Verständlich vom Glauben reden
Der Anteil der Reformierten an der Schweizer Bevölkerung sinkt. Dazu kommt, dass Freidenker sie aus der Öffentlichkeit drängen und ihren öffentlich-rechtlichen Status aufheben möchten. «Das irdische Bürgerrecht kommt längst ohne himmlische Verheissung aus», leitete Thomas Schlag, Theologieprofessor an der Uni Zürich, die Tagung «Öffentliche Kirche» am 22. Juni ein.
Schwächere Bindung
Die Veranstalter hatten Wilhelm Gräb von der Humboldt-Universität Berlin eingeladen. Der Theologieprofessor fragte, wie Kirche öffentlich glaubwürdig und kraftvoll auftreten kann. Durch die Säkularisierung hätten die Kirchen ihren gesellschaftlichen Einfluss und ihre politische Machtstellung verloren, sagte Gräb im Rückblick auf die letzten 250 Jahre. «Auch die Bindungskräfte der Menschen an die Kirche werden schwächer – der Religion wächst aber die Chance zu, als Religion ernstgenommen zu werden.» Der Glaube brauche Institutionen, «die speziell für ihn da sind, ihn bilden und zu ihm erziehen».
Mit Glauben in die Öffentlichkeit
Öffentlich Gehör finden und überzeugen kann die Kirche, so Gräb, «nur unter Berufung auf die Sinngewissheit des Glaubens, nur auf der Basis der sie tragenden religiösen Überzeugungen». Der Einsatz in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft (als Wächteramt der Kirche bezeichnet) müsse sich auf eine gemeinsame Glaubensüberzeugung gründen und an der Mitteilung des Glaubens orientieren. «Will die Kirche sich öffentlich zur Geltung bringen, kann sie das nur mit den gläubigen Menschen und durch sie hindurch tun.» Die Gesellschaft könne nicht existieren ohne grundlegende Sinn- und Lebensorientierungen. Darum komme es darauf an, ob es der Kirche gelingt, «die mit Glauben erfüllte Sinngewissheit so zu kommunizieren, dass Menschen sie aufnehmen».
Unmissverständlich und dialogbereit
Wilhelm Gräb argumentierte in Zürich, die Kirche solle das Sinnangebot des Glaubens unmissverständlich zum Ausdruck bringen und Gespräche auslösen – ohne aber so zu tun, als habe sie die Wahrheit gepachtet. «Wie können wir in Glaubensfragen, bei der Deutung unseres Lebens, profiliert und für andere Meinungen offen zur Diskussion anregen?» Eine religiöse Deutungsperspektive müsse dabei immer einfliessen, forderte der Theologe aus Berlin. Und räumte ein, dass Menschen sich vielfach nicht verstanden fühlen. Ob die kirchliche Sprache für viele ihre Verständlichkeit verloren habe? Von den Theologen seien die wenigsten «fähig zu religiös inspirierendem Reden».
Datum: 26.06.2012
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet