Die Bibel hat das Wort!
«Wir lassen uns auf ein Abenteuer ein. Wer es nicht durchhält, kann über Mittag aussteigen.» Mit diesen Worten bereitete Hannes Wiesmann eine Gruppe von 15 Personen auf ihren ersten Bibelmarathon vor. Es sollte an einem Samstag das komplette Jesajabuch durchgelesen werden. 66 Kapitel, ungefähre Dauer: sechs Stunden.
Wiesmann, Leiter von Wycliffe Schweiz, hatte von dieser Methode in einem Buch («Decision Making and the Will of God: A Biblical Alternative to the Traditional View») des amerikanischen Theologen Garry Friesen gelesen. Friesen erwähnt den Bibelmarathon beiläufig im Anhang. «Wenn man etwas über Gottes Willen erfahren möchte, muss man sich mit der Bibel auseinandersetzen», lautet Friesens Devise. Mit dem Bibelmarathon könne man sich einen guten Überblick über die biblische Botschaft verschaffen. «Als ich das las, erahnte ich das Potenzial dieser Methode», erklärt Wiesmann.
Verblüffendes Ergebnis
Also probierte er den Bibelmarathon mit dem Jesajabuch und einigen Personen aus seiner Gemeinde aus. Das Ergebnis sei faszinierend gewesen. «Ich dachte, wenn ich 10 Prozent von der Zeit aufmerksam dabei bin, dann sei das schon erfreulich.» Das wären immerhin sechs Kapitel gewesen. «Aber effektiv war ich 80 Prozent der Zeit gedanklich dabei. Das hat mich verblüfft.» Er habe auch neue Erkenntnisse über den Inhalt des Prophetenbuches gewonnen. «Bei Jesaja gibt es längere Passagen des Gerichts über Völker. Ich dachte, dass mir das irgendwann ablöschen wird.» Stattdessen habe ihn der Gedanke gepackt, dass Gott offensichtlich ein Gott ist, der interveniert, wenn etwas nicht gut läuft. «Gerechtigkeit ist ihm ein hohes Gut.» Auch die anderen Teilnehmer waren begeistert. Keiner ist über Mittag ausgestiegen. «Wir waren alle erstaunt, wie kurzweilig und interessant wir das empfunden haben und waren am Ende fast ein bisschen enttäuscht, dass es schon fertig ist.»
Die Idee ist ansteckend
Nach dieser positiven Erfahrung nutzte Wiesmann jede Gelegenheit, um von der Lesemethode zu erzählen und Bibelmarathons durchzuführen. Mit einer Jugendgruppe nahm er sich das Johannesevangelium vor und dachte, dass er nach zwei Stunden abbrechen müsste. Doch auch die Jugendlichen wollten bis zum Schluss lesen und hängten nochmals eine Dreiviertelstunde an. Schliesslich steckte Hannes Wiesmann auch Benedikt Walker von der VBG mit der Idee an. An verschiedenen VBG-Anlässen wurden daraufhin Bibelmarathons durchgeführt. Walker machte den Vorschlag, die Sache noch etwas grösser aufzuziehen. Daraus entstand die Kampagne «Der grosse Bibelmarathon» während der Fastenzeit 2015.
Man nimmt die grossen Linien wahr
Hannes Wiesmann betont: «Der Sinn des Bibelmarathons ist, dass man einfach mal das Wort Gottes zu Wort kommen lässt. Ich bin auch ein Fan davon, die Bibel im Detail, Vers für Vers zu lesen, aber so liest man sie immer in der Makroperspektive.» Beim Bibelmarathon müsse man sich von der Idee verabschieden, jedes Stück Information des Textes erfassen zu können. «Es gibt ja beim Marathonlauf das Phänomen des 'Flows'», sagt Wiesmann. «Das ist mir zwar beim Joggen noch nicht passiert, aber beim Bibelmarathon schon. Es ist ein anderes Lesen, man nimmt die grossen Linien wahr.»
Der grosse Bibelmarathon
Die Fastenzeit 2015 soll zu einer Zeit der Leidenschaft für die Bibel und Gott werden und eine grossflächige Begeisterung für das Bibellesen auslösen. Das wünschen sich die Trägerorganisationen des «grossen Bibelmarathons» VBG und Wycliffe. Bei der Lesemethode werden die Bücher der Bibel in Gruppen laut und teilweise öffentlich gelesen. «Die Bibel als Marathon zu lesen ist genial einfach und gleichzeitig einfach genial», heisst es auf der Webseite. 6 bis 15 Personen lesen sich eines oder mehrere biblische Bücher gegenseitig vor. Dabei übernimmt jeder Teilnehmende jeweils ein Kapitel. Die Gruppe wählt eine einheitliche Übersetzung, idealerweise eine leicht verständliche (das ermöglicht einen guten Lesefluss und minimiert Verständnisprobleme). Kurze, strukturierte Austauschrunden zwischendurch ermöglichen es, einander am persönlichen Erlebnis Anteil zu geben. Eine Diskussion über das Gelesene und dessen Wirkung erfolgt anschliessend an die Lesung.
Eigene Gruppe einschreiben
Seit Dezember 2014 gibt es die Möglichkeit, seine Gruppe für den grossen Bibelmarathon auf der Webseite einzuschreiben. Die Schweizerkarte auf der Seite zeigt, wo sich bereits Gruppen formiert haben. So soll sichtbar werden, wie eine nationale Bewegung von Menschen entsteht, die sich treffen, um die Bibel zu lesen. Die Organisatoren hoffen auf viele weitere Einträge.
Zur Webseite:
Der grosse Bibelmarathon
Datum: 06.02.2015
Autor: Christof Bauernfeind
Quelle: idea Schweiz