Bernard Suwa: «Ich wollte mir das Leben nehmen»
Bis zu seinem siebten Lebensjahr lebte Bernard Suwa mit seiner Familie friedlich im Südsudan, doch im Jahr 1964 änderte sich alles. «Der erste sudanesische Bürgerkrieg erreichte unser Dorf, und so floh ich mit der Familie meiner Schwester nach Uganda. Wir begannen unsere 35 Kilometer lange Reise zu Fuss, aber da es auf der Hauptstrasse nur so von Soldaten wimmelte, mussten wir einen anderen Weg zur Grenze finden.»
Als die Flüchtlinge einen Fluss nahe der Grenze zu Uganda erreichten, nahm ihn sein Schwager als Huckepack auf den Rücken, die kleine Tochter des Schwagers sass auf seinen Schultern und Bernards Schwester zog er an der Hand durch den Fluss.
Vater stirbt
«Wir landeten in Uganda in Gulu, aber der Rest meiner Familie liess sich in Elegu nahe der Grenze nieder – wir wurden getrennt.» Damals gab es für Flüchtlinge keine Zelte. «Wir mussten uns selbst eine Hütte bauen. Die ugandischen Behörden gaben uns Macheten zum Holzhacken und Hacken zum Umgraben des Bodens – das war alles, was wir hatten. Wir bauten uns eine Lehmhütte mit einem Strohdach.»
Im Alter von zwölf Jahren erfuhr Bernard, dass sein Vater gestorben war. «Die Behörden wollten die Flüchtlinge näher an die Grenze umsiedeln. Mein Vater hatte schweres Asthma, aber die Soldaten packten ihn trotzdem in einen Lastwagen. Er starb an einem Asthmaanfall.»
Waisenkind im Teenageralter
Als er 15 Jahre alt war, wurde in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba ein Friedensabkommen unterzeichnet, das Hoffnung auf eine Rückkehr in die Heimat machte. «Meine Mutter beschloss, dass es Zeit war, zu gehen.» Seine Brüder kehrten zuerst in den Sudan zurück, um Hütten für die Familie zu bauen. «Meine Aufgabe war es, auf die Besitztümer der Familie aufzupassen, während meine Mutter einen Transport für die Rückführung organisieren wolle.»
Doch dies entpuppte sich als zähfädig und chaotisch. «Meine Mutter dachte schliesslich, es wäre einfacher, die 35 Kilometer zu Fuss zu gehen. Als sie den Fluss zum Sudan überquerte, wurde sie vom Militär, das sich im Busch versteckt hatte, vergewaltigt.» Sie verstarb. «Meine Geschwister im Sudan dachten, meine Mutter sei bei mir, und ich dachte, sie wäre bei ihnen. Zwei Wochen später entdeckten wir die verbrannten Überreste meiner Mutter, versteckt unter einem Busch.»
Das Leben ist nicht lebenswert
Er versuchte, die Scherben seines Lebens aufzusammeln. «Ich bekam einen kostenlosen Platz in der Sekundarschule. Da ich kein richtiges Zuhause hatte, kam ich an den Wochenenden und in den Ferien in der Schule unter.»
Jeden Sonntag sass er unter demselben Mangobaum auf dem Schulgelände und fragte sich, warum sein Leben durch Krieg und Armut zerstört worden war. Er fühlte sich einsam – das Leben war nicht lebenswert.
Eines Sonntags, als er darüber nachdachte, wie er sich das Leben nehmen sollte, hörte er ein Lied aus der nahe gelegenen Kapelle. «Als ich 'What a friend we have in Jesus' (dt. Welch ein Freund ist unser Jesus) hörte, fühlte ich mich gerufen. Ich ging hinein und sang mit den anderen Schülern. Das war der Beginn meines neuen Lebens – es war nie wieder dasselbe.»
Der Geistliche, der den Gottesdienst leitete, arbeitete für «ACROSS», eine Entwicklungsorganisation im Sudan, die vom Flugdienst «Mission Aviation Fellowship» (MAF) mitgegründet worden war.
Gott, der Anker
Bernard Suwa fand die Hoffnung und Orientierung, die er so dringend brauchte. «Mein neuer Glaube gab mir inneren Frieden, aber die Gesellschaft um mich herum versank im Chaos.» 1983 brach der zweite Bürgerkrieg im Sudan aus. Im Alter von 29 Jahren floh er mit seiner Frau und der kleinen Tochter aus dem südsudanesischen Juba ins kenianische Nairobi.
1990 bot ihm ACROSS eine Stelle an, durch diese konnte er die Entwicklung des Sudan unterstützen. Ausserdem bildete er sich zum Pastor aus. Mehrere Jahre arbeitete er später in dieser Funktion in Australien, ehe er mit 54 Jahren nach Hause zurückkehrte. «Der Südsudan hatte 2011 seine Unabhängigkeit erlangt, aber der Frieden hielt nicht lange an. Von 2013 bis 2020 herrschte erneut Krieg in meinem Land.»
Trost gefunden
«Heute, mit 66 Jahren, finde ich Trost in der 'Grace Community Church', die ich im Jahr 2011 gegründet habe. Wir dienen Missionaren aus der ganzen Welt, die sich um den Wiederaufbau des Südsudan bemühen.»
Es gebe Dinge, die nur Gott in seinem Land ändern könne. «Ich träume davon, dass der Krieg aufhört und dass die politischen Führer die Interessen ihres Volkes an die erste Stelle setzen.»
Zum Thema:
Bibelvers des Jahres 2022: «Fürchte dich nicht, denn ich stehe dir bei»
MAF fliegt für den Frieden: Fehden werden beendet, Konflikte beigelegt
Initiative für Flüchtlingsjungen: «Über 700 Menschen beten gerade für dich»
Datum: 12.04.2023
Autor:
Premier Christianity / Daniel Gerber
Quelle:
Premier / gekürzte Übersetzung: Livenet