KI – Chance für die christliche Gemeinde
Die Welt wird aktuell von so vielen Gefahren bedroht, dass Künstliche Intelligenz (KI) dagegen vorerst wie ein Spielzeug wirkt. Dennoch streiten sich die Experten darüber, ob KI, die auch selbständig lernen und sich weiter entwickeln kann, sich schliesslich gegen seine Erfinder und die Menschheit richten wird. Ziemlich sicher scheint, dass die fortschreitende Digitalisierung und erst recht die KI Arbeitsplätze wegrationalisieren wird. Roboter werden noch raffinierter, als sie es heute in Produktionsprozessen schon sind.
Die vier Wellen der Superintelligenz
Der Chinese Kai-Fu-Lee ist Gründer und Vorstandschef des Risikokapitalgebers Sinovation Ventures und gilt laut Time Magazine als einer der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt. Er hat über die Möglichkeiten der KI (englisch AI) ein Buch geschrieben mit dem Titel «AI Superpowers / China, Silicon Valley, Neue Weltordnung». Er stellt die These auf – und das mag nicht gerade beruhigen – das China auch bei der KI die USA überholen wird und spricht von einer KI-Revolution in vier Wellen. Diese werde das Internet, die Geschäftswelt, die Wahrnehmung der Menschen überrollen und sich autonom entwickeln. Er will dennoch nichts von einer vernichtenden Superintelligenz wissen. Die Hauptgefahr sieht er bei der wachsenden Ungleichheit und in der Arbeitsplatzvernichtung. Er plädiert dafür, dass sich KI und Mensch ergänzen sollten.
KI und Mensch sollen sich ergänzen
Maschinen können den Menschen nicht vollständig ersetzen, stellt Lee beruhigend fest. Denn: Sie können nicht lieben und Zuwendung schenken. Am besten wäre es also, die Fähigkeiten von KI mit menschlichen Fähigkeit zu kombinieren. Dafür müsse die Gesellschaft mit ihrer Kultur und ihren Werten sowie auch die Volkswirtschaft anders aufgebaut werden. Anders als bisher sollte der Lebenssinn nicht in der Arbeit liegen; vielmehr sollten Tätigkeiten, die mit Liebe, Dienst am Menschen und Empathie zu tun haben, eine höhere Wertschätzung erfahren. Und er definiert den Kernsatz: «Die kognitiven Fähigkeiten der KI in Verbindung mit der menschlichen Fähigkeit zu lieben: Auf dieser Synthese sollten wir nach meinem Dafürhalten unsere gemeinsame Zukunft aufbauen.»
Verlorene Arbeitsplätze mit neuen Aufgaben kompensieren
Die wirtschaftlichen Folgen des Arbeitsplatzverlustes für viele Menschen müssten allerdings abgemildert werden Dies könnte mit einem bedingungslosen Grundeinkommens geschehen. Die geschädigten Menschen würden damit aber lediglich ruhiggestellt und das Gewissen der Verantwortlichen besänftigt, schränkt Kai-Fu Lee ein. Stattdessen sollte die Privatwirtschaft bestehende Jobs neu definieren bzw. neue, menschenfreundliche Jobs schaffen, in denen Maschinen Menschen ergänzen und umgekehrt. Er führt als Beispiel die Medizin an: Algorithmen stellen die Diagnose und machen Therapievorschläge. Menschliche Pflegekräfte könnten dann für die Zuwendung sorgen – mit den Kompetenzen etwa des medizinischen Technikers, des Krankenpflegers und des Psychologen. Neben der Privatwirtschaft sei hier auch die Politik gefragt, die in solchen Berufen attraktive Laufbahnen ermöglichen muss, inklusive angemessener Entlohnung und Wertschätzung. Das muss vor allem Christen freuen, die sich stärker als der Durchschnitt in Pflegeberufen engagieren.
Die Verantwortung der Unternehmen
Private Unternehmen sollten künftig mehr denn je die sozialen Konsequenzen ihrer Tätigkeit berücksichtigen, mahnt der Autor. Wer nach wie vor bloss Gewinne maximieren wolle, handle nicht nur fahrlässig, sondern laufe zunehmend Gefahr, von Risikokapitalgebern abgestraft zu werden. Lee erinnert an den BlackRock-Gründer Larry Fink, der 2018 im Vorfeld des Weltwirtschaftsforums in Davos in einem Rundbrief die CEOs weltweit dazu aufforderte, ihrer sozialen Verantwortung nachzukommen. Sowohl Unternehmen als auch Risikokapitalgeber müssen sich von exponentiellem Gewinnwachstum verabschieden.
Die Rolle der Regierungen
Auch Regierungen sind gefragt. Statt eines bedingungslosen Grundeinkommens schlägt Lee ein «Sozialinvestitionsgehalt» vor. Eine solche staatliche Vergütung könnte zum Aufbau einer menschlichen Gemeinschaft beitragen. Zur Finanzierung dieses Gehalts schlägt er Steuern auf durch KI erzielte Gewinne vor, die sehr hoch ausfallen dürften. International sollte die Entwicklung von KI nicht als Wettlauf betrachtet werden, sondern als gemeinsame Aufgabe. Er spielt damit den Ball indirekt den Kirchenleitungen und ihren Wirtschaftsethikern weiter.
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Datum: 19.11.2019
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet