diesem Interview gerade tun …
In meinem Leben gehört der Glaube nun mal ganz natürlich dazu. Bei den Wahlen habe ich auch nie verschwiegen, dass ich lange Zeit Adonia-Lager (christliche Kinder- und Jugendchorlager) geleitet habe. Wenn das Gespräch auf den Glauben kommt, will ich diesen nicht verheimlichen. Ich kann mir auch nicht verkneifen, einer Jubilarin bei einem hohen Geburtstag oder einem Neuntklässler bei der Entlassung aus der Schule ein «Bhüet di Gott» mit auf den Weg zu geben.

Hinweis zu den Regionalausgaben «Influencer Nr. 1»:

Im Jahr 2019 erschienen sieben Regionalausgaben der «Influencer Nr. 1»-Zeitung. Hier können Sie diese Ausgaben bestellen oder lesen.

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Datum: 23.12.2019
Autor: Florian Wüthrich
Quelle: Jesus.ch-Print

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