Wie die Freikirchen «systemrelevant» geworden sind
Welches sind die drei erfreulichsten Schlagzeilen für die
Freikirchen seit der Eröffnung der Kommunikationsstelle?
Das messe ich gerne an drei Titeln in säkularen Zeitungen:
«'Systemrelevante' Freikirchen wollen öffnen» (Tages Anzeiger), «Armee öffnet
Seelsorge für Freikirchler» (NZZ) und «Kirchen reagieren kreativ auf 50-Personen-Regel»
(Zürcher Oberländer). Wichtig ist auch, dass einzelne Freikirchenverbände
mit guten Nachrichten aufhorchen lassen. So zum Beispiel die GvC Winterthur mit
«Freikirchler haben ein 'Townvillage' gebaut – die Regierung ist begeistert
und pilgert selbst dahin» (NZZ) oder das EGW Langenthal mit «Im Spagat zwischen
Tradition und Moderne» (Berner Zeitung).
Welche Veränderungen stellen Sie seit dem Start der
Kommunikationsstelle fest?
An der Retraite einer Fachredaktion wurde gesagt: «Die Freikirchen
versuchen sich als aktive Stimme zu etablieren. Sie machen das gut.» Das ist
natürlich ein schönes Kompliment. Vor April 2020 haben die Freikirchen als
Dachverband nur sporadisch gegen aussen kommuniziert. Seit dem Start haben wir
im Durchschnitt pro Monat eine Medienmitteilung publiziert. Diese Änderung
wird nun bemerkt, was auch zu direkten Rückmeldungen und Medienanfragen
führt. Wichtig ist, dass wir jeweils rasch reagieren können. Diese aktive
Kommunikation ist nicht nur gegen aussen wichtig. Auch gegen innen war es ein
wichtiges Signal, dass wir uns mit einem gewissen Selbstbewusstsein darstellen
können.
Gab es auch eigentliche Highlights?
Ja, da könnte man das Wort «systemrelevant» nennen. Wir haben in
unserer ersten Medienmitteilung ganz allgemein erwähnt, dass die Kirchen in
Krisen systemrelevant und beim Überleben von schwierigen Zeiten notwendig sind.
Sie sind dadurch auch ein Teil der Grundversorgung. Das hat die Zeitung «Tages
Anzeiger» im Titel aufgenommen und nur auf Freikirchen bezogen, was breite
Echos bis ins Bundeshaus auslöste. Immerhin ergab noch 2016 eine repräsentative
Erhebung der gfs Markt- und Sozialforschung, dass 42 Prozent in der Schweiz
Freikirchen überhaupt nicht kennen. Das Wort systemrelevant erschien dann
immer wieder in der Kommunikation, hat sich quasi verselbständigt. Der
Höhepunkt war natürlich die persönliche Einladung an Freikirchen-Präsident
Peter Schneeberger durch Bundesrat Alain Berset nach Bern. Das ist eine grosse
Anerkennung für das Mobilisieren der Freikirchen. Wie eine soziologische
Studie der Universität Lausanne zeigt, sind die Freikirchen in der Schweiz im
Markt der Religionen nach den Katholiken die Nummer Zwei, noch vor den
Reformierten und Muslimen. Dann ist sicher bemerkenswert, dass die Studie
Diakonie über die Schweizer Freikirchen ergab, dass wir den Staat im
Sozialbereich um rund 500 Millionen Franken pro Jahr entlasten. Highlights
waren für mich auch die Videos aus den Bergen mit prophetischen und
seelsorgerlichen Eindrücken von Peter Schneeberger, die er über die sozialen
Medien verbreiten konnte.
Wo konnten Sie Vorurteile gegenüber den Freikirchen abbauen?
Da hat die offizielle Partnerschaft mit der Schweizer Armee stark
geholfen. Korpskommandant Thomas Süssli nahm sich persönlich Zeit für das
Treffen der Armee mit Kirchen und religiösen Gemeinschaften. Das war ein
historischer Tag: Ein solches Treffen hat es in der Schweizer Geschichte noch
nie gegeben. Die zunehmende Bedeutung wurde kürzlich mit der Mitgliedschaft
beim Rat der Religionen unterstrichen. Dann konnten wir mit regelmässigen
Verlautbarungen zum Schutzkonzept, zu den Kasualien (freikirchlichen Liturgie
an den Schlüsselstellen des Lebens) und natürlich der Studie zur Diakonie ein
vielfältiges Leben der Freikirchen aufzeigen. Interessant war auch eine
Anfrage der Zeitung «20 Minuten», die einen Leitfaden zum sprachlichen Umgang
mit heiklen Themen wie Religionen wünschte. Geholfen hat auch ein erstmaliges
und offenes Treffen mit der Informations- und Beratungsstelle «Infosekta», wo
einige Missverständnisse ausgeräumt werden konnten.
Wo war bei Ihrer Arbeit auch Hartnäckigkeit gefragt?
Wir möchten natürlich mit guten Nachrichten glänzen. Aber in
der hektischen Medienwelt läuft nicht immer alles rund oder nach Wunsch. Da
habe ich zum Beispiel empfohlen, auf eine Satiresendung nicht zu reagieren,
weil sie keinen Wahrheitsanspruch hat und man rasch als humorlos gilt. Oder
dann habe ich darauf bestanden, dass wir auch eine schlechte Nachricht aktiv
kommunizieren. Um glaubwürdig zu sein, darf man das nicht unter den Teppich
kehren.
Wo ist die Kommunikationsarbeit der Freikirchen auch in Zukunft
herausgefordert?
In der öffentlichen Kommunikation besteht die Gefahr, dass man
von den Medien getrieben wird und nicht selber Themenschwerpunkte setzen kann.
Die Themen der Medien wie Aussteiger oder Homosexualität haben mit den
Kernthemen der Freikirchen aber meist nichts zu tun. Daher gilt es, mit einer
sorgfältigen Planung eigene Themenschwerpunkte zu setzen. Das ist angesichts
der Medienfülle und Pluralität der Gesellschaft eine anspruchsvolle Aufgabe.
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Datum: 07.11.2021
Autor: Fritz Imhof
Quelle: freikirchen.ch