Christen schreiben über ihre Homosexualität
Es dauerte nur zweieinhalb Tage, da waren auf der Plattform Startnext 7'500 Euro für ein Buchprojekt zusammengekommen, das es so in der christlichen Welt noch nicht gab. 25 gläubige Homosexuelle erzählen in «Nicht mehr schweigen» über ihr Coming-Out und ihre Erfahrungen mit der Kirche.
Initiator ist der 46-jährige Timo Platte. Er ist selbst schwul und hat das vor sechs Jahren bekanntgemacht. In seiner evangelisch-freikirchlichen Gemeinde fühlte er sich spätestens seitdem nicht mehr wohl. «Ich dachte: Wenn ich nicht mit meinem Partner hier in der Bank sitzen kann, dann will ich gar nicht mehr hier sitzen», erinnert er sich im Gespräch mit pro an seine Gründe für den Abschied aus der Gemeinde.
Im Verein «Zwischenraum», der homosexuelle Christen unterstützen möchte, traf er andere, die dasselbe erlebt hatten oder erleben. Einige von ihnen zählen zu den Autoren des Buchs, das noch vor Weihnachten erscheinen soll. Zu den bekannteren Unterstützern des Projekts zählen etwa der Gründer der Plattform Jesus.de, Rolf Krüger, oder die christliche Bloggerin Mandy alias «Jesus Punk».
Verlage lehnten aus wirtschaftlichen Gründen ab
Platte hatte das Manuskript vor der Crowdfunding-Kampagne auch christlichen Verlagen angeboten. Manche zeigten sich interessiert, am Ende lehnten sie alle ab. Sie hätten argumentiert, die Zielgruppe für ein solches Buch sei zu klein. Platte hält das für vorgeschoben. «Man darf davon ausgehen, dass sie Angst haben, ihre Stammleserschaft durch die offenen Statements zu verschrecken», teilt er mit. Dass das Buch Interesse weckt, sei nun wohl offensichtlich.
Dabei gibt Platte an, keinen «Krieg» gegen das konservative Christentum führen zu wollen. Ihm gehe es um die Begegnung zwischen Menschen mit unterschiedlichen theologischen Ansichten. «Wir müssen raus aus dem festgefahrenen Diskurs», sagt er. Er respektiere andere Meinungen, halte es aber für schwer erträglich, wenn Homosexuelle in der Kirche durch Äusserungen und Herabwürdigungen verletzt würden.
Begegnung möglich machen
Er habe in den vergangenen sechs Jahren viele Schwule und Lesben getroffen, denen Christen grossen Schaden zugefügt hätten. Deshalb will er nach Erscheinen des Buchs vor allem Lesungen und Meet-ups mit den Autoren organisieren. «Die persönliche Begegnung ist uns am wichtigsten», sagt er. Zwar sind die Verfasser der einzelnen Berichte im Buch anonym. Dennoch würden einige öffentlich auftreten und das Gespräch mit anderen Christen suchen. Manche aber lebten noch mit dem Geheimnis ihrer Homosexualität und wollten sich zumindest vorerst nicht öffentlich dazu bekennen. Für sie aber gilt in seinen Augen dasselbe wie für diejenigen, die ihren Namen offen nennen: «Ihre Stimmen müssen gehört werden.»
Datum: 15.10.2018
Quelle: Pro-Medienmagazin