Missionieren und helfen, ohne zu demütigen
Das Bild von Mission als Einbahnstrasse ist sicher in vielen Fällen überzeichnet. Mission vor Ort war schon immer vielfältiger, beweglicher und bunter als ihre Theorie «daheim» an theologischen Ausbildungsstätten. Doch die Richtung von Mission war über Jahrhunderte klar: Es gab die Gebenden und die Empfangenden. Und Gebende waren meist westlich, weiss, christlich und reich.
Die Würde von Mission
Missionare brachten anderen Menschen das, was ihnen selbst am Wichtigsten geworden war: Sie stellten ihnen Jesus Christus vor und luden sie ein, an ihn zu glauben. Das war und ist Herzstück von Mission. Und das ist völlig legitim. Doch als unhinterfragtes Anhängsel war die Einstellung weit verbreitet: «Eigentlich alles im Missionsland ist schlechter als das, was wir als Missionare zu bieten haben.» Die Folge davon war, dass die Menschen, Volksgruppen und Völker, zu denen Missionare gingen, auf «Empfänger» reduziert wurden. Sie konnten und sollten nichts geben, denn sie waren ja bedürftig.
Das soll jetzt nicht despektierlich klingen. Vielen Menschen fehlte (und fehlt noch) wesentlich mehr als das Evangelium. Da ist tätige Hilfe durchaus gefragt. Problematisch wird es erst, wenn Missionare ihre Gegenüber auf ganzer Linie zu Empfängern degradieren. Denn damit ist eine Begegnung auf Augenhöhe nicht mehr möglich. Im Bild gesprochen sitzt der eine eben immer als Bettler auf der Strasse und hat den leeren Hut vor sich beziehungsweise seine Hand geöffnet…
In dem Moment, wo sich dies ändert, wo Empfänger des Evangeliums in anderen Bereichen durchaus etwas geben können, da ändert sich vieles im Missionsverständnis.
Da ist Bewegung drin …
Den oben beschriebenen Prozess machte das deutsche Missions- und Hilfswerk DMG in Sinsheim auf seinem diesjährigen Frühlingsmissionsfest zum Thema. Nach Verabschiedung des langjährigen Leiters Detlef Blöcher unterstrich der neue Direktor, Pfarrer Günther Beck, Kontinuität und Neuausrichtung. «Auf Kurs bleiben» war das Motto der Konferenz, und Beck setzte dabei drei Schwerpunkte: «Wir werden weiter das Evangelium klar verkündigen und Mitarbeiter rund um den Globus entsenden.» Ein besonderes Augenmerk gelte dabei dem Gewinnen junger Christen für die Mission. Und der dritte Schwerpunkt, den der neue DMG-Direktor unbedingt bewahren will, ist: «Gebet! Unsere Zentrale Buchenauerhof wird auch künftig ein Zentrum des Gebets sein.»
Doch Beck sieht auch die Notwendigkeit für Akzentverschiebungen und Neuausrichtung im oben beschriebenen Sinn. Hilfe geschehe oft nach dem Prinzip einer Suppenküche: «Auf der einen Seite der Theke stehen Helfer, auf der anderen Hilfsbedürftige.» Diese Art zu helfen könne demütigen. Jesus habe es anders gemacht, erklärte Beck. Bei der Speisung der 5'000 habe er Brote und Fische eines Jungen angenommen und damit gearbeitet. Nicht die Jünger sorgten für die Grundlage des anschliessenden Wunders, sondern ein Junge aus der Empfängergruppe, ein Bedürftiger. Beck meinte, Hilfe könnte aussehen wie ein Potluck: Jeder bringt etwas mit und alle zusammen teilen sich, was da ist. So kann der eine viel und der andere wenig beitragen, aber alle sind Geber. «So stelle ich mir Hilfeleistung in Zukunft vor», sagte der neue Direktor. «In jeder Kultur gibt es Wertvolles, das die Menschen einbringen können, selbst die Ärmsten.» Hilfe auf Augenhöhe beziehe die Menschen mit ein und stärke ihr Selbstbewusstsein, sodass sie selbst einander helfen.
… aber das Ziel ist längst noch nicht erreicht
Für viele ist diese dialogorientierte Mission nichts Neues. Sie arbeiten schon lange in einem Prozess des Gebens und Nehmens. Andere haben grosse Bedenken, dass vor lauter Dialog vielleicht die Botschaft des Evangeliums verlorengeht. Und wieder andere – auf demselben Frühlingsmissionsfest der DMG – zeigen, dass das «alte» Verständnis durchaus parallel weiter existiert. Thomaz Litz, Missionar in Brasilien, erzählte von der Not venezolanischer Geflüchteter in seiner Umgebung. Er warb um Hilfe für diese Menschen, aber er gebrauchte dabei ein Bild, das sich stark an den beiden Klassen der Geber und Empfänger orientiert: «Das Leben als Christ ist vergleichbar mit einem weissen Fischreiher. Der Reiher steht mit den Beinen im Schlamm, doch sein Federkleid bleibt sauber.» Der Abstand ist hier klar definiert. Klarer als er in Wirklichkeit ist. Gleichzeitig ist es ihm und allen anderen Missionaren hoch anzurechnen, dass sie ihr Missionsverständnis immer wieder auf den Prüfstand stellen und weiterentwickeln. Und dass sie im Bewusstsein, weder vollkommen zu sein noch zu denken, trotzdem ihre Koffer packen, weil alle Menschen etwas von Jesus Christus hören sollen.
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Datum: 10.05.2018
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet / DMG