Führungskräfte

Kirche soll ehrlichen Dialog mit der Elite führen

Intellektuelle fühlen sich in der Kirche immer weniger verstanden und verabschieden sich von ihr. Zu ­diesem Schluss kam VBG-Leiter Benedikt Walker vom Netzwerk von Berufstätigen, Studierenden und Mittelschülern in der letzten Ausgabe. In Freikirchen beobachtet er gar eine «denkfeindliche Haltung». Was meinen Führungskräfte dazu?
Im Rahmen der VBG stellen intellektuelle Leute gerne zentrale Fragen zum Glauben. In der Kirche vermissen sie diese Möglichkeit oftmals.

Elisabeth Schirmer, Unternehmerin, Lausen BL

«Wenn ich die Elite als Verantwortungsträger in Politik, Wirtschaft und Kultur definiere, kommt ihr eine grosse Bedeutung zu - sie prägt in hohem Masse unsere Gesellschaft», betont die Baselbieter Unternehmerin aus der Uhrenbranche. Zur wachsenden Distanz zwischen Elite und Kirche meint sie: «Wenn sich die Elite von Montag bis Samstag in der Champions League bewähren will, besucht sie am freien Sonntag kein 1. Liga-Spiel. Das bezieht sich unter anderem auf die Verpackung der Botschaft. Professionalität, Transparenz und Mehrwert sind gefragt. Am Evangelium der Hoffnung kann es nicht liegen. Neben intellektuellen Gründen mag es auch persönliche Gründe des Selbstschutzes geben. So fühlt sich der gute Schweizer Durchschnittsbürger wohler in den christlichen Institutionen als die Führungspersönlichkeit mit Ecken und Kanten.»

Verantwortungsträger suchen laut Elisabeth Schirmer meist ihresgleichen: «So macht es Sinn, spezielle Veranstaltungen zu organisieren wie das vergangene Berner Forum christlicher Führungskräfte oder die Kirche Kreativ. Aber zentral ist für mich immer noch der Weg über persönliche Freundschaften und das Vorleben eines möglichst befreiten Christen­lebens.»

Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes, Affoltern am Albis ZH

Der SGV-Direktor fordert dazu auf, sich ernsthaft mit der Frage auseinanderzusetzen, «wie das Potenzial von Führungskräften in den christlichen Gemeinden vollumfänglich erschlossen werden kann». Gemäss biblischem Auftrag habe die Kirche für Schwache Stellung zu beziehen. Doch oft leite die Wortverkündigung daraus politische Stellungnahmen ab, «die auf reine Umverteilungen und eine sozialistische Politik hinauslaufen». Dadurch würden Führungskräfte gerade aus der Wirtschaft einseitig auf die Anklagebank versetzt und ihre Leistungen gering geschätzt. Die Kirche müsste sich einem ehrlichen Dialog stellen: «Führungskräfte sind es gewohnt, zu hinterfragen, Probleme direkt anzusprechen und konkrete Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Dies im Bemühen, einen persönlichen Beitrag zu leisten. Prediger verstehen das oft als Angriff auf die eigene Person und reagieren mit frommen Allgemeinplätzen, anstatt sich ernsthaft und vor allem fundiert mit der Führungskraft auch als Person auseinanderzusetzen und sie mit seiner Haltung abzuholen.»

Christoph Wyss, Anwalt, Bern

Der im Frühjahr zurückgetretene, langjährige Präsident der Internationalen Vereinigung Christlicher Führungskräfte (IVCG) meint, die Elite werde in der Kirche oftmals nicht auf der Ebene ihrer eigenen Probleme angesprochen. «Viele Verantwortliche in den Kirchen jammern lieber über die ungerechte, böse Welt und die Folgen der Aufklärung, als dass sie Antworten auf die brennenden Fragen der Gegenwart suchen. Dabei fehlt der weite Blick, zum Beispiel Botschaften zum Segen der Globalisierung oder dem Glück des Reichtums.» Doch die Elite muss laut Wyss gar nicht zuerst für die Kirche gewonnen werden: «Menschen sollen für ein Leben in Beziehung mit Gott und Jesus gewonnen werden. Wenn sie - etwa durch die IVCG - zum Glauben finden, sind sie auf eine Gemeinde angewiesen, in der die biblischen Wahrheiten klar verkündet werden und Brücken zum Alltag geschlagen werden.» Dass Verantwortungsträger zu Gott und zu seinen Werten finden, sei entscheidend: «Für unsere Gesellschaft sollen sie Vordenker, Vorbilder, Pfad-Finder - im Idealfall Diener des Ganzen sein!»

Peter Stocker, Brigadier, Bern

Der katholische Stabschef und Stellvertretende Chef des Führungsstabs der Armee gab «idea Spektrum» im Februar ein Interview zum Thema «Führen auf christlicher Wertebasis». Sein heutiges Fazit: «Viele Offiziere gaben mir eine Rückmeldung, ohne dass ich wusste, dass sie die gleichen Werte vertreten wie ich. Es gibt weit mehr Verantwortungsträger, als man denkt, die ihre Tätigkeit auf dem christlichen Gedankengut aufbauen. Deshalb meine ich, dass die Kirche und ihre Werte noch immer als etwas Stabilisierendes empfunden werden.» Stocker selbst trifft in einer Gruppe regelmässig verschiedene Verantwortungsträger, die zu ihren christlichen Werten und auch zu ihrer Kirche stehen. Er betont: «Die Kirche ist für alle da, der Glaube soll für alle verständlich gemacht werden. Sie hat die Möglichkeit, mit verschiedenen Anlässen die verschiedenen Gesellschaftsschich­ten zu erreichen. Für die Kirchengemeinschaften besteht aber auch die Chance, dies noch besser zu tun. Sie müssen sich aber auf ihre ursprünglichen Werte zurückbesinnen und sich überlegen, wie diese heute gelebt werden können. Dies konsequent im christlichen Glauben.»

Diesen Artikel hat uns freundlicherweise «ideaSpektrum Schweiz» zur Verfügung gestellt.

 

Datum: 16.07.2012
Autor: Andrea Vonlanthen
Quelle: ideaSpektrum Schweiz

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