Türkische Bibelgesellschaft lässt sich nicht lahmlegen
In der Türkei konnte die Bibelgesellschaft «Kitab-i Mukaddes Sirketi» (Heilig-Buch-Gesellschaft) das Gedenkjahr ihres 200-jährigen Bestehens gerade noch vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie eröffnen. Dann musste sie alle Veranstaltungen absagen und die Buchhandlungen in Istanbul und Adana schliessen. Doch ihr Wirken geht weiter: Unter dem Motto «Mit der Bibel in Quarantäne» ruft sie dazu auf, die häusliche Isolierung einer Vertiefung in Gottes Wort zu widmen.
200 Jahre türkische Bibelgesellschaft
Am 15. Januar erinnerte die langjährige Direktorin der Gesellschaft, Tamar Karasu, mit einem Festakt daran, dass 1820 die «British and Foreign Bible Sociey» auch in der Türkei Fuss gefasst hatte. Schon im Jahr vor der offiziellen Eröffnung ihrer Niederlassung wurden die ersten 5'000 Exemplare des Neuen Testaments auf Türkisch gedruckt. 1827 konnte die Gesellschaft dann die Übersetzung der ganzen Bibel vorlegen.
Ein Sultan liess erste Bibel übersetzen
Die erste Bibelübersetzung im damaligen Osmanischen Reich stammte zwar schon aus dem 17. Jahrhundert. Sie war jedoch unter Ausschluss jeder Öffentlichkeit am Hof des Sultans Mehmet IV. entstanden. Er wollte sich darüber informieren, was seine christlichen und jüdischen Untertanen eigentlich glaubten. Zu ihnen gehörten damals mehr als die halbe Bevölkerung der «Hohen Pforte», deren Herrschaft von Algier bis nach Bagdad, von der Donau bis zum Nil reichte.
Bibelmuseum an historischer Stätte
Am Ort der Gedenkfeier soll inskünftig auch ein «Biblisches Museum» die Geschichte der Bibel und ihrer Übersetzungen in der Türkei veranschaulichen. Dabei handelt es sich um die bisherige armenische Dreifaltigkeitskirche an Istanbuls Hauptgeschäftsstrasse Istiklal. Ihre Gemeinde ist – wie viele andere alteingesessene Christen – fast völlig abgewandert, seit sie die angeblich europäisierte moderne Türkei feindseliger behandelt als es unter dem Sultan in der Regel der Fall war.
Bibeln auch für Musliminnen
Der armenische Erzbischof Levon Zekiyan hat nun die Kirche mit ihren Nebengebäuden der Bibelgesellschaft für zunächst einmal 20 Jahre zur Verfügung gestellt. Neben dem biblischen Museum soll dort ein Ausstellungszentrum von allen aktuell verfügbaren Publikationen entstehen. Dazu gehören Ausgaben des Neuen Testaments, die auch für muslimische Leser und gezielt Leserinnen besonders ansprechend sind. Im kleinen Bible-Shop auf der andern Seite der Strasse gibt es dafür keinen Platz.
Marktplatz für christliche Sklavinnen
Bevor die Dreifaltigkeitskirche an die Armenier kam, beherbergte der Gebäudekomplex ein Zentrum für den Freikauf und die Aufnahme von Christensklaven und vor allem -sklavinnen. Der Handel mit «weissen» Haremsdamen war in der osmanischen Türkei ein einträgliches Geschäft. Sogar noch in der Frühzeit der Bibelgesellschaft. Erst 1855 wurden die Sklavenmärkte vom Reformsultan Abdulmedschid I. untersagt.
Inmitten der Corona-Krise
In diesen Tagen blickt die frühere Zufluchtsstätte christlicher Sklavinnen auf anderes menschliches Elend: Corona-Opfer, die mitten auf der Strasse zusammenbrechen, Obdachlose, die sich in einem Winkel zu Tod husten, Angehörige von Kranken, die verzweifelt an Apothekertüren mit der Aufschrift «Medikamente ausverkauft» pochen. Die türkische Führung verschweigt das wahre Ausmass der Seuche.
Hauskirchen verbreiten die Bibel
Alle Kirchen und Moscheen sind geschlossen. Religiöser Beistand darf nicht mehr direkt geleistet werden, Bildschirm und Handy ersetzen kaum die persönliche Nähe. Davon abgesehen, dass in der Türkei viele Menschen, besonders am Land, noch ohne digitale Vernetzung leben. In dieser Not bewähren sich die evangelischen Hauskirchen. Sie tragen den Aufruf der Bibelgesellschaft hinaus: «Holt Euch von der Bibel Trost, Kraft und Zuversicht!»
Zum Thema:
DOSSIER CORONAVIRUS
Bald zweihundert Jahre jung: Türkei: Bibelgesellschaft überwindet Einschüchterung
Ergreifende Schicksale: Evangelische Christen helfen Flüchtlingen in der Türkei
Türken finden Jesus: «Wir setzen hier die Missionsarbeit des Paulus fort»
Datum: 30.03.2020
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet